Europapokal-Sieg 1983: Als der HSV der König von Europa war
Europapokal-Sieg vor 40 Jahren:Als der HSV der König von Europa war
von Marie-Julie May
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Der Hamburger SV gehörte 1983 zu einer der besten Mannschaften der Welt. Doch dann begann der schleichende Abstieg. Die Erinnerungen an die ruhmreiche Zeit reichen bis heute.
Match-Winner Felix Magath präsentiert stolz die Trophäe (1983 in Athen).
Quelle: IMAGO / WEREK
Es gab eine Zeit, da war der Hamburger SV besser als der FC Bayern München. Gewann den "Europapokal der Landesmeister", die heutige Champions League, und wurde im Anschluss Deutscher Meister.
Heute nach fünf Jahren in der zweiten Fußball-Bundesliga kaum noch vorstellbar. Doch in der Saison 1982/83 feierte der HSV den bisher größten Triumph der Vereinsgeschichte.
36 Partien ohne Niederlage in Folge
Den Grundstein legte HSV-Manager Günter Netzer, der einen - wie er ihn nannte - "menschlichen Schleifer" namens Ernst Happel als Trainer verpflichtete. Die Dominanz des HSV unter dem Österreicher suchte ihresgleichen. 36 Spiele hintereinander blieb der HSV zwischen dem 23. Januar 1982 und dem 28. Januar 1983 ungeschlagen. Ein Rekord, der erst von dem Rekordmeister aus München 2013 gebrochen wurde.
Pressing, perfekt funktionierende Abseitsfallen und Offensiv-Fußball: Happel ließ den HSV so spielen, wie es in der Bundesliga bis dahin noch nicht vorgekommen war.
Der HSV: Im Jahr 1983 das beste Team Europas
Im Jahr 1983 avancierte der HSV unter Happels Fittichen zum besten Team Europas. Das Double ist bis heute der wohl größte Erfolg der Vereinsgeschichte.
Quelle: IMAGO / Kicker/Liedel
Juventus mit Star-Ensemble
Unter ihm stürmten die Hanseaten mit Spielern wie Felix Magath, Manfred "Manni" Kaltz, Uli Stein und Horst Hrubesch ins Landesmeister-Endspiel. Der Gegner hieß Juventus Turin. Die berüchtigte Nacht von Athen wurde Geschichte.
Es war der 25. Mai 1983, insgesamt 73.500 Zuschauer fieberten auf den Rängen des Olympiastadions dem Spiel entgegen.
Einer von ihnen: Thomas Böhme. Der heutige Gesellschafter der HSV Fußball AG war als Fan in Athen dabei. "Ich war von der Vielzahl der mitgereisten italienischen Fans erstmal eingeschüchtert", erinnert sich der Niedersachse. Doch die Stimmung kippte schlagartig.
HSV-Stürmer Horst Hrubesch (2.v.l.) gewinnt ein Kopfball-Duell gegen den Italiener Sergio Brio (2.v.r.).
Quelle: dpa
Der Hamburger Spielmacher Magath überwandt bereits in der achten Minute Juve-Legende Dino Zoff mit einem fulminanten Linksschuss von der Strafraumkante in den Winkel. In Athen fällt das wohl wichtigste Tor der HSV-Geschichte.
Eine Szene, die HSV-Fans noch heute bewegt und plötzlich wieder allgegenwärtig ist. "Es war wie eine Erlösung, obwohl ich dann bis zum Ende zittern musste. Auch die Griechen um mich herum waren plötzlich für uns", erzählt Böhme.
Felix Magath (r.) im Zweikampf gegen Michel Platini.
Quelle: IMAGO / Sven Simon
Der HSV trat als klarer Außenseiter in der Partie an und nahm die Herausforderung gegen das beeindruckende Star-Ensemble von Giovanni Trapattoni an. Das Team umfasste sechs amtierende Weltmeister sowie das vermutlich beste Mittelfeld dieser Ära, angeführt von Frankreichs Michel Platini und dem Polen Zbigniew Boniek.
Doch der HSV dominierte das Spiel über weite Strecken und ließ sich den Sieg nicht mehr nehmen. Damit führte Happel die Hamburger im wahrsten Sinne des Wortes auf den Olymp.
Extase nach Schlusspfiff: Der HSV gewinnt den Europapokal der Landesmeister und feiert mit den Fans in Athen.
Quelle: IMAGO / Ferdi Hartung
"Wenn ich daran denke, wie Horst Hrubesch den Europacup in den Athener Nachthimmel stemmte, kriege ich noch heute Gänsehaut", berichtet Böhme. Der damals 26-Jährige kann sich noch an die zahlreichen Schulterklopfer erinnern, die er an diesem Abend beim Feiern in der Hauptstadt erhielt.
HSV-Coach Happel sprach von seiner wohl "größten Stunde als Trainer". Die er zwei Wochen später noch mit der Meisterschaft vollendete.
Co-Trainer Aleks Ristic, Felix Magath, Trainer Ernst Happel und Günter Netzer (v.l.) im Hotel mit dem Europacup der Landesmeister
Quelle: IMAGO / Horstmüller
Von der Spitze ins Mittelmaß
Es hatte den Anschein, als hätte der HSV den FC Bayern als Spitzenteam im deutschen Fußball abgelöst. Doch direkt nach der Erfolgssaison 1982/83 begann der zunächst langsame, später blitzartige Abstieg. Im Vorhaben, das Team zu verjüngen, wurden Leistungsträgwer wie Horst Hrubesch und Lars Bastrup verkauft. Zudem wurden die Europacup-Millionen für aufstrebende Sturmtalente ausgegeben, die sich nie durchsetzen konnten.
Trotz Happels erfolgreicher Zusammenstellung eines Topteams in seiner letzten Spielzeit, das 1987 Vize-Meister wurde und den DFB-Pokal gewann, verließ er anschließend den Hamburger SV. In den folgenden Jahren rutschte der Verein immer weiter ins Mittelmaß ab und stand Anfang der 1990er-Jahre sogar am Rande des finanziellen Zusammenbruchs. Am 25. Mai 1983 hatte wohl niemand daran geglaubt, dass es jemals so weit kommen würde.
Sprung in Erstklassigkeit möglich
Seither zehrt der Klub vom damaligen Leuchten. Von der Champions League redet heute in Hamburg keiner mehr. Stattdessen geht es für den HSV am kommenden Sonntag in Sandhausen um den ersehnten Wiederaufstieg in die Bundesliga.
"Auch wenn er nicht immer auf HSV-Seite steht“, scherzt Böhme, der fest von einem direkten Wiederaufstieg überzeugt ist. Egal, wie es ausgeht, immerhin bleiben die Erinnerungen an die ruhmreiche Zeit von 1983.