Lamine Yamal, 16: Ein Schüler soll es richten für Spanien

"Esfuerzo" lautet dieser Tage das häufigste Wort an den Wänden des Hotel Öschberghof von Donaueschingen. Übersetzt: Einsatz, Aufwand.

In dem luxuriösen Etablissement mit Spa, Golfplatz und Zweisterne-Restaurant logiert die spanische Nationalelf während der EM 2024. Aus der Heimat hat sie zahllose Motivationsslogans mitgebracht: "Nicht die Ziele herunterschrauben. Den Aufwand erhöhen!" Und so weiter.

Am Ende des Trips sollen schließlich nicht nur Erinnerungsfotos aus dem Schwarzwald stehen oder Lob für technisch einwandfreies Tiki-Taka - sondern auch ein vierter EM-Titel für die "Roja".

Los geht es am Samstag in Berlin (18 Uhr/ARD) mit einer Neuauflage des letztjährigen Finals der Nations League gegen Kroatien. Damals triumphierte Spanien nach Elfmeterschießen und verschaffte Nationaltrainer Luis de la Fuente so den nötigen Kredit, um die EM ohne Debatte um seine Person angehen zu können.

Der 62-Jährige ist ein Verbandsgeschöpf und folgte nach dem Achtelfinal-Aus bei der WM 2022 gegen Marokko - ebenfalls nach Elfmeterschießen - auf den schillernden Luis Enrique.

Anfangs wirkte seine Auswahl eher beliebig. Doch inzwischen wird ihm ein gewisses Händchen beim sukzessiven Umbau der Elf zugebilligt.

Gegenüber dem Achtelfinale 2022 sind heute neben Pedri nur Torwart Unai Simón und Rodri Hernández in der Startelf zu erwarten. Rodri von Manchester City, 2023 Europas Fußballer des Jahres, ist zum Leader avanciert und wird, anders als in Katar, auf seiner angestammten Position im zentralen, hinteren Mittelfeld agieren.

Gesprochen wurde in den Tagen von Donaueschingen allerdings vor allem über einen 16-Jährigen. Lamine Yamal vom FC Barcelona wird heute als jüngster Spieler der Geschichte bei einem großen Turnier debütieren. Am Tag vor dem EM-Endspiel feiert er seinen 17. Geburtstag

Der Rechtsaußen trägt noch Zahnspange und muss während der Trainingspausen online seine Schulaufgaben machen - gilt aber schon als Spaniens Star der nächsten Dekade.

Zusammen mit dem 21 Jahre alten Nico Williams von Athletic Bilbao soll Yamal eine Flügelzange bilden, die Spaniens größte Schwäche bei den letzten Turnieren behebt - die Ausrechenbarkeit im Angriff.

Bei den vorangegangenen Turnieren quälte man sich immer wieder vergebens gegen tiefstehende Gegner. 2022 gegen Marokko etwa scheiterte man trotz über 1.000 gespielter Pässe und knapp 77 Prozent Ballbesitz.

De la Fuentes Spanien ist demgegenüber bereit, auch dem Gegner mal die Initiative zu überlassen, um Yamal und Williams in aussichtsreiche Kontersituationen zu bringen.

Mit ihrem Tempo, ihrer Kreativität und ihren Dribbelkünsten sollen sie die Gegner hinreichend beschäftigen, um Räume für Sturmspitze Álvaro Morata, das aufrückende Mittelfeld und den jeweils anderen Flügel zu schaffen - so der Plan.

Daneben galt als beste Nachricht der Testspiele gegen Andorra (5:0) und Nordirland (5:1) die starke Form von Pedri. Der 21-Jährige scheint nach einer verletzungsgeplagten Saison rechtzeitig in Schwung gekommen zu sein.

Zweifel herrschen hingegen in der Innenverteidigung. Der Abwehrchef der letzten Turniere, Aymeric Laporte, spielt seit vorigen Sommer in Saudi-Arabien. Seine Berufung anstelle von Altmeister Sergio Ramos oder Barças Saisonaufsteiger Pau Cubarsí, 17, konnte nicht jeder verstehen.

Und zu allem Überfluss ist da auch noch die Auslosung in eine so genannte "Todesgruppe". Nach Kroatien wartet im nächsten Spiel gleich der Dritte und EM-Titelverteidiger Italien.

Ohne maximalen Aufwand wird da nichts gehen. Aber darüber wurden Spaniens Auserwählte in Donaueschingen ja schon hinreichend aufgeklärt.