Bundestrainer im Porträt :Nagelsmann - der Bessermacher der Moderne
von Frank Hellmann
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Julian Nagelsmann ist ein anderer Trainertyp als seine Vorgänger. Überzeugender, entschlossener, tiefgründiger - und jünger.
Julian Nagelsmann bei der Arbeit. Sein Schwung, seine Ideen, seine Kreativität seien ansteckend, heißt es aus dem Umfeld des Bundestrainers.
Quelle: Imago
Wer Julian Nagelsmann zuhört, spürt sofort: Da ist ein Fußballlehrer nicht nur von der Sache überzeugt, sondern auch von sich selbst. Rhetorisch kann ihm kaum jemand das Wasser reichen - wobei das Schöne ist, dass der gebürtige Bayer immer wieder Sätze einstreut, bei sich alle Generationen mitgenommen fühlen.
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So wie bei seiner Vorstellung im September vergangenen Jahres, als der Bundestrainer auf dem DFB-Campus verriet, warum er bei dem Angebot nicht gezögert habe:
Jüngster Bundestrainer der Nachkriegszeit
Mit 36 Jahren ist Nagelsmann der jüngste Nationalcoach der Nachkriegszeit. Noch jünger war nur der 1926 installierte Reichstrainer Otto Nerz. Fast ein Jahrhundert später verkörpert Nagelsmann für die Heim-EM, die mit dem Eröffnungsspiel gegen Schottland in München (Freitag 21 Uhr/live ZDF) beginnt, eine andere Art von Trainertyp als seine jüngsten Vorgänger.
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Überzeugender als Hansi Flick, entschlossener als Joachim Löw, tiefgründiger als Jürgen Klinsmann. Sein Schwung, seine Ideen, seine Kreativität, für die auch seine Co-Trainer Sandro Wagner und Benjamin Glück, Wegbegleiter und Freund seit gemeinsamen Zeiten bei der TSG Hoffenheim stehen, seien ansteckend, heißt es aus dem Umfeld.
Auch misslungene Experimente für Nagelsmann
Selbstzweifel sind seine Sache nicht. Und alle aus seiner Zeit beim FC Bayern wissen: Sein Selbstvertrauen ist nicht klein. Nagelsmann hat dazu mal gesagt:
Er hat auch schon bei der DFB-Elf zu viel gewagt: Auf den gelungenen Einstand gegen die USA (3:1) und Mexiko (2:2) folgten misslungene Experimente gegen die Türkei (2:3) und Österreich (0:2).
Nagelsmann weiß, dass er die nächste Zeit fast wichtiger als der Bundeskanzler Olaf Scholz ist. "Bundestrainer ist der wichtigste Trainerjob in Deutschland", sagt Sportdirektor Rudi Völler. Der 64-Jährige ist mehr als nur ein väterlicher Ratgeber geworden.
Manuel Neuer (FC Bayern München) Marc-André ter Stegen (FC Barcelona) Oliver Baumann (TSG 1899 Hoffenheim)
Joshua Kimmich (FC Bayern München) Robin Koch (Eintracht Frankfurt) Maximilian Mittelstädt (VfB Stuttgart) Antonio Rüdiger (Real Madrid) Nico Schlotterbeck (Borussia Dortmund) Jonathan Tah (Bayer Leverkusen) David Raum (RB Leipzig) Waldemar Anton (VfB Stuttgart) Benjamin Henrichs (RB Leipzig)
Robert Andrich (Bayer Leverkusen) Chris Führich (VfB Stuttgart) Pascal Groß (Brighton & Hove Albion) Ilkay Gündogan (FC Barcelona) Emre Can (Borussia Dortmund) Leroy Sané (FC Bayern München) Florian Wirtz (Bayer Leverkusen) Toni Kroos (Real Madrid) Jamal Musiala (FC Bayern München)
Niclas Füllkrug (Borussia Dortmund) Kai Havertz (FC Arsenal) Deniz Undav (VfB Stuttgart) Thomas Müller (FC Bayern München) Maximilian Beier (TSG 1899 Hoffenheim)
Nur weil Völler den Vertrag verlängerte, hat sich auch Nagelsmann bis 2026 an den Verband gebunden. Dafür darf diese Europameisterschaft nicht wie die letzten beiden Weltmeisterschaften in der Vorrunde beendet sein. Zu seiner Rolle hat er viele Interviews gegeben, bei denen er zwar Nähe zuließ und doch eine Distanz wahrte. Seit er mit einer Journalistin liiert ist, die er über seine Tätigkeit in München kennenlernte, muss er zwangsläufig Grenzen fürs Privatleben setzen.
Keine Frage, Nagelsmann wird Schlagzeilen machen
Sportlich gibt es für Nagelsmann gar kein Limit. "In der Vergangenheit waren der Fußball und die Nationalmannschaft oft Mittel, die Stimmung zu drehen", teilte er im Verbandsmagazin mit und nannte die WM 1954 als "leuchtendes Beispiel". Aber auch die anderen großen Titel "hatten jeweils Bedeutung über den Sport hinaus. Mich würde es wahnsinnig freuen, wenn uns Vergleichbares gelänge."
Viel mehr Auftrag für die Mission seiner Mannschaft, die in der Gruppe gegen Schottland, Ungarn und die Schweiz favorisiert ist, geht nicht. Doch ist Deutschland auch schon für Duelle gegen Italien und Spanien bereit, die früh in der K.o.-Runde kommen könnten?
Nagelsmann schiebt indes selbst das Finale am 14. Juli in Berlin nicht beiseite. Attraktiv und erfolgreich will er spielen lassen, schließlich würden die Leute viel Geld bezahlen, um ins Stadion zu kommen. Der Titel? Warum nicht? Er ist ein "Anti-Angsthase", wie die "Frankfurter Rundschau" schrieb. Der "Kicker" titelte zu seinen ersten acht Monaten: "Einmal Chaos und zurück". Völlig offen, wie die Schlagzeile in einem Monat lautet.