Bauerntag: Warum Bauern bei fairen Preisen Druck machen
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Vor Deutschem Bauerntag:Faire Preise: Warum Bauern jetzt Druck machen
von Katja Belousova
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2021 trat ein Gesetz in Kraft, das Bauern vor unfairen Handelspraktiken schützen sollte. Zwei Jahre später gibt es immer noch eklatante Mängel. Was Landwirte jetzt fordern.
Faire Preise für ihre Milch: Das ist der Wunsch der Bauern.
Quelle: dpa
Milchbauer Elmar Hannen aus Kleve ist unzufrieden. "Wenn ich meine Milch abliefere, weiß ich nicht einmal, was ich im nächsten Monat dafür ausgezahlt bekomme", kritisiert das Vorstandsmitglied des European Milk Board.
Gemeinsam mit anderen Landwirten schlägt er pünktlich zum Deutschen Bauerntag Alarm - und ruft nach fairer Bezahlung durch Supermärkte, Molkereien und Schlachthöfe.
Gesetz von 2021 sollte unfairen Handelspraktiken entgegenwirken
"Auch wenn derzeit Lebensmittelpreise für die Endverbraucher*innen steigen, erhalten viele Erzeuger*innen unserer Lebensmittel in Deutschland und andernorts einen Preis, der zum Leben nicht reicht und einen umweltschonenden Anbau unmöglich macht", klagen mehrere Bauern- und Umweltverbände in einem neuen Forderungspapier, das ZDF frontal vorliegt.
Ihre Kritik entzündet sich vor allem an einem Gesetz, das unfairen Handel in der Landwirtschaft unterbinden soll, vielen Landwirten aber bislang nicht weit genug geht. Das 2021 eingeführte Agrarorganisationen- und Lieferkettengesetz hatte das Ziel, Landwirte und Erzeuger besser vor unlauteren Handelspraktiken und Dumpingpreisen durch Abnehmer und Industrie zu schützen.
Das Gesetz zur Stärkung der Organisationen und Lieferketten im Agrarbereich (Agrar-Organisationen-und-Lieferketten-Gesetz - kurz: AgrarOLkG) soll unlautere Handelspraktiken verbieten und für mehr Fairness bei den Geschäftsbeziehungen in der Lebensmittellieferkette sorgen. Es trat am 9. Juni 2021 in Kraft.
Es verbietet
Kaufpreiszahlungen für verderbliche Agrar- und Lebensmittelerzeugnisse später als 30 Tage nach der Lieferung oder - wenn die Erzeugnisse regelmäßig geliefert werden - nach Ablauf des vereinbarten Lieferzeitraums oder später als 30 Tage nach dem Tag der Festlegung des zu zahlenden Betrags und bei anderen als verderblichen Agrar- und Lebensmittelerzeugnissen später als 60 Tage nach der Lieferung oder - wenn die Erzeugnisse regelmäßig geliefert werden - nach Ablauf des vereinbarten Lieferzeitraums oder später als 60 Tage nach dem Tag der Festlegung des zu zahlenden Betrags
Zurückschicken unverkaufter Erzeugnisse vom Käufer an den Lieferanten ohne Zahlung des Kaufpreises und, soweit die Erzeugnisse nicht mehr verwendbar sind, der Beseitigungskosten
kurzfristige Stornierung von Bestellungen verderblicher Agrar- und Lebensmittelerzeugnisse durch den Käufer;
Abwälzung der Lagerkosten des Käufers auf den Lieferanten
einseitige Änderung der Bedingungen einer Lieferung in Bezug auf Häufigkeit, Art und Weise, Ort, Zeitpunkt oder Umfang der Lieferung, der Qualitätsstandards, der Zahlungsbedingungen oder der Preise oder bestimmter Dienstleistungen durch den Käufer
Zahlungsverlangen des Käufers für Qualitätsminderung oder vollständige Qualitätseinbuße von Erzeugnissen nach Übergabe der Lieferung an den Käufer; oder für die Bearbeitung von Kundenbeschwerden im Zusammenhang mit den Erzeugnissen des Lieferanten; ohne dass ein Verschulden des Lieferanten vorliegt
Forderung von Zahlungen, die nicht im Zusammenhang mit dem Verkauf von Erzeugnissen des Lieferanten stehen
Zahlungsverlangen des Käufers für die Listung markteingeführter Produkte
Drohung des Käufers mit Vergeltungsmaßnahmen geschäftlicher Art oder deren Anwendung, wenn der Lieferant von seinem vertraglichen oder gesetzlichen Rechten Gebrauch macht oder seine gesetzlichen Pflichten erfüllt
Weigerung des Käufers, eine geschlossene Liefervereinbarung oder bestimmte Zahlungen- und Kostenschätzungen auf Verlangen des Lieferanten in Textform zu bestätigen;
Rechtswidrige Erlangung, Nutzung oder Offenlegung von Geschäftsgeheimnissen des Lieferanten durch den Käufer
Bauern fordern Verbot des Kaufs unter Produktionskosten
In einer bislang unveröffentlichten Befragung des Bundesamtes für Landwirtschaft und Ernährung, die ZDF frontal vorliegt, zeigt sich zwar, dass die Anwendung verbotener Vertragsbedingungen und Handelspraktiken seit Einführung des Gesetzes zurückgegangen ist.
Andererseits erklären 46 Prozent der befragten Lieferanten in der Lebensmittelkette, dass unfaire Preise weiterhin üblich sein. Denn: Ein gesetzliches Verbot des Kaufs unter Produktionskosten gibt es in Deutschland - anders als etwa in Frankreich oder Spanien - nicht. Genau das fordern Landwirte nun.
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Milchbauer Hannen unterstützt das Vorhaben. Denn an den unfairen Preisen für ihn und seine Branche habe auch das Gesetz von 2021 nichts geändert. "Für Landwirte aus dem Gemüsebereich hat sich seither sicherlich einiges geändert - denn die wickeln ihre Geschäfte meist mit dem Handel selbst oder über kleine Zwischenhändler ab", erklärt er.
Bauernverband bislang gegen Verbot
Auch Schweinehalterin Stephanie Barlage aus Dinklage kennt das Problem. Preise unter den Produktionskosten der Landwirte seien noch immer Realität. "Die letzten zwei Jahre waren schon eine Durststrecke für Sauenhalter und Ferkelerzeuger", sagt sie im Gespräch mit ZDF frontal.
Elmar Hannen sieht nun den Bauernverband in der Pflicht. "Der Bauernverband wehrt sich bislang gegen das von uns geforderte Verbot des Kaufs unter Produktionskosten - weil er da eher auf der Seite der genossenschaftlichen Molkereien steht als auf der Seite von uns erzeugenden Bauern", sagt er. Auch Stephanie Barlage fordert mehr Druck vonseiten des Bauernverbands für die Belange der Landwirtinnen und Landwirte.
Die Deutsche Umwelthilfe stellt sich hinter das Forderungspapier der Landwirte und ist Mitunterzeichnerin. "Auch für Verbraucher*innen ist es von hoher Relevanz, die Marktmacht von Supermärkten einzuhegen", erklärt Sprecherin Reinhild Benning.
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Warum Bauern jetzt Druck machen
Aktuell wird das Agrarorganisationen- und Lieferkettengesetz neu geprüft - auch mit Blick auf die Frage, ob die bestehenden Regelungen reichen. Internen Angaben zufolge bewertet das Bundeslandwirtschaftsministerium zurzeit ein mögliches Verbot des Einkaufs unter Produktionskosten.
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