Wehrbeauftragte Högl schlägt Musterung für alle vor
Keine Rückkehr zur Wehrpflicht:Högl schlägt Musterung für alle vor
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Die Wehrbeauftragte plädiert für eine allgemeine Musterung junger Menschen. So könne man für ein freiwilliges Engagement für Deutschland werben.
Eine Musterung in einem Kreiswehrersatzamt im Jahr 2007. Archivbild
Quelle: dpa
Mit Blick auf die Nachwuchsgewinnung der Bundeswehr hat die Wehrbeauftragte Eva Högl vorgeschlagen, künftig alle jungen Menschen eines Jahrgangs zur Musterung einzuladen.
Musterung für alle jungen Menschen
Die SPD-Politikerin sprach sich in einem Interview des Nachrichtenportals "t-online" gegen eine Rückkehr zur Wehrpflicht aus. Aber die Idee eines verpflichtenden "Dienstjahres für Deutschland", das im zivilen oder militärischen Bereich abgeleistet werden könne, finde sie "diskussionswürdig".
Diese Musterung sollte sich dann an alle Geschlechter richten, forderte Högl.
Bundeswehr: Dienst für Deutschland
Högl lehnt Wehrpflicht ab
"Die Aussetzung der Wehrpflicht in Deutschland wieder rückgängig zu machen, hilft überhaupt nicht", betonte die Wehrbeauftragte des Bundestags. "Wir haben nicht genügend Ausbilder und nicht genügend Infrastruktur dafür."
Die Wehrpflicht war 2011 nach 55 Jahren unter dem damaligen CSU-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg ausgesetzt worden, was in der Praxis einer Abschaffung von Wehr- und Zivildienst gleichkam.
Seit Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine ist das Thema neu in den Blickpunkt gerückt. Högl forderte etwa Anfang des Jahres, jetzt eine Debatte zu beginnen - "auch über die Frage, wie viel Zwang, wie viel Freiwilligkeit nötig ist". "Wir brauchen auf jeden Fall mehr Personal bei der Bundeswehr", sagte sie damals der "Augsburger Allgemeinen".
Linke: "Schritt zur Militarisierung der Gesellschaft"
Die Linke kritisierte den Vorstoß Högls scharf. "Die von der Wehrbeauftragten geforderte verpflichtende Musterung wäre ein Schritt zur Militarisierung der Gesellschaft", sagte Bundesgeschäftsführer Tobias Bank. "Es besteht keine reale Gefährdungslage, die derartige Eingriffe in das Selbstbestimmungsrecht junger Menschen rechtfertigt."
Die Bundeswehr bekomme mit einer verpflichtenden Musterung "nicht nur kostenlose Gelegenheit zur Rekrutierung junger Menschen", so Bank. Dies sei auch "effektiv eine vorbereitende Maßnahme zur Wiedereinführung einer Wehrpflicht". "Statt einer Militarisierung der Gesellschaft brauchen wir eine Entmilitarisierung der Außenpolitik", betonte Bank die Haltung seiner Partei.
Allgemeine Dienstpflicht oder verpflichtendes Gesellschaftsjahr
Kanzler Olaf Scholz und Verteidigungsminister Boris Pistorius (beide SPD) sprachen sich klar gegen eine Rückkehr zur Wehrpflicht aus. Pistorius machte aber im Februar deutlich, dass er gute Argumente für eine allgemeine Dienstpflicht zur Stärkung von Katastrophenschutz, Bundeswehr und Rettungsdiensten sieht. Die jungen Menschen müssten in der Frage gehört werden, sagte er. Die FDP meldete rechtliche und politische Bedenken gegen eine solche Dienstpflicht an.
Sollten junge Leute nach der Schule erst mal etwas für die Allgemeinheit tun? 18.02.2023 | 1:50 min
Das bedeutet allgemeiner Pflichtdienst
Die CDU hatte sich im September auf einem Parteitag für die bundesweite Einführung eines verpflichtenden Gesellschaftsjahrs ausgesprochen. Wo die jungen Menschen den Dienst absolvieren können, solle möglichst flexibel ausgelegt werden, "sei es bei sozialen Einrichtungen, in Krankenhäusern, bei der Bundeswehr, im Zivilschutz beim THW oder bei der Feuerwehr, über anerkannte Hilfsorganisationen im Ausland oder im Sport und in der Kultur oder bei Natur- und Umweltschutzverbänden".
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hatte bereits vor rund einem Jahr eine Debatte über die Einführung einer sozialen Pflichtzeit angestoßen.
Welche Freiwilligendienste gibt es?
Mit der Aussetzung des Wehrdienstes ist auch der Zivildienst entfallen. Dafür hat die Bundesregierung 2011 den Bundesfreiwilligendienst (BFD) ins Leben gerufen. Dieser richtet sich an Frauen und Männer in jedem Alter, die sich ehrenamtlich für das Gemeinwohl in Deutschland einsetzen möchten. Der Dienst dauert in der Regel zwölf Monate. Mindestens sind 6 Monate und höchstens 18 Monate vorgesehen. Im Juli 2018 leisteten 39.089 Menschen einen solchen Dienst. Rund 12 Prozent sind über 50 Jahre alt. Teilnehmer erhalten ein Taschengeld.
