BVB vs. Real Madrid: Große Herausforderung für Nuri Sahin

Wenn Borussia Dortmund am Dienstag (21 Uhr) zur Neuauflage des Vorjahresfinales in der Champions League bei Real Madrid antritt, ist es für Nuri Sahin ein besonderes Spiel. Zwar war der heutige Trainer des BVB nur kurz Spieler der Königlichen, aber für seine Karriere war es eine prägende Zeit. Bei Real musste der frühere Shooting-Star lernen, Widrigkeiten zu trotzen.

Bis dahin ging’s fast nur bergauf. Sahin war jüngster Bundesliga-Spieler, jüngster Torschütze und mit 22 Jahren frühreifer Anführer jener Dortmunder Rasselbande, die mit spektakulärem Überfallfußball 2011 zum Meistertitel stürmte.

Star-Trainer Jose Mourinho lotste ihn zu Real. Die Vorzeichen standen auf Weltkarriere. In Madrid übernahm der große Stratege die Trikotnummer fünf von Superstar Zinedine Zidane.

Weil er sich verletzte, verpasste Sahin den Saisonstart und kam an einem gewissen Xabi Alonso und dem späteren Weltmeister Sami Khedira nicht vorbei. Nur zehn Pflichtspieleinsätze für Real sprangen raus, dazu ein Tor und ein Assist im spanischen Pokal, ehe der "verlorene Sohn" über Umwege wieder beim BVB landete. Eine Lektion in Sachen Demut und Bodenständigkeit.

Seinem Verhältnis zur Real hat die kurze, aber intensive Episode nicht geschadet. "Ich habe noch eine enge Verbindung zum Verein", sagte Sahin nach der Vorrunden-Auslosung. Trotzdem dürfte ihm ein Achtungserfolg im Bernabeu-Stadion Genugtuung verschaffen. Für die Borussia wäre es zudem ein Riesenschritt Richtung Achtelfinale.

Das würde auch den Kritikern den Wind aus den Segeln nehmen. Wie einst als Spieler bei Real stößt Sahin nach rasantem Aufstieg nun auch als Trainer erstmals unter die Decke.

Es ist gerade drei Jahre her, dass der Sauerländer die aktive Laufbahn beendete und als Trainer beim türkischen Erstligisten Antalyaspor übernahm. Bei seinem Herzensklub BVB hat es lediglich ein halbes Jahr gedauert, um vom Co- zum Chef-Trainer aufzusteigen. Ein Kindheitstraum.

Mit 36 Jahren ist der Frühstarter aktuell auch der jüngste Trainer in der Bundesliga. Im Falle eines Champions-League-Sieges 2025 würde er Pep Guardiola den Altersrekord abluchsen.

Nicht unmöglich, aber wenig realistisch. Denn trotz optimalen Starts in die Königsklasse samt 7:1-Gala über Celtic sind Dortmunds Defizite kaum zu übersehen. Das Liga-Debakel in Stuttgart und die Pleite bei Union Berlin haben die schwarz-gelbe Gemeinde bis ins Mark getroffen.

Selbst die Erfolge in der Liga waren eher zäh. Sahins Spielidee ist nur in Ansätzen erkennbar und bislang wenig praktikabel. Zuletzt ließ der Arbeitssieg über St. Pauli viele Wünsche offen, auch in Bezug auf den Coach. Der beichtete, er habe den Aufsteiger "nicht so tief stehend erwartet." Das war naiv bis fahrlässig. Zeit für den ehrgeizigen Sahin, zurück zu den Basics zu gehen.

Grundlage für eine gute Saison ist, die anfällige BVB-Abwehr zu stärken. Die hat in der Liga jetzt schon wieder satte zwölf Gegentore gefressen. Dazu müsste die defensive Mitte besser gesichert werden, Sahins frühere Domäne. Mit Kapitän Emre Can klappt das oft nicht gut, während Stratege Marcel Sabitzer auf der Seite verschenkt wirkt. Der Auftritt in Madrid wird zur Bewährungsprobe.

Auch der offensive Weg durchs Zentrum - Sahins Wunschoption - ist zu kompliziert und gerade gegen vermeintlich kleinere Gegner verbaut. Dass es über die Flügel schnörkelloser funktioniert, etwa mit dem agilen Jamie Gittens, haben die Siege über Frankfurt, Brügge und St. Pauli gezeigt.

Sahin arbeitet gerne mit kleinem Kader, aber spätestens der Ausfall von Karim Adeyemi deutete an, dass im Winter nachgelegt werden müsste. Der Coach zahlt aktuell viel Lehrgeld, für die BVB-Fans ist das aber noch kein Grund zur Sorge. Sahins Lernkurve ist steil, das ist Teil seiner Vita.