Ifo-Präsident Fuest: Energiegesetz ist "Wachstumskiller"

    Ifo-Präsident zu:Fuest: Energiegesetz ist "Wachstumskiller"

    SGS mit Stephanie Barrett am 02.08.2022
    von Stephanie Barrett
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    Der Endenergieverbrauch soll sinken, egal ob mit klimaneutralem oder fossilem Strom. Ifo-Präsident Fuest hält das Energieeffizienzgesetz sowieso für einen "Wachstumskiller".

    Wirtschaftsminister Habeck im Bundestag
    Der Bundestag debattiert den Gesetzentwurf zur Steigerung der Energieeffizienz. Damit sollen Behörden, Unternehmen und Rechenzentren verpflichtet werden mehr Energie einzusparen.25.05.2023 | 1:32 min
    Das umstrittene Gebäudeenergiegesetz ist noch nicht in trockenen Tüchern, da zeichnet sich bereits weiterer Streit um das neue Energieeffizienzgesetz, kurz EnEfG, ab. Es geht auf eine EU-Richtlinie zurück, die nun in deutsches Recht gegossen werden soll. Im April im Kabinett verabschiedet, ging es diese Woche bereits zur ersten Lesung in den Bundestag.
    Was im ersten Moment nach mehr Effizienz beim Energieverbrauch klingt, ist in Wirklichkeit eine staatlich verordnete Deckelung des gesamten Energieverbrauchs in Deutschland: Bis 2030 soll der Endenergieverbrauch um 22 Prozent, also um fast ein Viertel, sinken. Und zwar egal, woher der Strom stammt, ob aus klimaneutralen Quellen, wie Wind oder Sonne, oder aus fossilen Brennstoffen.
    Wirtschaftsverbände sind alarmiert. Die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw) fordert mehr Förderung energieeffizienter Technologien statt starrer Zielvorgaben.

    Die jetzt vorgegebenen Zielwerte führen Firmen über die Grenze des Möglichen hinaus.

    Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vBw)

    Auch Clemens Fuest, Präsident des Münchner Ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung nennt das Gesetz bereits einen möglichen "Wachstumskiller" und erläutert seine Einschätzung gegenüber ZDFheute.
    ZDFheute: Warum ist das Energieeffizienzgesetz schädlich für die deutsche Industrie?
    Clemens Fuest: Es ist nicht nur für die Industrie, sondern für die gesamte Volkswirtschaft schädlich. Das Gesetz reguliert nicht die Energieeffizienz, also den Energieverbrauch pro Einheit Wirtschaftsleistung, es begrenzt den gesamten Energieverbrauch.
    Das ist völlig unsinnig. Wir werden künftig zum Beispiel Zeiten haben, in denen sehr viel Energie aus Sonne und Wind zur Verfügung steht. Warum sollen wir die nicht einsetzen dürfen?

    Die Deckelung des Energieverbrauches, die im Gesetz steht, ist ökonomisch schädlich und ökologisch sinnlos, weil nicht zwischen erneuerbaren und anderen Energien unterschieden wird.

    Clemens Fuest, Präsident des Ifo-Instituts

    ZDFheute: Aber ist es denn so schwer, die Energieeffizienz schneller zu erhöhen als bisher? Damit verbundene Energieeinsparungen können doch auch zu positiven Wirtschaftseffekten führen.
    Fuest: Wenn Energie knapp und teuer ist, investieren Unternehmen in energiesparende Techniken, auch ohne Regulierungen wie das Energieeffizienzgesetz. In den letzten 15 Jahren ist die Energieeffizienz der deutschen Volkswirtschaft um etwa 1,4 Prozent pro Jahr gestiegen. Dadurch konnte die Wirtschaftsleistung steigen während der Energieverbrauch leicht gesunken ist.
    Wenn die Wirtschaft allerdings wie bisher erwartet wachsen soll, muss die Energieeffizienz künftig dramatisch steigen, und zwar dreimal so schnell wie in den letzten Jahren. Ob das möglich ist, weiß heute niemand.

    Clemens Fuest
    Quelle: Ifo

    ... ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Seit 2016 ist er Präsident des Instituts für Wirtschaftsforschung (ifo). Fuest äußert sich zu vielen wirtschaftlichen und wirtschaftspolitischen Fragestellungen. Er gilt als einer der einflussreichsten Ökonomen Deutschlands.

    ZDFheute: Wie erklären Sie die negativen Folgen für die Wirtschaft durch die Festlegung maximaler Endenergieverbräuche? Warum ist genau das ein Problem?
    Fuest: Wenn der Endenergieverbrauch gesenkt werden muss, kann man das auf zwei Wegen umsetzen. Entweder die Wirtschaft schrumpft oder die Energieeffizienz wird erhöht. Das Energieeffizienzgesetz verlangt bis 2030 eine Senkung des Energieverbrauches um rund 22 Prozent.

    Damit es trotzdem normales Wirtschaftswachstum geben kann, müsste sich das jährliche Wachstum der Energieeffizienz auf rund vier Prozent pro Jahr ungefähr verdreifachen. Das ist unrealistisch.

    Clemens Fuest, Präsident des Ifo-Instituts

    Wenn die Energieeffizienz nur so schnell wie in den letzten Jahren wächst, muss das Bruttoinlandsprodukt bis 2030 um 14 Prozent schrumpfen, um das gesetzte Ziel für den Energieverbrauch zu erreichen. Das kann niemand ernsthaft wollen.
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    Auch in diesem Jahr hat der Gebäudesektor wieder die Klimaziele gerissen, die das Klimaschutzgesetz vorschreibt. Müssen deswegen jetzt alte Öl- und Gasheizungen raus?28.03.2023 | 4:53 min
    ZDFheute: Inwiefern kann auch der diskutierte Industriestrompreis zur Belastung werden?
    Fuest: Der Industriestrompreis soll der energieintensiven Industrie staatlich subventionierten Strom zur Verfügung stellen, um zu verhindern, dass diese Industrie aus Deutschland abwandert. Hier besteht die Gefahr, dass eine sehr teure Dauersubvention entsteht. Energieintensive Industrien in Deutschland zu halten ist nur sinnvoll, wenn es gelingt, ohne Subventionen dafür zu sorgen, dass hinreichend Energie zu wettbewerbsfähigen Preisen verfügbar ist.
    Im Übrigen ist klar, dass der Industriestrompreis den Energieverbrauch erhöht, was mit den Vorgaben des Energieeffizienzgesetzes in Konflikt steht. Aber wie gesagt, ist das Ziel des Energieeffizienzgesetzes ohnehin unsinnig.
    Das Interview führte Stephanie Barrett, Redakteurin in der ZDF-Börsenredaktion.