Spektakuläre Parade: Bert Trautmann 1955 im Tor von Manchester City.
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Im Presseraum des Premier-League-Spitzenreiters Tottenham Hotspurs hing lange ein riesiges Poster von Jürgen Klinsmann. Genau fünfzig Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges wurde der "Diver", wie sie ihn dort nennen, in England zum Fußballer des Jahres gewählt.
Dies wäre nicht möglich gewesen ohne die Geschichte des deutschen Torwarts Bert Trautmann, der bei seinem Ex-Klub Manchester City noch heute verehrt wird, obwohl er einst als Kriegsgefangener ins Land kam.
Weltklassetorhüter und Pionier der Aussöhnung
Für den russischen Torwart Lew Jaschin war Trautmann der einzige andere Weltklasse-Torhüter neben ihm - dennoch blieb er in der hiesigen Berichterstattung lange eine Randnotiz. Bundestrainer Herberger nominierte grundsätzlich keine Spieler, die im Ausland kickten.
Wenn alle paar Jahre in Deutschland doch mal ein Artikel über ihn erschien, ging es meist um diese eine Heldentat vom FA-Cup-Finale 1956 im Wembley-Stadion, als er trotz gebrochenen Genicks weiterspielte und Manchester City den Sieg sicherte.
Torwart Bert Trautmann bricht sich am 5. Mai 1956 nach einem Zusammenstoß mit dem Stürmer Peter Murphy das Genick.
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Nach und nach sickerte dann doch durch, wie der Ex-Nazi und Ex-Fallschirmjäger in England zum "Pionier der englisch-deutschen Aussöhnung" wurde, wie es auf der Gedenktafel an seinem Geburtshaus in Bremens Hafenquartier Gröpelingen heißt. Eine Leistung, für die ihn die Queen 2004 zum "Officer of the British Empire" ernannte.
Die englische Fußball-Ikone Sir Bobby Charlton ist im Alter von 86 Jahren gestorben. Mit England wurde er 1966 gegen Deutschland Weltmeister.
In England Toleranz gelernt
Die ersten Worte des britischen Soldaten, dem er sich in den letzten Kriegstagen ergab, lauteten seiner Erinnerung nach: "He Fritz, magst Du eine Tasse Tee?" In Rückblicken hat Trautmann erzählt, dass er erst in England wirklich erzogen worden sei, Toleranz gelernt und seinen tiefsitzenden
Judenhass abgelegt habe.
Nach seiner Entlassung aus der Gefangenschaft hatte er zunächst einen schweren Stand. Gegen die Entscheidung des Klubs, ihn aufzustellen, demonstrierten in Manchester über 20.000 Menschen. Erst der Appell des Rabbiners Alexander Altmann, Trautmann als einzelnen Menschen zu betrachten, beruhigte die Gemüter.
Abschiedsspiel vor 70.000 Zuschauern
Statt ein Heimkomm-Angebot anzunehmen, entschied er sich, als Gastarbeiter in Großbritannien zu bleiben. Mit aufrichtiger Reue und seiner gewinnenden Persönlichkeit bewirkte er, dass seine sportlichen Leistungen gewürdigt wurden. Als erster Ausländer überhaupt wurde er 1956 zum Fußballer des Jahres gewählt und zu seinem Abschiedsspiel bei Manchester City, wo er bis heute verehrt wird, kamen 70.000 Menschen.
Bert Trautmann im Jahr 2009.
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Nach seiner aktiven Karriere und zwei kurzen Gastspielen als Trainer von Preußen Münster und Opel Rüsselsheim arbeitete Trautmann als Fußball-Entwicklungshelfer in Afrika und Asien und unterstütze zahlreiche Jugendprojekte. 2008 erhielt er den Walther-Bensemann-Preis und seit 2014 trägt der Platz seines Jugendvereins Tura Bremen seinen Namen.
Vorbild für die Kraft des Sports
"Bert Trautmann steht für die Kraft des Sports, für Frieden und Verständigung zu wirken", sagt Ekkehard Lentz ehemaliger Tura-Pressesprecher und Initiator einer Wanderausstellung über Bert Trautmann, gegenüber ZDFsport.
Vor ein paar Tagen erschien nun auch eine Briefmarke für den 2013 in seiner letzten Wahlheimat Spanien gestorbenen Trautmann. Darauf passen leider nicht die Sätze, die er 1966 nach dem WM-Finale England gegen Deutschland (4:2) sagte und die heute als weisester aller Kommentare zum 2017 eingeführten Videobeweis gelesen werden können.
Trautmanns Vermächtnis: Mensch bleiben
"Zum Sport gehört es, auch diese Dinge hinzunehmen", sagte er über das umstrittene Wembley-Tor. In der Biografie "Trautmanns Weg" sagte er einmal: "Das ist eine Frage der Moral! Und wie die deutsche Mannschaft diese spielentscheidende Phase in Wembley überstand (…) war ein Sieg des sportlichen Gedankens! Wir alle sollten Fairplay üben und die Dinge endlich als gegeben ansehen. Nichts ist menschlicher als der Irrtum und man muss ja schließlich Mensch bleiben."