Dem eigenen Volk ist er fremd geworden: Thailands designierter König Maha Vajiralongkorn. Ein Jahr nach dem Tod seines Vaters wird der kontroverse Thronfolger in seiner Heimat nach Ablauf der Trauerzeit zum neuen König gekrönt – und könnte damit ein ganzes Land ins Chaos stürzen.
Um König Bhumibol trauert die Bevölkerung noch immer. Grund dafür ist nicht zuletzt die ungewisse Zukunft, die dem Land bevorsteht, denn der neue König fällt vor allem durch seine Eskapaden auf. Und das, obwohl die Ausbildung des einstigen Kronprinzen planmäßig begann. Vajiralongkorn besuchte Privatschulen in England und später Australien, absolvierte dort eine Ausbildung zum Kampfpilot und begleitete den Rang eines Offiziers in der thailändischen Luftwaffe. Nun eilt ihm vielmehr der Ruf voraus, geltungsbedürftig, verschwenderisch und exzentrisch zu sein. Dem schottischen Autor Andrew McGregor zufolge ließ der thailändische Adel seine Töchter sogar ins Ausland schicken, um möglichst viel Distanz zwischen sie und Vajiralongkorn zu bringen. Drei Ehen, aus denen sieben Kinder stammen, scheiterten.
Ein heimlich verspotteter Königssohn
Auch im Ausland sorgte der designierte König in der Vergangenheit für Skandale. Wegen einer Auseinandersetzung blockierte er das Flugzeug eines chinesischen Politikers mit seinem Privatjet, 2011 wurde dieser wegen Schulden kurzzeitig in München gepfändet. Am Bekanntesten sind jedoch die Bilder vom Münchener Flughafen, die Vajiralongkorn bei der Begrüßung von Soldaten zeigen – im Tank-Top, dabei zahlreiche Tattoos entblößend. Vor allem in den sozialen Netzwerken sorgten die dabei entstandenen Aufnahmen für Aufsehen, woraufhin Bangkoks Regierung einschritt, sie zu Fälschungen erklärte und verbot. Denn: Kritik an der Monarchie ist strengstens verboten. Ein Verletzen des Gesetzes gegen Majestätsbeleidigung kann eine Haftstrafe von bis zu fünfzehn Jahren zur Folge haben und führte zu der Verurteilung eines Facebook-Nutzers zu 70 Jahren Gefängnis.
Die Thronfolge als politisches Schachspiel?
Nach dem Tod König Bhumibols am 13. Oktober 2016 ließ Vajiralongkorn ein Jahr der Staatstrauer anordnen, da er für die Nachfolge noch nicht bereit sei. Schon zwei Tage später waren schwarze T-Shirts nur noch schwer erhältlich. Trotz zahlreicher Militärputsche hatte Bhumibol es zu Lebzeiten geschafft, das Land zusammenzuhalten, indem er sich als neutraler Streitschlichter zwischen den politischen Lagern hervortat. Der Personenkult, der sich um ihn entwickelte, ließ die soziale und politische Spaltung der verarmten Landbevölkerung und des königstreuen Adels wieder zusammenwachsen.
Die neue und vor allem junge Unternehmergeneration hingegen reist und kehrt mit Demokratiegedanken aus dem Ausland zurück. Sie strebt ein Verdrängen der eingesessenen, adelstreuen Elite an. Somit droht das bisher in den Hintergrund gerückte Ungleichgewicht nun wieder ans Licht gezerrt zu werden. Hinzu kommt, dass Vajiralongkorn noch nicht als Nachfolger Bhumibols gekrönt wurde und aufgrund seiner Zurückhaltung ein Machtvakuum entstanden ist, das den Druck auf das Regime deutlich erhöht. Thailands Bevölkerung braucht einen König, der dem Land wieder etwas von seiner verlorenen Stabilität zurückgibt. Ob Vajiralongkorn dem Beispiel seines Vaters als Bindeglied zwischen arm und reich folgen wird, bezweifeln viele. Es stellt sich die Frage, wie groß der Riss sein wird, den seine Krönung durch Thailand ziehen wird.
von Leonie Jungen