Sportler und Parteiwerbung: "Sehr dünnes Eis"

Interview

Sportpolitik-Experte Mittag :Sportler und Parteiwerbung: "Sehr dünnes Eis"

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Welchen Einfluss kann der Sport mit seinen Akteuren auf die Wahl haben? Jürgen Mittag, Professor für Sportpolitik an der Sporthochschule Köln, hat Antworten.

Prof. Dr. Jürgen Mittag, Professor für Sportpolitik und Leiter des Instituts für Europäische Sportentwicklung und Freizeitforschung an der Sporthochschule Köln, spricht während der Podiumsrunde auf dem Sportbusiness Kongress SpoBis
Sportler, die sich in Deutschland für eine Partei aussprechen, könnten "Schiffbruch erleiden", sagt Prof. Jürgen Mittag.
Quelle: Imago / Kirchner-Media

ZDFheute: Bei der Fußball-EM 2024 haben sich einige französische Nationalspieler um Kylian Mbappé offen gegen die rechtspopulistische Partei Rassemblement National gestellt. Ist so etwas auch von deutschen Sportlerinnen und Sportlern vor der Bundestagswahl denkbar?
Dr. Jürgen Mittag: Wir beobachten zwar bei deutschen Sportlerinnen und Sportlern grundsätzlich ein verstärktes gesellschaftspolitisches Engagement, jedoch kein Eintreten für spezifische parteipolitische Kampagnen. In der aktuellen politischen Situation, die durch ein hohes Maß an Mobilisierung und auch Emotionalisierung gekennzeichnet ist, sprechen sich vor allem aber Vereine und Organisationen im Sport für demokratische Grundwerte sowie gegen Extremismus aus.
In diesem Zusammenhang engagieren sich dann auch einzelne Sportlerinnen und Sportler stärker und werden dann bisweilen auch politisch konkreter.
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ZDFheute: Stellen wir Deutschland in den Vergleich zu den USA, wo sich Sportlerinnen und Sportler regelmäßig auch parteipolitisch positionieren ...
Mittag: Gerade in den vergangenen Jahren haben sich einige US-Sportler stark politisiert und sind für ihre Anliegen offensiv eingetreten. Diese Form von Politisierung haben wir in Deutschland und Europa nicht.
ZDFheute: Ist solch ein aktives Handeln in der Zukunft auch in Deutschland denkbar?
Mittag: Deutsche Sportlerinnen und Sportler sehen sich verstärkt mit Erwartungen von Medien und Öffentlichkeit konfrontiert und beziehen gesellschaftspolitisch zunehmend Position. Aber nicht in einer Form, dass ganz konkret für eine Partei geworben oder auch sich gegen Parteien ausgesprochen wird. Und auch nicht auf dem Sportplatz, da dies den Statuten der Sportverbände und -vereinen entgegensteht.
Die viel diskutierte Regel 50 der IOC-Charta wird zwar mittlerweile flexibler gehandhabt, aber es ist festgelegt, dass jegliche "politische, religiöse oder rassistische Demonstration oder Propaganda" an Sportstätten untersagt ist. Im US-Sport wird dies mittlerweile anders gehandhabt, auch weil der Charakter der Ligen und das politische System grundsätzlich anders sind.
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ZDFheute: Die Deutsche Fußball Liga (DFL) und auch der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) rufen aktuell öffentlich zum Wählen auf - und beide stellen dabei ihre Werte und die Demokratie in den Vordergrund. Wie viel können solche Aufrufe von großen Vereinen und Verbänden bewirken?
Mittag: Der DOSB kann sich auf fast 29 Millionen Mitgliedschaften im Sport berufen, das ist die mit Abstand größte Personenvereinigung. Dabei fühlt sich aber nicht jeder unmittelbar angesprochen, zumal der Sport selbst kein hervorgehobenes Wahlkampfthema ist. Dass der Sport allerdings wertgebunden handelt, sollte nicht außer Acht bleiben.
ZDFheute: Könnte sich das auf den Wahlscheinen bemerkbar machen?
Mittag: Untersuchungen der vergangenen Jahre deuten nicht darauf hin, dass Wahlaufrufe von Sportorganisationen einen übermächtigen Einfluss haben - bisweilen aber unterstützend, vielleicht bestärkend oder auch sensibilisierend wirken.
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ZDFheute: Also könnten deutsche Sportlerinnen und Sportler, zum Beispiel Fußball-Nationalspieler, aus Ihrer Sicht Wahlen entscheiden, wenn sie sich öffentlich politisch äußern?
Mittag: Besonders Fußballer haben einen ganz erheblichen Einfluss durch ihre Bekanntheit und durch die öffentliche Aufmerksamkeit, die der Sport erzielt. Auf der anderen Seite bewegen sich die Aktiven, wenn sie sich politisch betätigen, auch auf sehr dünnem Eis. Wer sich zu weit hervorwagt, wogntmöglich stärker polarisiert oder nicht die richtigen Worte findet, kann mit seiner gesellschaftspolitischen Betätigung auch durchaus Schiffbruch erleiden.
Allgemeine gesellschaftliche Anliegen wie das Eintreten für Demokratie und für Zusammenhalt werden infolgedessen auch unterstützt. Bei Stellungnahmen, die konkreter auf parteipolitische Präferenzen oder Ausrichtungen schließen lassen, wird hingegen eher Zurückhaltung an den Tag gelegt. Zumindest bei den Aktiven im Sport - nach der aktiven Karriere kann das dann anders aussehen.  
Das Interview führte Franziska Müllers

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Quelle: Reuters

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