Europa League: Leverkusen und der Traum vom Triple

Xabi Alonso muss sich in diesen Tagen öfter mal ordentlich kneifen, wenn er an das zurückliegende Dreivierteljahr denkt. "Es ist nicht einfach in Worte zu fassen, was in dieser Saison passiert", sagt Bayer Leverkusens spanischer Cheftrainer etwas ungläubig.

So wird er in seinem zweiten Jahr beim Werksklub am kommenden Sonntag gegen Werder Bremen aller Voraussicht nach den ersten deutschen Meistertitel in der Vereinsgeschichte feiern. Als haushoher Favorit geht sein Team am 25. Mai zudem ins nationale Finale um den DFB-Pokal gegen den abstiegsbedrohten Zweitligisten 1. FC Kaiserslautern. Und dann ist da ja auch noch die Europa League.

In diesem Wettbewerb bekam Leverkusen unter Alonsos Leitung im vergangenen Frühjahr erstmals eine Ahnung davon, wie sich so ein Titelgewinn anfühlt. Erst im Halbfinale war gegen die Defensivmonster der AS Rom nach einem 0:1 und 0:0 Schluss für die Rheinländer.

Erneut die Roma oder der AC Mailand kommen in diesem Jahr als Gegner in der Runde der letzten Vier in Frage. Vorher müssen die Leverkusener im Viertelfinale aber zunächst den englischen Vertreter West Ham United aus dem Weg räumen.

"Wir haben in der vergangenen Saison gespürt, was ein Halbfinale in der Europa League bedeutet. Und wir werden alles geben, um da wieder reinzukommen", verspricht Sport-Geschäftsführer Simon Rolfes vor dem Hinspiel am Donnerstag (21 Uhr/Liveticker).

In den Duellen mit West Ham, aktuell Siebter in der Premier League, gibt es für Rolfes ein Wiedersehen mit seinem früheren Mitarbeiter Tim Steidten. Der gebürtige Bremer war bis zur Trennung im März 2023 zunächst als Leiter der Scouting-Abteilung und später als Kader-Manager bei Bayer angestellt und dabei unter anderem an den Transfers von Florian Wirtz, Edmond Tapsoba, Robert Andrich oder Jeremie Frimpong maßgeblich beteiligt.

Sein ausgeprägter Ehrgeiz führte Steidten im vergangenen Sommer nach London, wo er bei West Ham zum ersten Technischen Direktor in der Geschichte des Klubs avancierte. Und wo er sich bei der Auslosung im März für das Viertelfinale vor allem eines wünschte: Leverkusen und Liverpool aus dem Weg zu gehen.

Das hat nicht geklappt - und Steidten betont nun: "Wir werden alles reinhauen, und in zwei Spielen kann viel passieren. Aber wenn man den Leverkusener Kader betrachtet, sind sie uns einfach noch voraus."

West Ham weit voraus war Alonsos Ensemble auch Anfang August letzten Jahres: Beim finalen Test vor dem Saisonstart setzte es für das Team des erfahrenen schottischen Trainers David Moyes ein 0:4. Dabei hatte sich der englische Klub zwei Monate zuvor immerhin zum Sieger in der Conference League gekürt.

Allerdings wissen die Leverkusener auch: Die Europa League stellt angesichts der höchst komfortablen Voraussetzungen in Liga und Pokal für sie nun die größte Herausforderung auf dem Weg zum möglichen Triple dar. Und das Team von West Ham, das vor acht Monaten baden ging, hat laut Granit Xhaka mit dem jetzigen nicht mehr viel zu tun.

"Das muss uns bewusst werden", fordert Bayers Stratege aus dem defensiven Mittelfeld, der gegen die offensivstarken Londoner "ein spezielles Spiel" erwartet. Wie ohnehin diese Woche vor der mutmaßlichen Meister-Krönung in Deutschland "speziell" sei.

"Wegen des Spiels gegen West Ham am Donnerstag haben wir gar nicht so viel Zeit, darüber nachzudenken", sagt Xhaka. Während für den ambitionierten Sportchef Rolfes ohnehin feststeht: "Es gibt nicht nur die Bundesliga und den Pokal. Wir versuchen auch in der Europa League das Maximale."