Leichtathletik: Etliche Stars fehlen dem DLV bei der WM
Leichtathletik-WM:Deutsches Team vor schwieriger Aufgabe
von Susanne Rohlfing
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Bei der Leichtathletik-WM geht das deutsche Team geschwächt an den Start. Doch trotz des Ausfalls prominenter Namen gibt es Hoffnungsträger wie Zehnkämpfer Leo Neugebauer.
Ein deutscher Hoffnungsträger für die Leichtathletik-WM: Zehnkämpfer Leo Neugebauer.
Quelle: AP
Könnte er am Ende der Leichtathletik-WM in Budapest ein solches Resümee ziehen, wäre Jörg Bügner wohl hochzufrieden: "Wir haben nicht nur viele Medaillen gewonnen, sondern auch zahlreiche Bestleistungen und persönliche Erfolge gefeiert."
Tatsächlich gesagt hat den Satz dieser Tage Elke Bartschat, im Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV) Chef-Bundestrainerin für den Nachwuchs. Ihre jungen Talente waren bei der U-20-EM in Jerusalem ungewöhnlich erfolgreich, sie eroberten 23 Medaillen, darunter acht goldene.
Ausfälle schwächen deutsches Leichtathletik-Team
Bügner ist als Sportdirektor für die erwachsenen deutschen Leichtathleten zuständig, und die 71-köpfige Nationalmannschaft stellt sich vom 19. bis 27. August bei der WM in Budapest der internationalen Konkurrenz.
Bügner sagte im Vorfeld:
Im vergangenen Jahr gab es für die deutschen Leichtathleten bei den European Championships in München zwar ein Übermaß an Glücksgefühlen. Es wurden sieben Siege gefeiert und die Unterstützung eines begeisterten Publikums war riesig.
Doch kurz zuvor hatte es auf der WM-Bühne von Eugene große Tristesse gegeben. Einmal Gold durch Weitspringerin Malaika Mihambo und einmal Bronze durch die Frauen-Sprintstaffel um Gina Lückenkemper bedeutete ein historisch schlechtes Ergebnis.
Dieses Trauma gehört aufgearbeitet und ein Jahr vor den Olympischen Spielen in Paris möglichst mit Erfolgen vergessen gemacht.
Hoffnungen ruhen auf Neugebauer
Doch wird die aktuelle deutsche Leichtathletik-Nationalmannschaft dazu in der Lage sein? Ohne Medaillengarantin Mihambo, ohne 5.000-Meter-Europameisterin Konstanze Klosterhalfen, ohne Bo Kanda Lita Baehre, den EM-Zweiten im Stabhochsprung, ohne die 90-Meter-Speerwerfer Johannes Vetter und Thomas Röhler, ohne Hindernis-Newcomerin Lea Meyer oder die Sprintstaffel-Spezialistinnen Alexander Burghardt und Lisa Mayer?
Die deutschen Hoffnungen ruhen nun zu großen Teilen auf einem Newcomer: Leo Neugebauer führt die Weltjahresbestenliste im Zehnkampf an. Der 23-Jährige, der in den USA studiert und trainiert, hat erst kürzlich mit 8.836 Punkten den 39 Jahre alten Deutschen Rekord von Jürgen Hingsen kassiert und Lust gemacht auf das teaminterne Duell mit dem amtierenden Europameister und ehemaligen Weltmeister Niklas Kaul.
Aber Olympiasieger Damian Warner (Kanada) und Weltrekordhalter Kevin Mayer (Frankreich, 9.126 Punkte) werden die beiden Deutschen kaum ohne Gegenwehr ziehen lassen.
Medaillenchancen für Weber und Prudenz
Medaillenchancen haben aus deutscher Sicht zudem Speerwurf-Europameister Julian Weber, Kristin Prudenz, die EM-Zweite im Diskuswurf, Tobias Potye, EM-Zweiter im Hochsprung, vielleicht die Siebenkämpferinnen Sophie Weißenberg und Carolin Schäfer.
