Welthungerhilfe: Ernährungsprobleme "extrem verstärkt"

    Jahresbericht Welthungerhilfe:Ernährungsprobleme "extrem verstärkt"

    von Marcel Burkhardt
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    Kriege und Klimaextreme erschüttern das globale Ernährungssystem: 735 Millionen Menschen leiden unter chronischem Hunger. Die Welthungerhilfe warnt vor einem fatalen Trend.

    Marlehn Thieme blickt an diesem Donnerstag auf ein Katastrophenjahr zurück. Die Folgen des Klimawandels sowie zahlreicher bewaffneter Konflikte und Kriege haben die Ernährungsprobleme in der Welt "extrem verstärkt", konstatiert die Präsidentin der Welthungerhilfe anlässlich der Präsentation des Jahresberichts der Hilfsorganisation.

    Grundnahrungsmittel wurden unerschwinglich und der Hunger ist dadurch weltweit weiter auf dem Vormarsch.

    Marlehn Thieme, Präsidentin der Welthungerhilfe

    Nach aktuellen Zahlen der Vereinten Nationen leiden circa 735 Millionen Menschen unter chronischem Hunger; das sind 9,2 Prozent der Weltbevölkerung  und 122 Millionen mehr als 2019, vor Ausbruch der Corona-Pandemie.
    Eine der extremen Folgen: Alle 13 Sekunden stirbt ein Kind unter fünf Jahren an den Folgen von Hunger.

    Konflikte machen Entwicklungshilfe zunichte

    "Hungerkrisen entwickeln sich zu Katastrophen", so beschreibt Thieme die Folgen von Kriegen, Überschwemmungen und Dürren für Millionen Familien vor allem im südlichen Afrika, in Asien und im arabischen Raum.
    Die gestiegene Anzahl bewaffneter Konflikte sowie die Klimakrise haben humanitäre Helfer "stark zurückgeworfen", sagt Thieme. Mathias Mogge, Generalsekretär der Welthungerhilfe, ergänzt: "Wir spüren, dass sich die Handlungsfähigkeit von zivilgesellschaftlichen Akteurinnen und Akteuren weiter einschränkt."
    Der Grund: Der Trend zu Repressionen setzt sich in vielen Staaten fort. Dort verschlechtert sich die Sicherheitslage für zivile Helfer zusehends.

    Kritik an Etatkürzungsplänen der Bundesregierung

    Dem fatalen Trend zum Trotz bekräftigt die Welthungerhilfe ihr Ziel, im Verbund mit anderen nationalen und internationalen Hilfsorganisationen, "den Hunger in der Welt bis 2030 besiegen" zu wollen. Nötig hierfür seien aber vor allem das Beilegen bewaffneter Konflikte und der politische Wille, den Kampf gegen Hunger ausreichend zu finanzieren.
    In dem Zusammenhang kritisiert die Welthungerhilfe die Pläne der Bundesregierung, 2024 die finanziellen Mittel für humanitäre Hilfe um eine Milliarde Euro zu kürzen sowie den Etat des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung um 700 Millionen Euro zu senken.
    Schaltgespräch zwischen ZDF-Korrespondentin Katrin Eigendorf und Anna-Maria Schuck.
    Die wirtschaftliche Lage der Menschen in Afghanistan wird von Woche zu Woche schlechter. Millionen hungern, es droht ein katastrophaler Winter. Wirtschaftshilfe nur an Hilfsorganisationen zu leisten fordert ZDF-Korrespondentin Katrin Eigendorf.13.10.2021 | 3:33 min

    Bedarf an humanitärer Hilfe so groß wie nie zuvor

    "Das sendet ein völlig falsches Signal", sagt Mathias Mogge. "Die Bundesregierung kürzt die Mittel in Zeiten größter Not." Denn noch nie seien global so viele Menschen auf humanitäre Hilfe angewiesen wie derzeit.

    Die Bundesregierung sollte für mehr und verlässliche Finanzierung sorgen, statt Mittel zu kürzen.

    Mathias Mogge, Generalsekretär der Welthungerhilfe

    Als "absolut inakzeptabel" bezeichnet auch Martina Schaub, die Vorstandsvorsitzende des Verbands Entwicklungspolitik und humanitäre Hilfe (VENRO), die geplanten Haushaltskürzungen: "Die Bundesregierung gefährdet mit diesen Kürzungen das Leben, die Sicherheit und die Zukunft derjenigen, die in Notlagen sind."
    Dagegen sei die Förderung nachhaltiger Projekte von großer Bedeutung im Kampf gegen Armut, Hunger und Schäden infolge des Klimawandels.

    Überlebenshilfe und Eröffnen von Perspektiven

    Die Welthungerhilfe bemüht sich indes, den Blick auch auf die Erfolge der humanitären Hilfe zu richten: Zusätzlich zur schnellen Überlebenshilfe in Kataststrophengebieten zählt dazu vielerorts das Eröffnen von Perspektiven für ein selbstbestimmtes Leben.
    • Beispiel Uganda: In dem afrikanischen Land trinkt derzeit noch mehr als die Hälfte der Bevölkerung Wasser aus unsicheren Quellen, was zu vielen Krankheiten und sehr oft zum Tod von Kleinkindern führt. Die Welthungerhilfe beteiligt sich an einem sozialen Unternehmen, das Keramikfilter herstellt, um Menschen mit sauberem Trinkwasser zu versorgen.
    • Beispiel Südsudan: In einem der ärmsten Staaten der Welt unterstützt die Hilfsorganisation im Rahmen der "Hilfe zur Selbsthilfe" Kleinbauern finanziell, wenn diese beim Aufbau von Schulen, Straßen und Märkten mitarbeiten.
    • Beispiel Haiti, Dominikanische Republik, Kuba: Dort unterstützt die Welthungerhilfe gemeinsam mit nationalen Partnern und der Tropenwaldstiftung OroVerde das Aufforsten von Wäldern und eine bodenschonende, ertragreiche Landwirtschaft.
    Den Folgen des Klimawandels zu begegnen, sei heute bereits ein Schwerpunkt der Arbeit, teilt die Welthungerhilfe mit. Die "Klimawald"-Projekte sollen verstärkt Umweltschutz- und Ernährungssicherheitsziele miteinander verbinden.

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