Dortmund gegen FC Bayern: Die Wochen der Wahrheit beginnen

Die Szene ist witzig - und sie lässt tief blicken: Zu sehen ist Deniz Undav, Profi beim VfB Stuttgart, der bei einer Pressekonferenz im Vorfeld des Länderspiels der deutschen Mannschaft in Frankreich darüber berichtet, wie toll es für ihn und seine VfB-Kollegen Chris Führich, Maximilian Mittelstädt und Waldemar Anton sei, in den erlauchten Kreis der DFB-Auswahl vorgestoßen zu sein.

Unter anderem blühe im Team der Flachs, es werde dann im internen Smalltalk gesagt, "wir reden gar nicht mehr mit Nicht-Nationalspielern". Daneben saß der Dortmunder Niclas Füllkrug, der mit dem für ihn typischen breitem Grinsen, das seine charakteristische Zahnlücke entblößte, ergänzte: "Der Spaß würde bei uns in der Kabine nicht so gut ankommen."

Wie der Gag bei der kickenden Belegschaft im Revier aufgenommen wurde, ist nicht verbrieft.

Fest steht, dass die hochdekorierten Stars des BVB bei Bundestrainer Julian Nagelsmann zweieinhalb Monate vor Beginn der Heim-EM kaum noch eine Rolle spielen. Füllkrug kam gegen Frankreich und die Niederlande spät ins Spiel - wobei er gegen die Holländer das Spiel entschied, gehörte aber nicht zum Stammpersonal.

Seine Kollegen Mats Hummels, Nico Schlotterbeck, Niclas Süle, Emre Can, Julian Brandt, Marco Reus und Karim Adeyemi sind sogar ganz außen vor.

Die Zeit drängt, hat Nagelsmann unmissverständlich verkündet. Er werde ab sofort keine Rücksicht mehr auf Namen und Reputation nehmen, für ihn zähle einzig und allein die Form. Und die - so die deutliche Rückmeldung an die BVB-Profis - reicht für höhere Weihen nicht aus. Der Ist-Zustand ist ernüchternd, das börsenorientierte Fußballunternehmen Borussia Dortmund muss das mit Sorge registrieren.

BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke und seine Mitstreiter haben die acht deutschen Nationalspieler in ihrem Kader auch deshalb verpflichtet, um auch auf dieser Bühne sichtbar zu sein. Nun findet nur einer von ihnen Berücksichtigung, und das in der zweiten Reihe.

Auch das spiegelt eine Saison mit Licht und Schatten. Für Trainer Edin Terzic zeitigt die Degradierung seiner Profis den willkommenen Nebeneffekt, dass er während der Länderspielpause große Teile seiner Belegschaft um sich scharen konnte, um sie auf die kommenden Wochen einzustimmen, die es in sich haben.

Am Samstag (18.30 Uhr / Zusammenfassung ab 22.30 Uhr im sportstudio-Livestream) steht das ewig junge Duell beim Rekordmeister aus München auf dem Programm, das gerne als deutscher Clasico bezeichnet wird. Ein Ausdruck, der die derzeitige Realität nicht wiedergibt.

In der Tabelle ist Leverkusen weit enteilt, die Bayern hecheln hinterher, der BVB betrachtet das Titelrennen aus der Distanz. Es besteht die Gefahr, von Leipzig überholt zu werden.

Als Tabellenvierter geht es darum, die Berechtigung zu erwerben, an den Fleischtöpfen der Champions League zu partizipieren, um den teuren Kader zu finanzieren. Ein anspruchsvolles Unterfangen angesichts des Programms, das in den kommenden Wochen auf den BVB wartet. Es besteht die akute Gefahr, hinter den Verfolger aus Leipzig zurückzufallen.

Trainer Edin Terzic spricht von der "spannendsten Phase, in der alle Entscheidungen getroffen werden". Seine Belegschaft und er seien "bereit, alles zu investieren und freuen uns darauf".

Vor den Wochen der Wahrheit konnten Dortmunds Profis das angeknackste Selbstbewusstsein im Dress der Nationalelf nicht aufpolieren. Mit Ausnahme von Niclas Füllkrug, der das Spiel gegen Holland mit einem kuriosen Treffer mit der Schulter entschied.

Teamkamerad Donyell Malen musste es im orangen Leibchen des Gegners aus nächster Nähe miterleben und sprach hernach von einem "komischen Ding. Hoffentlich macht er das auch am Samstag gegen die Bayern".