In Budapest findet vom 19. bis 27. August die Leichtathletik-WM 2023 statt, ARD und ZDF übertragen im TV und Livestream. Antworten zu den wichtigsten Fragen rund um die WM.
von Klemens Hempel
FAQ
Im Sprint begeistern aktuell die gut aufgelegte Gina Lückenkemper - sie führt gemeinsam mit Geher Christopher Linke das Team als Kapitänin an - und 200-Meter-Sprinter Joshua Hartmann. Lückenkemper hat Zeiten unter elf Sekunden im Visier, Hartmann steuert auf eine 19er-Zeit zu.
Außergewöhnlich aus deutscher Sicht - im Weltmaßstab aber erstmal lediglich ein Grund, auf eine Finalteilnahme zu hoffen. Kann das deutsche Team also den Erwartungen seines Sportdirektors gerecht werden?
Übergang zu einer neuen Generation
Siebenkämpferin Sophie Weißenberg bezeichnet das als "schwierige Aufgabe" angesichts der vielen schmerzhaften Absagen und meint: "Um wieder da hinzukommen, wo wir mal waren, müssen wir in Deutschland am Leistungssport arbeiten."
Speerwerfer Julian Weber findet: "Wir sind aktuell durch Verletzungen geschwächt, stecken aber auch insgesamt in einer Übergangsphase."
Ein Übergang ins Olympiajahr. Und ein Übergang hin zu einer neuen Generation Athleten. "Es kommen viele gute junge Athleten nach. In den nächsten Jahren wird sich das wieder zum Positiven entwickeln", prophezeite Weber.
Die U-20-Nationalmannschaft hat in Jerusalem vorgemacht, wie Erfolg geht. Jetzt müssen die Großen nachziehen.
Die Stars der Leichtathletik-WM
Shelly-Ann Fraser-Pryce, die Sprint-Königin aus Jamaika, ist inzwischen Mutter und 36 Jahre alt. Sie kann in Ungarn ihren sechsten WM-Titel über 100 Meter gewinnen – damit würde sie bei WM-Einzel-Goldmedaillen in einer Disziplin mit dem legendären Stabhochspringer Sergej Bubka aus der Ukraine gleichziehen.
Noah Lyles, Trainingskollege der deutschen Sprinterin Gina Lückenkemper beim amerikanische Trainer Lance Brauman, ist zweimaliger Weltmeister über 200 Meter und Titelverteidiger. Der 26-Jährige hat aber größeres vor als den Gewinn einer weiteren Goldmedaille: Einen Rekord hat er Usain Bolt bereits abgenommen – den der meisten Läufe unter 20 Sekunden (34). Nun will der Amerikaner dem Jamaikaner noch den 2009 aufgestellten Weltrekord (19,19 Sekunden) klauen.
Karsten Warholm, 27 Jahre alter Norweger, Olympiasieger und Weltrekordhalter über 400 Meter Hürden, führt die Weltjahresbestenliste mit 46,51 Sekunden an und kann seinen dritten WM-Titel nach 2017 und 2019 gewinnen.
Jakob Ingebrigtsen, 22 Jahre altes Megatalent aus Norwegen, ist bereits Olympiasieger über 1500 Meter. Doch der WM-Titel auf seiner Paradestrecke fehlt dem fünften von sieben Geschwistern und jüngsten von drei laufenden Brüdern noch. Seine Ambitionen sind klar: Im Vorfeld der WM hat er seinen Europarekord auf 3:27,14 Minuten gedrückt.
Armand „Mondo“ Duplantis, unangefochtener Überflieger im Stabhochsprung, schraubte den Weltrekord in den vergangenen Jahren auf 6,22 Meter. Was ist noch drin für den in Amerika lebenden Schweden? WM-Titel Nummer zwei wohl mindestens.