Hannover gegen Martin Kind:BGH urteilt über Geschäftsführer-Abberufung
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Hannover 96 streitet seit Jahren mit Geschäftsführer Martin Kind, den der Verein absetzen will. Zwei Gerichtsinstanzen untersagten das. Doch vor dem BGH könnte sich das nun ändern.
Der BGH entscheidet heute, ob es rechtens war, dass der Verein Hannover 96 Martin Kind als Geschäftsführer der Profigesellschaft abberufen hat.
Quelle: dpa
Sie stehen sich in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesgerichtshof (BGH) Anfang Juni absolut unversöhnlich gegenüber: Der Mutterverein Hannover 96 auf der einen Seite und sein langjähriger Geschäftsführer und Sponsor, Martin Kind, auf der anderen Seite. Der 80 Jahre alte Martin Kind ist Geschäftsführer und Mehrheitsgesellschafter des Profifußball-Bereichs.
Entscheidend bei den meisten Bundesligisten: Regelmäßig soll bei Kapitalgesellschaften der Mutterverein, also im Fall von Hannover 96 der eingetragene Verein (e.V.), und nicht die Kapitalseite die Stimmenmehrheit in der Profifußball-Gesellschaft besitzen - das sogenannte 50+1 Prinzip. Um dieses Prinzip durchzusetzen, ist der Geschäftsführer bei Hannover 96 in der Management GmbH angesiedelt. Und die GmbH gehört nicht der Kapitalseite, sondern zu 100 Prozent dem Mutterverein, also dem e.V..
Eingeführt wurde die 50+1-Regel, um die Identität der Fußballvereine zu bewahren und zu verhindern, dass Externe die Kontrolle übernehmen und nur wirtschaftliche Interessen verfolgen. Heißt also: Der eingetragene Verein (e.V.), der den Profifußball betreibt, muss die Mehrheit der Stimmrechte an der Kapitalgesellschaft - z.B. einer GmbH -, die den Spielbetrieb organisiert, halten. Damit haben die Vereine und folglich auch ihre Fans und das letzte Wort darüber, wie sie geführt werden und nicht beispielsweise ein externer Investor.
Der Konflikt zwischen Kind und Hannover 96
Aus Sicht des Muttervereins hatte Kind in der Vergangenheit mehrfach Vorgaben nicht beachtet. Deswegen setzte die e.V.-Führung ihn im Juli 2022 als Geschäftsführer der GmbH ab. Kind wehrte sich dagegen erfolgreich in zwei Gerichtsinstanzen.
Die gaben Kind Recht, weil Vereins- und Kapitalseite 2019 den sogenannten Hannover-96-Vertrag abschlossen, der ihr Verhältnis regelt. Darin steht: Die Satzung der Management GmbH kann nur verändert und ein Geschäftsführer nur dann abgesetzt werden, wenn der Aufsichtsrat der Management GmbH dem zustimmt.
Im Aufsichtsrat sitzen je zwei stimmberechtigte Mitglieder der Vereins- und der Kapitalseite. Da der Mutterverein Hannover 96 ohne die Zustimmung des Aufsichtsrats der GmbH entschied - der hätte wegen der paritätischen Besetzung weder dafür noch dagegen gestimmt - sahen sowohl Landgericht (LG) als auch Oberlandesgericht (OLG) einen Satzungsverstoß gegen den Hannover-96-Vertrag, folgten so der Argumentation von Kind.
Das OLG ließ eine Revision beim BGH auch nicht zu. Die Vereinsseite hatte dagegen argumentiert, dass sie ihr Weisungsrecht im Sinne der 50+1 Regel sonst nicht hätte durchsetzen können, denn dann würde ja die GmbH-Seite die Oberhand behalten und nicht der Mutterverein.
Selbst erfahrene Juristen haben Mühe, das bei Hannover 96 entstandene Firmengeflecht zu bewerten. Dass Martin Kind seit seinem Einstieg 1997 bei den Niedersachsen an allen wesentlichen Entscheidungen beteiligt war, sorgte für Erfolge und jede Menge Ärger.
Die DFL hat Kind - offenbar aus Angst vor einer Klage gegen die 50+1-Regel - das sogenannte Hannover-Modell genehmigt. Es sorgt bei grundlegenden Entscheidungen für eine Pattsituation zwischen Kapital- und Vereinsseite. Genau das ist eigentlich unzulässig.
Was bei Hannover 96 seit Jahren schwelt, lässt sich kaum noch auflösen. Kind bleibt seinem Kurs treu und lässt wenig Fettnäpfchen aus. Seine Kritiker verstehen sich als Bewahrer und vergreifen sich oft im Ton. Im 96-Stadion ist die Atmosphäre seit Jahren belastet bis vergiftet.
Angesichts der Anfeindungen und Provokationen im Stadion will Kind bei Hannover 96 härter durchgreifen lassen. Er stellt für die neue Saison ein verändertes Sicherheitskonzept in Aussicht - mit dem klaren Ziel, gegen Störenfriede resoluter vorgehen zu können.
Bundesgerichtshof widerspricht Vorinstanzen
Doch der vom Verein eingelegten Nichtzulassungsbeschwerde gab der BGH im Februar statt. In der mündlichen Verhandlung ließ der BGH erkennen, dass er die Einschätzung der Vorinstanzen nicht teilt und zu einer anderen Wertung kommen könnte. Dass die Abberufung von Kind nichtig sei, sei zweifelhaft, so der Vorsitzende des II. Zivilsenats, Manfred Born. Dabei erwähnte das Gericht die 50+1 Regel nicht.
Der Beschluss des Vereins, Kind als Geschäftsführer abzusetzen, sei in Ausnahmefällen mit den Prinzipien einer GmbH vereinbar und nicht sittenwidrig, so der BGH in einer ersten vorläufigen juristischen Einschätzung. Es läge hier eine punktuelle Satzungsdurchbrechung vor, die möglich sei, um auf Einzelfragen zu reagieren, ohne zugleich eine komplette Satzung ändern zu müssen, so der II. Zivilsenat.
Kind kritisiert Fokus auf juristische Fragen
Der Aufsichtsratsvorsitzende von Hannover 96, Ralf Nestler, sagte nach der Verhandlung dem ZDF: "Wir fühlen uns durchaus bestätigt, dass der Vorstand 2022 im Juli rechtmäßig gehandelt hat. Unser Ziel war es immer, den Hannover 96 Vertrag zu leben und dass er eingehalten wird. Das ist auch unser Primärziel für die Zukunft." Kritischer äußerte sich Kind nach der Verhandlung:
Was mich persönlich ein bisschen nachdenklich macht, ist, dass die gesamte operative Ebene der Entwicklung und der Zukunft ausgeblendet wird.
Martin Kind, Geschäftsführer der Hannover 96 Management GmbH
"Es reduziert sich rein auf juristische Fragen. Ich glaube, dass Märkte sich anders entwickeln. Und da sehe ich natürlich auch Risiken für die Weiterentwicklung von 96. Das muss man so deutlich sagen", so Kind weiter.
Abberufung von Martin Kind: BGH-Entscheidung erwartet
Auch deutlich wurde der Vorsitzende Richter Born am Schluss der mündlichen Verhandlung und blieb dabei in der Fußballterminologie:
Ein Unentschieden wird’s nicht geben.
Manfred Born, Vorsitzender Richter am BGH
Um 11 Uhr soll die Entscheidung verkündet werden.
Christoph Schneider ist Redakteur in der Fachredaktion Recht & Justiz des ZDF
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