Hongkong kommt nicht zur Ruhe. Aber die Proteste sind leiser geworden. Seitdem sich das Coronavirus ausbreitet, hat sich der Widerstand gegen den Einfluss Pekings von der Straße in den Einzelhandel verlagert.
Stattdessen werden zunehmend chinesische Restaurants und Produkte boykottiert. Im Juni 2019 gehen die Bewohner der Stadt erstmals zu Hunderttausenden auf die Straße und fordern das mächtige China heraus. Bis heute ist Hongkong gespalten. Es ist eine Auseinandersetzung, die über die Zukunft der Menschen in der Sonderverwaltungszone entscheiden wird. Wie groß ist die Kontrolle Chinas? Wie weit reicht die Autonomie? Und wie hoch ist der Preis für die Freiheit?
Im Herbst eskaliert die Gewalt. Tagelang liefern sich Demonstranten Straßenschlachten mit der Polizei. Für mehrere Tage wird das Gelände der Universität besetzt. Es gibt tausende Festnahmen. Chinas Staatschef Xi Jinping sieht das Prinzip „Ein Land, zwei Systeme“ durch die Gewalt in Frage gestellt und droht unverhohlen mit dem Eingriff des Militärs. Bis 2047 hat China Hongkong einen Autonomiestatus garantiert, mit den liberalen Grundrechten eines kapitalistischen Systems. Doch spätestens mit dem geplanten „Auslieferungsgesetz“ habe China aus Sicht der Demonstranten versucht, die Kontrolle über Hongkong zu verstärken.
Vor den Augen der Weltöffentlichkeit spitzt sich in Hongkong ein Kampf der Systeme zu: Demokratie gegen Hochleistungsdiktatur. ZDF-Chinakorrespondent Ulf Röller hat den anhaltenden Konflikt auf mehreren Reisen nach Hongkong beobachtet. Röller war in den Tagen der Eskalation hautnah dabei und hat auch den Studenten Francis King wiedergetroffen, der durch die Entwicklungen radikalisiert und immer tiefer in die Auseinandersetzungen mit der Staatsmacht hineingezogen wurde. Röller war zwischen den Fronten, schildert sein persönliches Erleben und erzählt, wie die zunächst friedlichen und disziplinierten Proteste zunehmend in Wut und Gewalt umgeschlagen sind. Er beschreibt die Eskalation auf beiden Seiten, erzählt von dem chinesischen Kampfsportler Dragon, der nach Hongkong gereist ist, um Chinas Interessen zu verteidigen, und analysiert, wie es so weit kommen konnte. Zwischen liberalen Hoffnungen und der traditionellen Verbundenheit mit einem starken China schwelt ein Konflikt, dessen Ausgang noch nicht abzusehen ist. Schon heute aber haben die Proteste und die zunehmende Radikalisierung aller Lager die Gesellschaft Hongkongs tiefgreifend verändert.