Fußball - 2. Liga: Kiel in die Bundesliga? Das spricht dafür
Fußball - 2. Liga:Kiel in die Bundesliga? Das spricht dafür
von Ralf Lorenzen
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Noch nie hat ein Verein aus Schleswig-Holstein in der Fußball-Bundesliga gespielt. Das dürfte sich bald ändern: Holstein Kiel steht kurz vor dem Aufstieg.
Kickte einst bei Schalke, Mainz und Tottenham: Lewis Holtby (li.) seit 2021 in Diensten von Holstein Kiel.
Quelle: imago
Für viele Süddeutsche gilt Hamburg als der Inbegriff des Nordens. Wie ein Bollwerk steht das selbsternannte Tor zur Welt vor dem eher ländlich geprägten Schleswig-Holstein. Dass das Land der Handballer und Segler eher selten in den Blickpunkt gerät, könnte auch damit zusammenhängen, dass es noch nie einen Bundesligisten im Fußball hervorgebracht hat.
Holstein schon dreimal knapp gescheitert
Die Zeichen stehen gut, dass die Kicker von Holstein Kiel das nördlichste Bundesland demnächst auch auf die Landkarte der Fußball-Bundesliga setzen. Dreimal stand das Team schon kurz davor, 1965 scheiterten sie in der Aufstiegsrunde an Borussia Mönchengladbach, 2018 und 2021 in der Relegation.
Den vorentscheidenden Schritt könnten die "Störche", wie sie nach ihrer ersten Vereinskneipe "Storchennest" heißen, am Samstag ausgerechnet im Hamburger Volksparkstadion machen. Fünf Zu-Null-Siege in Folge und neun Punkte Vorsprung auf den Viertplatzierten HSV machen den Tabellenführer zum Favoriten.
Favoritenrolle als Kompliment
Diese Rolle empfindet Trainer Marcel Rapp als Kompliment, "wenn man das Stadion sieht, wenn man die beiden Mannschaften sieht, die gegeneinander spielen". Dem mit 57.000 Zuschauern stets ausverkauften schicken Volksparstadion haben die Kieler lediglich das 15.000 Zuschauer fassende baufällige Holsteinstadion entgegenzusetzen, das seit Jahren nur mit einer Ausnahmegenehmigung der DFL für die 2. Liga genutzt werden darf.
Kiel und St. Pauli haben sich ein sehenswertes Spitzenspiel geliefert. Zur Pause sah der Tabellenführer aus Hamburg wie der sichere Sieger aus, doch Holstein kämpfte sich zurück.26.02.2024 | 9:30 min
Es hat wesentlich mit dem Wirken von Rapp zu tun, dass die Kieler unter diesen Bedingungen zur Überraschungsmannschaft der 2. Liga aufsteigen konnten. Als der Verein nach dem knapp verpassten Aufstieg 2021 auf Platz 15 abstürzte und Trainer Ole Werner zurücktrat, hatte Manager Uwe Stöver den Mut, auf den jungen Nachwuchstrainer aus Hoffenheim zu setzen.
Kompletter Neuaufbau mit Trainer Rapp
Als Cheftrainer in Kiel hatte dann Rapp den Mut, vor Beginn dieser Saison die Mannschaft radikal umzubauen. Mit den Stützen Fabian Reese (zu Hertha BSC) und Hauke Wahl (zum FC St. Pauli) verließen 16 Spieler den Klub, genauso viele Neue wurden verpflichtet.
Seitdem hat Rapp gezeigt, dass er auch im Profibereich sowohl einzelne Spieler als auch die gesamte Mannschaft auf ein neues Niveau bringen kann. "Das war in der Größe kein leichtes Unterfangen, aber Marcel hatte von Beginn an die Überzeugung und Freude auf etwas Neues“, sagte Stöver dem "kicker".
Dabei baute Rapp nicht nur auf Talente wie Tom Rothe (19 Jahre alt) oder Colin Kleine-Bekel (20), sondern brachte auch erfahrenere Spieler nach einem Karriereknick wieder nach oben. Kapitän Philipp Sander (26), der zwischenzeitlich schon zum SC Verl in die 3. Liga ausgeliehen war, drehte so auf, dass er für die kommende Saison von Borussia Mönchengladbach verpflichtet wurde.
Arp und Holtby blühen auf
Auch Stürmer Jann-Fiete Arp (23), das ehemalige Toptalent des Hamburger SV, das anschließend bei Bayern München in der Versenkung verschwand, blüht unter Rapp sichtbar auf.
Und da ist da noch Ex-Nationalspieler Lewis Holtby (33), der einst in Aachen, Schalke und Mainz eines der größten Zukunftsversprechen im deutschen Fußball war und es bis in die Premier League zu Tottenham Hotspur brachte. 2018 stieg er mit dem HSV in die Zweitklassigkeit ab, wo er bis jetzt stecken blieb, erst mit den Hamburgern, dann mit den Blackburn Rovers in England und seit 2021 mit Holstein Kiel.
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Als HSV-Spieler stellte sich Holtby 2015 nach einem 0:2 gegen Wolfsburg vor die Fans an den Zaun und sagte: "Ich habe auch mal gut gespielt." Am Samstag kann er beweisen, wie gut er jetzt wieder ist. "Hier spüre ich nicht diesen immensen Druck. Hier kann man in Ruhe arbeiten“, sagte er der "Welt" über seinen jetzigen Klub. "Das tut gut."