Fußball-EM-Qualifikation: Das lange Warten auf Italien
Fußball-EM-Qualifikation:Das lange Warten auf Italien
von Claudio Palmieri
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Italien zittert wieder einmal um die Teilnahme an einem großen Turnier. Eine Fußball-EM in Deutschland ohne die Azzurri würde viele in Deutschland lebende Italiener hart treffen.
Wohin geht ihr Weg? Die italienische Fußball-Nationalelf ist noch nicht für die EM qualifiziert
Quelle: Imago
Antonio Pelle, der Co-Chef des Landhauses Milser in Duisburg, lebt seit 51 Jahren in Deutschland. Während der WM 2006 beherbergte sein Hotel den späteren Fußball-Weltmeister Italien - die Nationalelf jenes Landes, aus dem der 67-Jährige als Jugendlicher auswanderte.
Bleibt die Frage: Qualifiziert sich Italien?
Den Zeitraum vom 5. Juni bis zum EM-Finale am 14. Juli hat Pelle schon geblockt. Nur eine Frage ist noch zu klären: Welches Team kommt diesmal bei ihm unter?
Kontakt habe es schon gegeben, verrät Pelle: "Im Moment sind das aber nur ungelegte Eier." Denn der amtierende Europameister, der schon die WM-Teilnahmen 2018 und 2022 verpasste, bangt wieder einmal um die Qualifikation für ein großes Turnier.
Antonio Pelle zeigt stolz sein WM-Souvenir
Quelle: Claudio Palmieri
Letzter Strohhalm für Italien wären die Playoffs
Am Freitag (20:45 Uhr) trifft Italien in Rom auf Nordmazedonien. Bei einem Sieg reicht der Elf von Luciano Spalletti am Montag (20:45 Uhr) gegen die Ukraine in Leverkusen ein Remis zu Platz zwei hinter England in Gruppe C. Ansonsten müssen drei Punkte gegen die Ukrainer her.
Misslingt auch das, muss die stolze Fußballnation im März in die Playoffs. Ein Schreckensszenario für Pelle, in dessen Hotel unzählige Fotos und Unikate an 2006 erinnern: "Dann müssen sie eigentlich auch gar nicht mehr nach Deutschland kommen."
England hat sich auch dank Jude Bellingham und Harry Kane das EM-Ticket gesichert. Mit 3:1 bezwangen die Three Lions Italien und machten damit die Qualifikation perfekt.18.10.2023 | 2:57 min
England qualifiziert, Italien bangt:
Tiefe Bindung zur Squadra Azzurra
Wie tief die Bindung zwischen den in Deutschland lebenden Italienern und der Squadra Azzurra ist, hatte Marcello Lippi schon 2007 in einer RAI-Doku deutlich gemacht. "Alle Italiener haben große Freude empfunden", sagte der Weltmeister-Coach von 2006 über Italiens 2:0-Sieg gegen Deutschland im WM-Halbfinale in Dortmund:
Damit sprach Lippi Millionen Tifosi aus der Seele. Denn nicht nur ihm ist das Match gegen Deutschland in besonderer Erinnerung geblieben. Insgesamt vier Millionen Italiener kamen ab 1955 im Zuge des Anwerbeabkommens als Gastarbeiter in die Bundesrepublik. Heute leben noch knapp 645.000 Italiener in Deutschland.
Ein WM-Sieg als Kirsche auf der Torte
Spiele der Azzurri in Deutschland und gegen die DFB-Elf sind für die meisten auch eine Konfrontation mit der eigenen Biografie. "Dortmund war für uns das Spiel, das 2006 gezählt hat. Da haben wir alle Rucksäcke abgelegt, die wir hier in Deutschland jahrelang mit uns getragen haben", erzählt Pelle: "Der WM-Sieg gegen Frankreich war nur die Kirsche auf der Torte."
Domenico Lucanto sieht das genauso. Der 43-Jährige ist zweiter Vorsitzender der USI Lupo Martini Wolfsburg, dem ersten von Gastarbeitern gegründeten Fußballverein in Deutschland. In dritter Generation fühlt sich der Familienvater bestens integriert. Doch auch er kann nicht leugnen: Mit den Toren von Fabio Grosso und Alessandro del Piero gegen Deutschland entlud sich 2006 eine Freude, die jahrzehntelange Vorurteile und Schwierigkeiten im Alltag vergessen ließ.
Fabio Grosso, WM-Torschütze 2006 gegen Deutschland
Quelle: Imago
Das Problem der Identitätsfindung
"Wir Immigrierten suchen immer nach einer Identität. Speziell der Fußball als Volkssport sorgt dafür, dass die eigene Identität gesehen wird", erklärt Lucanto, der die Personalabteilung eines großen Konzerns in Wolfsburg leitet:
Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass Italien ausgerechnet in Deutschland das EM-Ticket lösen kann. Hotelchef Pelle ist das egal. Er wüsste dann wohl, welches Nationalteam 2024 bei ihm eincheckt.