Nations League gegen Italien: Ein lehrreiches Drama

    Nations League gegen Italien:Ein lehrreiches Drama

    von Frank Hellmann, Dortmund
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    Erstmals qualifiziert sich Deutschland fürs Final Four der Nations League. Aus der verspielten 3:0-Führung gegen Italien leitet Julian Nagelsmann durchaus positive Erkenntnisse ab.

    Zweikampf zwischen Alessandro Buongiorno (Italien, 4) (l) und Jamal Musiala (Deutschland, 10)
    Was für ein Spiel: Die deutsche Nationalmannschaft dominiert Italien zunächst klar und muss am Ende doch zittern. Das 3:3 reicht für den erstmaligen Sprung ins Final Four.24.03.2025 | 2:59 min
    Es herrschte Redebedarf noch auf dem Rasen. Joshua Kimmich, Tim Kleindienst und Robert Andrich: Diese Troika diskutierte erst eine ganze Weile, als längst "Major Tom" aus den Lautsprechern der Lieblingsstätte der deutschen Nationalmannschaft schepperte. Erst dann stellte sich auch das Trio vor der Südtribüne des schwarz-gelben Stimmungstempels zur Danksagung auf.
    Dieser wahrlich "völlig losgelöste" Fußballabend in Dortmund hatte zwar viele glückliche Gesichter, aber eben auch etliche Fragen produziert: Eine Halbzeit nahe an der Perfektion, mit einem sagenhaften Gegenpressing, dann ein Durchgang mit einem fatalen Systemausfall.
    Letztlich löste Deutschland durch das 3:3 (3:0) gegen Italien als einziges Team ohne Verlängerung oder Elfmeterschießen das Ticket fürs Final Four der Nations League - und der DFB wird selbst Ausrichter dieses Mini-Turniers sein. Gegner im Halbfinale am 4. Juni ist nun Portugal (live im ZDF ab 20:15 Uhr/Anstoß: 20:45 Uhr), im Finale am 8. Juni könnte es zum erneuten Aufeinandertreffen mit Europameister Spanien kommen. Gespielt wird in München und Stuttgart.
    Joshua Kimmich ist überall und gedankenschnell
    "Die erste Halbzeit war sehr, sehr sexy", sagte der wie im Hinspiel an allen Treffern beteiligte Kapitän Kimmich, der die Mängel aber nicht verschwieg: "Wir kriegen das 3:1, sind zu fehleranfällig: Wir müssen noch viel dazulernen." Solche Wechselbäder werden bei der WM 2026 in Kanada, Mexiko und USA möglicherweise mit dem Turnieraus bestraft.

    Kurioser Fußball-Moment
    :Balljunge verhilft DFB-Elf zu Tor gegen Italien

    Dieses Tor war sogar für das Live-TV zu schnell: Ein Balljunge zögerte beim Wurf des Balls an Joshua Kimmich nicht lang. Kurz danach das 2:0. Da staunten auch Matthäus und Klopp.
    Balljunge Noel Urbaniack (l) und weitere Balljungen sitzen hinter der Bande.
    mit Video
    Doch selbst der omnipräsente Anführer von der rechten Flanke, der erst einen Elfmeter zum 1:0 verwandelte (30.), dann mit gütiger Mithilfe eines 15-jährigen Balljungen beim skurrilen 2:0 erst für Jamal Musiala (37.), dann mit der nächsten Maßflanke zum 3:0 für Tim Kleindienst (45.) auflegte, nahm ein positives Feeling mit: "Für uns ist es wichtig, dass wir spüren, dass wir gegen die Topteams in Europa mithalten und gewinnen können", betonte der 30-Jährige. "Wir haben das Gefühl, dass wir solche Mannschaften dominieren und schlagen können. Das muss in unseren Köpfen sein."
    Die beste Halbzeit unter Julian Nagelsmann
    Dass die deutsche Pressingmaschine den früheren Angstgegner über 45 Minuten derart in den Würgegriff nahm, fand auch Julian Nagelsmann "beindruckend", die erste Halbzeit sei definitiv "die beste meiner Amtszeit" gewesen. Und:

    Es war unfassbar ansehnlicher Fußball.

    Julian Nagelsmann

    Der mit Sprechchören gefeierte Abwehrchef Antonio Rüdiger sprach sogar vom "besten Spiel seit sechs Jahren - und dann kommt die zweite Halbzeit". Man habe vermehrt die Bälle nach hinten gespielt, wodurch die Wege immer länger geworden seien: "Wir haben es uns schwierig gemacht."
    Die Auswechslungen von Angelo Stiller und Leon Goretzka, die Nagelsmann vehement mit drohender Gelb-Rot- beziehungsweise Verletzungsgefahr verteidigte, trugen nicht dazu bei, den Kontrollverlust zu beheben. Im Gegenteil. Dass Giacomo Raspadori mit einem Handelfmeter in der Nachspielzeit nach dem Doppelschlag von Moise Kean (49. und 69.) sogar noch den Ausgleich für die Squadra Azzurra erzielte, nahm Nagelsmann beinahe achselzuckend hin.
    Drei Erkenntnisse bleiben haften
    "Man versucht, aus negativen Dingen etwas Positives herauszuziehen. Für unsere Entwicklung ist es besser, als wenn wir 4:0 gewonnen hätten." Der 37-Jährige argumentierte:

    Die Erkenntnis aus diesen Partien ist für uns Weltklasse und für unsere Entwicklung super.

    Julian Nagelsmann

    Eigentlich habe sein Ensemble viel gelernt: Erstens könne man "Rückstände wie im Hinspiel aufholen", zweitens "herausragend Fußball spielen". Und drittens wisse man jetzt, "dass das Spiel in der Halbzeit nicht vorbei ist".
    Seine Mannschaft habe sich auf jeden Fall in anderthalb Jahren "gut entwickelt", und ein "Land der Meckerer" (O-Ton Nagelsmann) könne ruhig "stolz auf diese Gruppe" sein. Zwar zähle die Nations League nicht so viel wie eine EM, weshalb der Bundestrainer auf ZDF-Nachfrage nicht über eine mögliche EM-Revanche gegen Spanien sprechen wollte, aber einen ersten Titel würde er schon gerne holen. Allerdings seien die Portugiesen im Halbfinale "ein dickes Brett" mit hervorragenden Einzelspielern - und damit war bestimmt nicht Superstar Cristiano Ronaldo gemeint.
     

    Julian Nagelsmann hat angekündigt, dass er mit dem bestmöglichen Kader das Final-Four-Turnier der Nations League im Sommer bestreiten will. Er werde jedenfalls keine Rücksicht auf die anschließende Club-Weltmeisterschaft nehmen.  Das Turnier mit 32 Vereinsteams, darunter Bayern München und Borussia Dortmund aus der Bundesliga, findet vom 15. Juni bis 13. Juli im neuen Format erstmals in den USA statt.

    "Bei einem Turnier kann man keine Rücksicht nehmen", sagte Nagelsman. Die Vereinstrainer in München und Dortmund wüssten, dass er keiner sei, "der die Scheuklappen unten hat" und auf die Gesundheit der Spieler keine Rücksicht nehme. "Das werden die Spieler auch gerne spielen wollen, weil sie es sich erarbeitet haben", betonte der 37-Jährige, dem das auf 32 Teams aufgeblähte Format ein Dorn im Auge ist: "Die Club-WM ist eine brutale Belastung. Mehr sage ich dazu nicht."

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