Vor dem Bundesliga-Finale: Terzic als Dortmunds Titel-Trumpf

Nach dem Sturm an die Tabellenspitze der Fußball-Bundesliga zuletzt in Augsburg ließ es sich Edin Terzic nicht nehmen, zu den furios feiernden Borussen-Fans im Auswärtsblock zu gehen. Aber nicht zum Jubeln. Der BVB-Trainer mahnte mit erhobenem Zeigefinger: ein Spiel noch, eine Hürde! Erst dann ist das Ziel erreicht: die neunte Deutsche Meisterschaft.

Die richtige Geste zur rechten Zeit: Terzic hat ein Talent dafür. Fast schon wie Trainer-Ikone Jürgen Klopp, aus dessen Schatten er heraustritt, sollte Schwarz-Gelb tatsächlich im Saisonfinale gegen Mainz bestehen. Dass er auch rhetorisch das Klopp-Erbe antritt, hat der Publikumsliebling schon in der offenen Aufarbeitung der Ausrutscher in Stuttgart und Bochum bewiesen.

Und nun als Motivator: "Die Spieler können sich alles kaufen. Das nächste teure Auto, den Urlaub, ein Haus."

Der BVB-Trainer weiter: "Jetzt geht es darum, den letzten Schritt zu gehen - mit unseren Fans, in unserem Stadion, in unserer Stadt - um die Meisterschale zurück nach Dortmund zu bringen."

Clever, dass der 40-Jährige auch den BVB-Anhang in die Pflicht nimmt. "Wir müssen so laut sein wie noch nie", fordert Terzic und schließt den Kreis: Mit exakt diesem Motto war er auch in seine zweite Amtszeit gestartet.

Daran glauben. Nicht nachlassen. Fokus! Den Spielern gönnt er im Liga-Endspurt keinen freien Tag mehr. Terzic weiß um die wohl historische Chance, das Meister-Abo des FC Bayern zu kündigen. Schon bald wird das Fußball-Imperium gnadenlos zurückschlagen.

Auch Terzic ist nicht perfekt, kein Wunder: Mit nicht mal zwei Jahren als Chefcoach geht er fast noch als Rookie durch. Die Defensive etwa bleibt auch unter ihm ein Dauerthema. Aber erneut erweist sich der geerdete Sauerländer als extrem lernfähig. Im ersten Anlauf führte Terzic das Team trotz vieler Rückschläge 2021 in die Champions League und zum Pokalsieg.

Der aktuelle Lauf könnte sogar weiter oben enden, obwohl die Hürden ähnlich hoch waren. Als die Euphorie des spektakulären Transfersommers durch die Krebs-Diagnose beim neuen Stürmerstar Sebastien Haller der Ernüchterung wich, reagierte Terzic in der einzig angemessenen Art. Er stellte den Menschen in den Mittelpunkt und die Genesung, anstatt über Kaderprobleme zu lamentieren.

Dass Terzic in der Woche mit dem wichtigen Königsklassen-Duell in Sevilla und dem emotionalen Liga-Showdown mit München seinen Vater verlor und dennoch pflichtbewusst an der Linie seines Herzensklubs stand, erfuhr die Öffentlichkeit erst später.

Von sportlichen Rückschlägen wie der legendären Last-Minute-Implosion gegen Werder Bremen oder den Pleiten in Gladbach oder Wolfsburg ließ er sich nicht entmutigen. Auch nicht vom steten Verletzungspech trotz runderneuerter Athletik-Abteilung.

Das Wintertrainingslager in Marbella wird als Wendepunkt in die Klub-Geschichte eingehen, sollte der BVB den Titel holen. In der intensiven Pause nach der Weltmeisterschaft hat der Coach dem Team Selbstvertrauen eingeflößt und offenbar gute Impulse gesetzt. Er half Emre Can und Julian Brandt in die Spur und hat den bis dahin erfolglosen Karim Adeyemi und Donyell Malen Torgefahr eingehaucht.

Auf Haller setzte Terzic konsequent, obwohl klar war, dass der Stürmer beim Comeback viel Zeit brauchen würde. Nun könnte der Ivorer zum X-Faktor im Titelrennen werden. Satte elf Punkte hat der BVB so im neuen Jahr auf die Bayern gut gemacht. Dass die Siegesserie eher holprig startete - geschenkt.

Und Terzic hat potenzielle Konfliktfelder geschickt wegmoderiert. Die früheren Platzhirsche Mats Hummels und Kapitän Marco Reus haben sich dem Teamerfolg untergeordnet. Zuletzt hat er selbst das Gespür für kleine, aber wichtige Gesten bewiesen: BVB-Urgestein Felix Passlack durfte zum Abschied noch mal spielen.