DFB-Elf gegen Italien: Reifeprüfung an einem besonderen Ort

In der Abendsonne wirken die riesigen Türme im Mailänder Stadtteil San Siro noch mal imposanter. Das ikonische Giuseppe-Meazza-Stadion, allseits als San Siro Stadion bekannt, ist das eine, die besondere Geschichte der Fußball-Nationen Italien und Deutschland das andere. "Diese Rivalität gibt es schon, da war ich noch nicht mal geboren", sagte Antonio Rüdiger am Mittwochabend im Bauch dieser Gedenkstätte und grinste.

Nur will Bundestrainer Julian Nagelsmann vom historischen Überbau nicht zu viel wissen, wenn die DFB-Auswahl das Viertelfinal-Hinspiel der Nations League gegen Italien (Donnerstag 20.45 Uhr/ARD) bestreitet. Sein Motto: lieber selbst Geschichte schreiben. In der Pressekonferenz gab der 37-Jährige kurz nach der Landung in Mailand bei herrlichem Frühlingswetter zu verstehen: "Es geht um das Selbstverständnis: Wir wollen gerne die Nations League gewinnen."

Rüdiger pflichtete dieser Devise bei: "Titel ist Titel." Für den Abwehrboss von Real Madrid war die Serie A eine Lehre in jeder Hinsicht: "Ich mag das Land, das Essen: Die beste Pizza, die beste Pasta ist hier." Was er sagen könne, dass durch die EM 2024 der Erfolgshunger im deutschen Team zurückgekehrt ist: "Wir haben Blut geleckt."

Dass die DFB-Auswahl in 99 Jahren bei 37 Auflagen nur neun Mal gegen die Squadra Azzurra erfolgreich war, interessiert die Protagonisten nicht. Und wohl auch nicht die 3.500 mitgereisten Anhänger - so viele wie seit zehn Jahren nicht.

Der letzte Länderspielsieg in Italien datiert übrigens aus dem Februar 1986, als Lothar Matthäus in Avellino das Siegtor schoss - und der Teamchef Franz Beckenbauer hieß, an dessen beste Zeit das erstmals aufgeführte Retro-Trikot in schlichter Schwarz-Weiß-Optik erinnern wird.

Die ersten Länderspiele 2025 stehen in einem größeren Zusammenhang. Die WM 2026 in Kanada, Mexiko und USA wirft ihre Schatten voraus. Der Goldpokal ist das erklärte Ziel, das Nagelsmann nach dem unglücklichen EM-Aus 2024 im Viertelfinale ausgab.

Das Final Four der Nations League soll dafür die Siegermentalität schärfen. Zuvor ist jedoch der Europameister von 2021 zu bezwingen, dem Nagelsmann inklusive Coach Luciano Spalletti reichlich Komplimente machte.

Umso mehr schmerzt das Fehlen von Unterschiedsspielern wie Florian Wirtz, Kai Havertz und Niclas Füllkrug. Von den elf EM-Toren erzielte die Troika allein sechs. Größere Umbauarbeiten sind also in der Offensive unvermeidlich, da allein Jamal Musiala als kreativer Geist und Tim Kleindienst als verlässlicher Torjäger gesetzt sind. Ausgerechnet der beim FC Bayern um einen neuen Vertrag kämpfende Leroy Sané dürfte erster Nachrücker am Flügel sein, Jamie Leweling vom VfB Stuttgart könnte rechts beginnen.

Nagelsmann bestätigte, dass die Torwartfrage zugunsten von Oliver Baumann geklärt ist, der nun vorläufig bis zur nächsten Maßnahme als Nummer eins vor Alexander Nübel geführt wird. "Am Ende ist eine Millimeterentscheidung. Die war nicht supersonnenklar." Der Keeper und Kapitän der TSG Hoffenheim zeige "einen Tick mehr Konstanz."

Zudem deutete der Bundestrainer an, dass Pascal Groß (Borussia Dortmund) und Angelo Stiller (VfB Stuttgart) die Mittelfeldzentrale besetzen könnten - dann müsste sich Rückkehrer Leon Goretzka noch gedulden. Aber auch möglich, dass der formstarke Mittelfeldmann des FC Bayern gleich beginnt.

Vermutlich fällt die sportliche Entscheidung ohnehin erst im Rückspiel in Dortmund (Sonntag 20.45 Uhr). Erst danach steht fest, ob Deutschland bei der WM-Qualifikation in die vermeintlich leichtere Gruppe kommt und bei der Auslosung der WM-Endrunde zu den gesetzten Teams gehören würde.