Klimawandel: Darum erhitzt sich Europa am schnellsten
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Klimawandel:Darum erhitzt sich Europa am schnellsten
von Moritz Zajonz
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Europa und Deutschland erhitzen sich deutlich schneller als andere Kontinente. Paradox: Ausgerechnet hohe Umweltstandards tragen mit dazu bei. Die Gründe im Überblick.
Der Sommer in Deutschland war wieder deutlich wärmer als früher. Diesen Trend gibt es überall, hier in Europa ist er aber besonders rasant: In den letzten dreißig Jahren sind die Temperaturen nirgends so stark gestiegen wie hier.
Europa hat sich in den letzten 30 Jahren am schnellsten erwärmt - Grafik
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Konkret heißt das: Europa hat sich seit 1993 im Schnitt jedes Jahr um etwa 0,048 Grad Celsius erwärmt. Das zeigen Daten des Forschungsinstituts Berkeley Earth. Was zunächst nach nicht viel klingt, macht über 30 Jahre aber schon 1,45 Grad Erwärmung aus.
So ist die Temperatur in Europa in den letzten 30 Jahren gestiegen
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Die Weltorganisation für Meteorologie und der Copernicus Klimawandeldienst der EU kommen im Bericht zum "State of the Climate in Europe 2022" zu dem gleichen Ergebnis.
Aber woran liegt es, dass sich Europa so schnell erwärmt?
Die Gründe dafür sind vielfältig, sagen drei Wissenschaftler, mit denen ZDFheute gesprochen hat.
Saubere Luft führt zu mehr Wärme
Im 20. Jahrhundert wurde unter anderem in Europa nicht viel Wert gelegt auf saubere Luft: Fabriken und Kohlekraftwerke befeuerten das Wirtschaftswunder in Deutschland und darüber hinaus.
Dabei sei bis Anfang der 1980er Jahre sehr viel Schwefel ausgestoßen worden, sagt Andreas Fink, Klimaforscher am Karlsruher Institut für Technologie. Die Schwefel-Aerosole reflektierten Sonnenlicht und kühlten so gewissermaßen den Boden.
"Nachdem immer mehr Entschwefelungsanlagen in die Kraftwerke eingebaut wurden, entfiel dieser kühlende Effekt etwa ab den 1990er Jahren", erklärt Fink. Dieses Ereignis sei auch unter dem Stichwort "Global Dimming - Global Brightening" bekannt.
So viel Schwefeldioxid hat Deutschland ausgestoßen
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Sebastian Sippel, Klimaattributionsforscher an der Uni Leipzig, sieht das ähnlich. Aerosole kühlten die Erde global derzeit immer noch um etwa 0,4 Grad Celsius:
Wie in der Wissenschaft üblich, gibt es auch für diesen Effekt einen Bereich von Werten, die möglich, aber weniger wahrscheinlich als 0,4 Grad sind. Die Erwärmung könne auch irgendwo zwischen 0 und 0,8 Grad Celsius liegen, gibt Sippel an.
Dazu kommt:
Die geographische Lage Europas
"Da Europa relativ weit nördlich liegt, kann es sein, dass sich die schnelle Erwärmung der Arktis-Region auch auf Europa auswirkt", erklärt Jakob Zscheischler, Klimaforscher am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ).
Ozeane nehmen einen großen Teil der globalen Erwärmung auf. Im April lagen die mittleren Oberflächentemperaturen durchgehend über 21 Grad.03.05.2023 | 0:41 min
Die Arktis, die im Gegensatz zur Antarktis kein Kontinent, sondern ein Ozean ist, erhitze sich nämlich nochmal deutlich schneller als andere Regionen. Zscheischler spricht von "Arctic Amplification", dem Phänomen, dass sich die Arktis verstärkt erwärmt. Das hänge unter anderem vom Feedback-Effekt des Eises ab.
Helles Eis reflektiert Sonne gut. Schmilzt das Eis weg, trifft Sonnenlicht stattdessen auf das darunterliegende, dunkle Meer. Das reflektiert kaum, sondern es absorbiert die Sonnenstrahlung als Wärme – und wärmt sich und seine Umgebung somit auf.
Das Resultat: Immer mehr helles Eis in der Umgebung schmilzt, mehr dunkler Ozean kommt zum Vorschein - ein Teufelskreis.
Aber auch in Europa gibt es ein Phänomen, das womöglich zur schnellen Erwärmung beiträgt:
Die Wetterlagen
Ob warmes Wetter oder kaltes Wetter: Beides hängt unter anderem davon ab, wie sich die Luft bewegt. Diese Wetterlage wird durch das Zusammenspiel von Hoch- und Tiefdruckgebieten abgebildet, deshalb spielen diese auch in jedem Wetterbericht eine Rolle.
