Abgerissene Dächer, eingestürzte Wände, überflutete Straßen. Ein Bild der Zerstörung bot sich den Einwohnern der karibischen Inseln vor zwei Wochen, als Hurrikan Irma im Atlantischen Ozean wütete. Noch immer sind tausende Menschen ohne Strom und ohne fließendes Wasser. Mit Windgeschwindigkeiten von bis zu 280 km/h traf Irma als Hurrikan der Kategorie fünf am 6. September auf die Karibik-Inseln Barbuda, Saint Martin, St. Barthélemy, sowie Anguilla – ein Überseegebiet des Vereinigten Königreichs östlich von Puerto Rico.
Anguilla, normalerweise bekannt für kalkweiße Strände, welche die Insel an insgesamt 19 Kilometern säumen, sowie das glasklare Wasser mit seinen bunten Korallen. Hier, wo jedes Jahr Touristen und Prominente bei karibischem Rum in der Sonne entspannen, sieht nichts mehr aus wie vorher. Es gibt ein Todesopfer. In dem Hauptort The Valley wurden 90 Prozent der Gebäude zerstört und die Strom- und Wasserversorgung brach zusammen. Tausende Einwohner stehen vor den Trümmern ihrer Existenz. Es trifft besonders die, die ohnehin wenig besitzen.
Großbritannien und UN sichern finanzielle Unterstützung zu
Der britische Außenminister Boris Johnson reiste unmittelbar nach dem Abschwächen des Hurrikans nach Anguilla, um die Zugehörigkeit der Insel zu Großbritannien zu betonen und finanzielle Hilfe zuzusichern. Zuvor hatte Johnson bereits Barbuda besucht. Zwar sicherten Premierministerin Theresa May und Außenminister Johnson finanzielle Unterstützung für die britischen Überseegebiete zu, doch ist es Großbritannien nicht möglich, den britischen Hilfsfond von 13 Milliarden Pfund für die karibischen Inseln zu öffnen, da diese nach internationalen Kriterien zu wohlhabend sind.
Als Alternative will das Finanzministerium des Vereinigten Königreichs insgesamt 100 Millionen Pfund zur Verfügung stellen – davon 32 Millionen Pfund für Anguilla. Angesichts der Schäden, die Irma auf Anguilla hinterlassen hat, scheinen 32 Millionen Pfund kaum auszureichen, um den Wiederaufbau der Insel zu finanzieren, wie auch der Regierungschef von Anguilla Victor Banks kritisierte. Aber auch die Vereinten Nationen versprachen schnelle Hilfe für die betroffenen Inseln und forderten zugleich bessere Maßnahmen zur Vorbeugung von Hurrikans.
Die Lage bleibt kritisch
Hurrikan Irma ist überstanden und die Menschen auf Anguilla versuchen zurzeit, ihre Häuser so gut es geht zu reparieren, ihre Existenzen wieder aufzubauen. Angewiesen sind sie dabei auf Hilfsgüter aus Großbritannien, die bereits unterwegs sind. Doch zur Ruhe kommen die Einwohner Anguillas nicht und auch die Aufräumarbeiten werden durch einen weiteren Hurrikan erschwert: Hurrikan Maria, der mit Windgeschwindigkeiten von bis zu 250 km/h am Dienstag zuerst auf den Inselstaat Dominica traf, streifte auf seinem Weg nach Puerto Rico auch Anguilla. Es kam wieder zu Überschwemmungen. Auch wenn Anguilla von Hurrikan Maria weitestgehend verschont wurde, bleibt die Lage weiterhin bedrohlich, da die Hurrikan-Saison in der Karibik offiziell bis November andauert.
von Isabeau Höhn