Zeitenwende am Niederrhein: Rheinmetall baut neue Fabrik

    Rheinmetall baut Rüstungsfabrik :Zeitenwende am Niederrhein

    von Peter Böhmer
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    Eine Rüstungsfabrik wird gebaut und kaum einer regt sich auf? So geschehen in Weeze in NRW - Rheinmetall will hier Teile für den Tarnkappenbomber F35 bauen.

    Sage und schreibe 14 Schaufeln kamen beim Spatenstich zum Bau der Fabrik zum Einsatz. Vertreter der Rüstungsindustrie, der Bundeswehr und auch der Politik buddelten mit: NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) und die grüne Wirtschaftsministerin Mona Neubaur waren gerne gekommen - eine "mentale Zeitenwende", wie Wüst in seiner Begrüßungsrede anmerkte.

    Ukraine-Krieg: Rheinmetall-Geschäft floriert

    Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat lang gepflegte Verhaltensweisen nachhaltig geändert. Öffentliche Termine bei der Rüstungsindustrie waren zuvor keine, mit denen man medial glänzen konnte. "Wir haben es uns alle lange geleistet, ein Stück weit auch einen Bogen um Rüstung zu machen", sagte Wüst.
    Und die Grüne Mona Neubaur sprach sogar ein "Dankeschön" aus an Rheinmetall, "dass Sie diese Entscheidung für die Rüstungsindustrie in Nordrhein-Westfalen hier in Weeze getätigt haben".
    Demonstrant
    Im sächsischen Großenhain soll eine Munitionsfabrik auf einem ehemaligen Militärflugplatz entstehen. Gegen die geplante Investition von Rüstungsgigant Rheinmetall gibt es starken Protest. 27.06.2023 | 2:46 min
    Vom Bad Guy zum Good Guy - das Geschäft von Rheinmetall floriert seit Beginn des Ukraine-Kriegs. Rekord-Auftragsbestand, Rekord-Umsätze, die Aktie steuert Richtung Verdreifachung, Rheinmetall ist in den Dax aufgestiegen. Das jahrelange Desinteresse der Politik kommentierte Armin Papperger, Rheinmetallchef, so:

    Ärgern kann einen so etwas. Aber ich bin seit 25, 30 Jahren überzeugt davon, dass es richtig ist, was wir machen, für die Demokratie und für den Frieden und letztlich auch für die Freiheit unseres Landes zu kämpfen.

    Armin Papperger, Rheinmetallchef

    Während solche Aussagen in der Vergangenheit für breitere Kritik gesorgt hätten, bleibt es jetzt ruhig. Man muss schon ein wenig suchen, um eine kritische Stimme zu finden. Die NRW-Linke etwa, die nicht mehr im Landtag vertreten ist, schrieb im Mai anlässlich der Jahreshauptversammlung des Konzerns: "Die Rheinmetall AG weitet ihr Geschäft mit dem Tod ungebrochen aus". Doch damit steht sie ziemlich alleine da in diesen unruhigen Zeiten.

    Geld aus Sondervermögen fließt in Rheinmetall-Fabrik

    Weeze liegt nahe der holländischen Grenze. Vom Regionalflughafen starten normalerweise Touristen mit Ryanair oder Easyjet in den Urlaub. Rheinmetall wird hier nun Teile für den Rumpf des US-Tarnkappenbombers F35 produzieren, für mindestens 400 Flugzeuge.
    Der Kampfjet gilt als modernster der Welt und soll auch den Tornado der Bundeswehr mittelfristig ablösen. Die Bundeswehr hat 35 Maschinen bereits bestellt für 8,3 Milliarden Euro, die aus dem 100 Milliarden Sondervermögen kommen, welches die Bundesregierung wegen des Krieges bereitstellte.
    Auch die Fabrik in Weeze soll mit Mitteln aus dem Fonds finanziert werden - wieviel genau an Rheinmetall fließt, ist unklar.
    400 Arbeitsplätze werden direkt in der Fabrik entstehen, weitere 1.500 könnten bei Zulieferern in der Region hinzukommen. Zusammen mit den US-Rüstungspartnern Northrop Grumman und Lockheed, sagte Armin Papperger, würde in Weeze ein "Nukleus für Luft- und Raumfahrttechnologie" entstehen.

    Gute Kontakte zwischen US-Konzernen und Rheinmetall

    Dass es überhaupt zu der Ansiedlung in NRW kommt, ist den guten jahrelang gepflegten Kontakten Pappergers zu den US-Konzernen zu verdanken. Rheinmetall wird auch in der Ukraine selbst investieren: Gemeinsam mit dem ukrainischen Staatskonzern Ukroboronprom ist ein Joint Venture für den Bau einer Panzerfabrik geplant.
    Dass Rheinmetall und andere Rüstungsfirmen nun viel stärker investieren, hält der Militärexperte Nico Lange, früher im Leitungsstab des Bundesverteidigungsministeriums,  für den richtigen Weg:

    Generell ist es so, dass unsere Produktionskapazitäten viel zu niedrig sind.

    Nico Lange, Militärexperte

    "Wenn wir die Bundeswehr ausstatten wollen, dass sie nicht erst 2040, sondern schnell einsatzbereit wird, wenn wir gleichzeitig die Ukraine unterstützen wollen, unsere Verpflichtungen in der Nato erfüllen wollen, dann brauchen wir viel höhere Produktionskapazitäten. Dass zum Beispiel die Munition in zwei Jahren produziert werden kann und nicht in 20 Jahren, dafür braucht man neue Fertigungskapazitäten, da müssen neue Werke gebaut werden", erklärt Lange. "Die Industrie hatte sich darauf eingestellt, dass die Verteidigungsausgaben geringer sind, und da hält man solche Kapazitäten eben nicht vor."
    Nun soll in der Rüstungsindustrie ganz schnell gehen, was jahrelang stiefmütterlich behandelt wurde. Immerhin: In Weeze, sagt Rheinmetall, waren es zwischen ersten Gesprächen bis zum Spatenstich nur sechs Monate, der Ukraine-Krieg sorgt für ungewohntes Tempo bei der Realisierung von Industrieprojekten.

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