So haben sich die Länder der Erde seit 1993 erwärmt
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Es gebe erste Hinweise darauf, dass die Wetterlagen in den letzten Jahrzehnten gerade in Europa für wärmere Temperaturen gesorgt haben könnten, sagt Sippel:
Für den mittleren Westen der USA habe man beispielsweise auch den umgekehrten Effekt beobachtet: Dort sei es durch bestimmte Wetterlagen "ein bisschen kühler" geworden, sagt Sippel. Noch nicht klar sei, ob der Klimawandel für die Wetterlagen verantwortlich sei.
Auch Klimaforscher Andreas Fink erklärt, die Ursache werde in der Wissenschaft kontrovers diskutiert: "Manche Forscher sagen zum Beispiel, die starke Erwärmung der Arktis habe zu mehr blockierenden Hochdrucklagen im Sommer geführt. Einen überzeugenden Nachweis dazu gibt es noch nicht - was nicht heißt, dass der Mechanismus nicht wirksam sein könnte."
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Die besonderen Wetterlagen in Europa könnten aber auch Teil natürlicher, zufälliger Schwankungen des Klimas sein:
Die Klima-Variabilität
"In drei oder vier Wochen, Ende September, da kann es immer noch an die 30 Grad haben. Das wäre relativ normal. Aber es könnte auch zehn Grad haben, und das wäre auch noch relativ normal", erklärt Sebastian Sippel.
Ähnliche Schwankungen beobachte man auch bei Trends über längere Zeit, sagt Sippel. Beispielsweise über die letzten Jahrzehnte. Dabei ginge es natürlich um deutlich kleinere Schwankungen als die beschriebenen zehn bis 30 Grad Ende September.
Wären zufällige Schwankungen des Klimas der Grund, könnten wir für Europa in den nächsten Jahrzehnten erwarten, "dass die ganz warmen Wetterlagen ein bisschen weniger werden", sagt Sippel.
Genau das sei jedoch gerade eine große wissenschaftliche Frage: Ist diese Änderung in den Wetterlagen einfach Zufall, oder ein Teil vom Klimawandel, der noch nicht gut verstanden ist? "Man kann Argumente für beides finden", erklärt Klimaforscher Sippel.
Die Folgen für Deutschland und Europa
Aus der Erwärmung folgen laut Fink, Sippel und Zscheischler mehrere Dinge:
Auswirkungen auf den Wintertourismus
Massenverlust und Rückzug der Alpengletscher
Mehr Frostschäden in der Landwirtschaft wegen früherer Austriebe und weiterhin möglichen Frosts
Mehr Hitzetote durch verstärkte Hitzewellen
Trockenere Böden trotz gleichbleibenden Regens, da an wärmerer Luft mehr Wasser verdunsten kann
Jakob Zscheischler betont, der wichtigste Schritt gegen diese Entwicklung sei, die "Emissionen irgendwie auf Null zu bringen". Darüber hinaus müssten die Menschen besser informiert werden, "was sie denn eigentlich machen sollen, wenn es jetzt mehrere Tage extrem heiß ist: wie man lüften soll, wo man sich aufhalten soll oder ob es dann gekühlte Räume gibt in öffentlichen Einrichtungen".
Wo sich die Wissenschaft aber einig ist: Die Erwärmung bedeutet für Europa unter anderem mehr Hitzewellen. Sebastian Sippel stellt klar: Es sei nicht der Klimawandel, der eine Hitzewelle direkt verursache, aber:
Dass Asien sich fast genauso schnell erwärmt hat wie Europa, liegt an Russland. Dort sind die Temperaturen in den vergangenen drei Jahrzehnten deutlich stärker angestiegen als in den meisten anderen asiatischen Ländern. Wenn man wie die WMO nicht nur die letzten drei Jahrzehnte betrachtet, sondern ein paar Jahre mehr, würde Asien sogar ganz knapp vor Europa liegen.
Das Pariser Ziel haben wir noch nicht gerissen: In diesem Artikel geht es um die Entwicklung innerhalb der letzten 30 Jahre. Das Pariser Ziel bezieht sich aber auf den Vergleich zur vorindustriellen Zeit. Das vergleicht also die Temperaturen zu Mitte/Ende des 19. Jahrhunderts mit den aktuellen Durchschnittstemperaturen. Da liegen wir laut Nasa aktuell global bei etwa 1,1 Grad Celsius Erwärmung.
Die Daten des Non-Profit-Forschungsinstituts Berkeley Earth sind aktuell noch vorläufig. Sie sind nicht peer-reviewed, also von unabhängigen Fachexpert*innen intensiv gegengecheckt. Die Forscher von Berkeley Earth sind jedoch renommierte Wissenschaftler*innen, deren frühere Temperatur-Datensätze peer-reviewed wurden und große Verbreitung finden, unter anderem im State of the Climate in Europe Bericht der Weltorganisation für Meteorologie. Wo nicht explizit auch Ozeanflächen in die Berechnung einbezogen werden, berechnet Berkeley Earth die Temperatur der Landoberfläche.
Autor: Moritz Zajonz Redaktion: Robert Meyer, Kevin Schubert
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