Kurzstreckenflüge und Co.: Wie nachhaltig war die Fußball-EM?
Kurzstreckenflüge und Co.:Wie nachhaltig war die Fußball-EM?
von Andreas Stamm
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Die nachhaltigste EM aller Zeiten hatte die UEFA ausgerufen. Ein erstes Fazit von Experten: Die Nachhaltigkeit gehört zu den Gewinnern, aber etwas Schönfärberei ist schon dabei.
Die UEFA hatte versprochen, es solle die nachhaltigste Fußball-EM aller Zeiten werden. Ein erstes Fazit.11.07.2024 | 1:39 min
Große Sportevents kommen einem normalerweise nicht in den Sinn, wenn es um Nachhaltigkeit geht. Höher, schneller, weiter - das sportliche Motto wurde in den vergangenen Jahrzehnten auch das wirtschaftliche Leitmotiv, vor allem bei König Fußball.
"Die Fifa plant bei der WM jetzt Turniere mit 48 Mannschaften, über mehrere Länder oder gar Kontinente verteilt", erklärt Pamela Wicker von der Universität Bielefeld. "Dagegen sieht die Euro 24 natürlich gut aus in Sachen Nachhaltigkeit." Ohne viel tun zu müssen.
Aller Anfang ist schwer
Die Professorin ist mittendrin bei der Auswertung der Evaluationsstudie zur Euro 24. Es geht um die ökologische, aber auch um die soziale und wirtschaftliche Nachhaltigkeit.
Also, wie inklusiv war das Event, wie groß die Akzeptanz in der Bevölkerung für solche Großereignisse, was ändert sich durch vier Wochen Heim-EM? Was bleibt wirtschaftlich hängen, was kostet es, welche Investitionen sind bleibend und wo wurde vielleicht Geld unnötig aus dem Fenster geworfen?
Wie hat sich Deutschland als Gastgeber präsentiert und wie hat die EM uns verändert?12.07.2024 | 2:37 min
Zum ersten Mal werde Nachhaltigkeit umfassend und konsequent mitgedacht bei einer EM, sagt Wicker. Und daraus wolle man Lehren für die Zukunft ziehen, mit dem Ziel, große Sportveranstaltungen Schritt für Schritt zu optimieren.
Nachhaltigkeit bei der EM: "Noch Luft nach oben"
Gesagt wird all das bei tropischer Schwüle im Herzen Berlins, wo sich vorm Finalwochenende Politik, Sport und Umweltexperten zwei Tage lang Gedanken machen, wie etwa eine EM grüner werden kann. Das Wetter macht den Einstieg für die Klima- und Umweltexperten einfach, die Schwüle ist kaum erträglich in den Räumen der Akademie der Künste.
"Die nachhaltigste aller Zeiten war es sicher nicht", so Barbara Metz von der Deutschen Umwelthilfe.11.07.2024 | 5:05 min
Maja Göpel, eine der renommiertesten Nachhaltigkeitsforscher*innen Deutschlands, hat Lob übrig für vieles, was die Planer und Planerinnen der EM umgesetzt haben:
Dass keine Stadien neu gebaut wurden.
Dass sie mit Ökostrom betrieben werden.
Die guten Mehrwegkonzepte über die Stadien hinaus, etwa auf den Fanmeilen.
Es gebe viele ÖPNV- und Bahn-Angebote, auch wenn da nicht immer alles glatt lief.
Und einen Klimafonds, bei dem sich Sportvereine für Förderung bewerben können, ausgestattet mit sieben Millionen Euro - etwa für eine Solaranlage oder wassersparende Duschköpfe.
"Alles richtig", erläutert Maja Göpel, aber sie hat auch deutliche Kritik:
Maja Göpel ist Politökonomin, Transformationsforscherin, Honorarprofessorin an der Leuphana-Universität Lüneburg und Mitbegründerin der "Scientists for Future"-Bewegung. 08.05.2024 | 8:45 min
Ministerschelte bei EM-Klimabilanz
Schon vor der EM wurde der CO2-Ausstoß auf rund 490.000 Tonnen geschätzt, womit durch das Turnier ungefähr so viele Emissionen freigesetzt werden wie von einer mittelgroßen deutschen Stadt pro Jahr. Ein Großteil entsteht durch die Anreisen der Millionen Fans, viele von ihnen per Flugzeug.
Da fallen die Teamflüge zwar kaum ins Gewicht, aber als Vorbild taugen einige Nationalteams nicht, tadelte Entwicklungsministerin Svenja Schulze als Vertreterin des Konferenzgastgebers, der Bundesregierung:
"Die Tatsache, dass viele der Fußballmannschaften zahllose Kurzstreckenflüge quer durch Deutschland durchführen, und die Deutsche Bahn als Alternative nicht funktioniert, war sicher nicht zuträglich. Da kann der Kaffee in den Stadien noch so nachhaltig sein."
Immerhin, so die Ministerin, zahle die UEFA für jede Tonne CO2, die durch die EM-Spiele verursacht wird, zusätzliches Geld in einen Klimafonds ein.
Wenigstens zeigte etwa die Schweizer Elf, dass es auch anders geht, mit der Bahn, bei allen Problemen, die es gab. Das Flugreisen-Problem mache aber auch deutlich, so die Leiterin der EM-Evaluationsstudie Wicker, dass der Fußball auch nicht weiter sein könne als die Gesellschaft selbst.
EM-Finale: Ist Spanien der große Favorit?12.07.2024 | 2:03 min
Spanien und England im Finale, wie sollten die Fans denn sonst anreisen? Da braucht es noch mehr Wille, durchaus vorhandenes Geld und Ideen sowie technische Innovationen. Dann können künftige Europameisterschaften, aber auch andere Turniere, noch viel nachhaltiger werden als die selbsterklärt "nachhaltigste EM aller Zeiten."
Nach dem Turnier ist vor den Turnieren: Die Heim-EM neigt sich dem Ende zu, die WM 2026 und EM 2028 stehen in den Startlöchern - mit einigen Problemen inklusive.