Nachwuchssorgen: Deutschen Torhütern fehlt Spielpraxis
Wer kommt nach Neuer?:Händeringend gesucht: Nachwuchstorhüter
von Maik Rosner
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Finn Dahmen hat erst seit dieser Saison einen Stammplatz im Tor. Dabei wird er schon 26. Die fehlende Spielpraxis deutscher Keeper kann sich zu einem handfesten Problem auswachsen.
Finn Dahmen vom FC Augsburg hat erst seit dieser Saison einen Stammplatz in der Bundesliga.
Quelle: epa
Manuel Neuer vom FC Bayern und Finn Dahmen vom FC Augsburg haben am 27. März Geburtstag, beide sind als Stammkeeper mit der deutschen U21 Europameister geworden. Neuer, 37, gelang das 2009. Dahmen, 25, folgte 2021.
Abgesehen davon fallen in ihren Karrieren vor dem Spiel der Bayern in Augsburg am Samstag vor allem die Unterschiede auf. An ihnen lässt sich erklären, was sich in der Torhüternation Deutschland verändert hat.
Neuer und ter Stegen früh die Nummer eins
Deutsche Torhüter genossen stets einen sehr guten Ruf. Zu tun hatte ihre Klasse auch damit, dass sie früh auf hohem Niveau Erfahrungen sammeln durften. Wie Neuer, der mit 20 Jahren beim FC Schalke die Nummer eins in der Bundesliga wurde. Oder wie Marc-André ter Stegen, 31, Neuers erster Vertreter bei der Nationalelf, der bei Mönchengladbach mit 18 Jahren sein Debüt gab.
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Bei Augsburgs Dahmen war das trotz seines Talents nicht der Fall. Damit steht er stellvertretend für die Situation vieler Nachwuchskeeper. In zwei Monaten wird Dahmen 26 Jahre alt, doch erst seit dieser Saison hat er einen Stammplatz in der Bundesliga. Bevor er im vergangenen Sommer zum FCA kam, war Dahmen in Mainz als Nummer zwei jahrelang nur sporadisch eingesetzt worden.
Nur Freiburgs Atubolu in Bundesliga jünger als Dahmen
Doch als Mainzer Nummer zwei hatte er keine Gelegenheit, Praxis zu sammeln in der zweiten oder dritten Liga.
In der Bundesliga stehen derzeit zwar bei 15 von 18 Vereinen deutsche Torhüter zwischen den Pfosten, doch sie sind mit Ausnahme von Freiburgs deutschem U21-Nationaltorwart Noah Atubolu (21) alle älter als Dahmen. In der zweiten Liga sieht es derzeit nur etwas besser aus.
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Fehlende Spielpraxis ist das Hauptproblem
Spricht man mit Augsburgs Torwarttrainer Marco Kostmann über die Torhütersituation in Deutschland, verweist er auf jene Lücke, die sich seit Jahren abgezeichnet hat.
"In der Spitze sind wir immer noch top, in der Breite wird es weniger nach dem Jahrgang 1992 mit Marc-André ter Stegen, Bernd Leno, Stefan Ortega und anderen, die große Karrieren gemacht haben. Die haben größtenteils alle schon sehr früh durchgängig gespielt", so der 57-Jährige.
Warnung vor Problemen nach Neuer und ter Stegen
Ähnlich hatte sich zu Saisonbeginn Jörg Neblung geäußert, der viele Torhüter berät. Darunter Kostmanns langjährigen Schützling Ortega, der sich von der dritten und zweiten Liga bis in die Bundesliga hochspielte und seit 2022 bei Manchester City unter Vertrag steht.
"Wir haben unsere Domäne, Paradedisziplin noch", sagte Neblung im Deutschlandfunk Kultur, "aber das wird nicht mehr lange halten." Seine Prognose: Nach Neuer und ter Stegen "kriegen wir Probleme, weil wir die Breite nicht mehr haben an Spitzenspielern".
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Nachwuchsproblem oder Problem des Nachwuchses
Neblung kritisierte, dass man die Torwarttalente nach der U19 regelrecht fallenlasse.
Vielleicht hat also gar nicht die Torhüternation Deutschland ein Nachwuchsproblem, sondern eher der Nachwuchs ein Problem in der Torhüternation.
Dahmen will Routine entwckeln
Dahmen hat es ohne viel Praxis geschafft, Stammtorwart in der Bundesliga zu werden - wenngleich erst mit 25 Jahren. Kostmann ist bei Dahmen "überzeugt, dass er in den nächsten anderthalb Spielzeiten durch die zunehmende Praxis zu einem überdurchschnittlichen Bundesligatorwart heranreift".
Dahmen will zunächst einmal Routine entwickeln. "Es geht auch darum, dass es für mich völlig normal wird, Woche für Woche im Bundesligator zu stehen", sagt er. Das Spiel gegen die Bayern wird sein 32. Einsatz in Deutschlands höchster Spielklasse.