Seit Aussetzung der allgemeinen Wehrpflicht zum 1. Juli 2011 gibt es den neuen freiwilligen Wehrdienst (FWD). Der FWD dauert bis zu 23 Monate. Bewerber müssen mindestens 17 Jahre alt sein. Die Bewerberzahlen gehen seit Jahren zurück - auch, weil die Bundeswehr Bewerber lieber für eine Karriere als Zeitsoldat gewinnen will. Wie die "Bild"-Zeitung berichtete, bewarben sich von Januar bis Juni 2018 rund 6.000 Männer und Frauen für den Freiwilligen Wehrdienst. Das ist ein Rückgang von 22 Prozent im Vergleich zu den 7.700 Bewerbern im ersten Halbjahr 2017. Die Bewerberzahlen im Bereich Zeitsoldaten stiegen von 42.900 im Jahr 2016 auf 43.800 im Jahr 2017.
Wie der vom Bund getragene BFD zielen auch die in die Hoheit der Bundesländer fallenden Jugendfreiwilligendienste (Freiwilliges Soziales und Ökologisches Jahr) darauf ab, ein freiwilliges, am Gemeinwohl orientiertes Engagement zu fördern. Im Unterschied zum BFD richten sich das Freiwillige Soziale Jahr (FSJ) und das Freiwillige Ökologische Jahr (FÖJ) aber speziell an junge Menschen zwischen 16 und 27 Jahren. Anders als beim BFD kann der Dienst im FSJ oder FÖJ auch im Ausland geleistet werden. Aktuellen Angaben des Bundesfamilienministeriums zufolge machen zurzeit rund 53.000 ein FSJ, rund 3.000 ein FÖJ. Hinsichtlich Dienstzeit, Taschengeld und Sachbezügen sowie beim umfassenden Sozialversicherungsschutz gelten grundsätzlich dieselben Vorgaben wie beim BFD.
Zusätzlich gibt es spezielle internationale Freiwilligendienste, die nur im Ausland absolviert werden können und von unterschiedlichen Trägern unterstützt werden:
Der IJFD wird vom Bundesfamilienministerium finanziert. 130 Träger bieten rund 3.000 jungen Leuten pro Jahr die Möglichkeit, sich für das Gemeinwohl in ausländischen Projekten zu engagieren.
kulturweit ist der internationale Kultur-Freiwilligendienst des Auswärtigen Amtes in Kooperation mit der Deutschen Unesco-Kommission. Einsatzstellen sind in der Regel Auslandsinstitute von Organisationen der Kultur- und Bildungspolitik mit Sitz in Deutschland (zum Beispiel Goethe-Institute, Deutsches Archäologisches Institut, Deutsche Schulen im Ausland). Freiwillige müssen zwischen 18 und 26 Jahre alt sein, der Dienst dauert 6 oder 12 Monate. Seit 2009 haben 3.442 Freiwillige an kulturweit teilgenommen.
Der vom Entwicklungsministerium getragene entwicklungspolitische Freiwilligendienst "weltwärts" bietet seit 2008 die Möglichkeit, in Entwicklungsländern bei der Armutsbekämpfung mitzuarbeiten. Arbeitsfelder können zum Beispiel sein: Gesundheit, Landwirtschaft, Bildung, Menschenrechte, Umweltschutz, Demokratieförderung, Jugendbeschäftigung, Not- und Übergangshilfe oder Sport. Freiwillige müssen zwischen 18 und 28 Jahre alt sein. Der Freiwilligendienst dauert zwischen 6 und 24 Monaten. In den vergangenen 10 Jahren haben mehr als 34.000 junge Menschen aus Deutschland und der Welt an dem Programm teilgenommen.
Der Europäische Freiwilligendienst (EFD) ist ein Teil des EU-geförderten Programms "Erasmus+ Jugend in Aktion". Bei dem Dienst arbeiten und leben junge Menschen (einzeln oder in Gruppen) für eine bestimmte Zeit in einem gemeinnützigen Projekt im Ausland. Freiwillige müssen zwischen 17 und 30 Jahre alt sein. Der Freiwilligendienst dauert zwischen 2 und 12 Monate. Kürzere Projekte ab zwei Wochen sind unter bestimmten Voraussetzungen möglich.
Das Europäische Solidaritätskorps ist eine neue Initiative der Europäischen Union. Es ermöglicht jungen Leuten zwischen 17 und 30 Jahren, an Freiwilligen- oder Beschäftigungsprojekten im eigenen Land oder im Ausland teilzunehmen. Inhaltlich geht es um Katastrophenvorsorge oder Wiederaufbau nach Naturkatastrophen, Hilfe in Aufnahmezentren für Asylsuchende oder die Bewältigung sozialer Probleme in lokalen Gemeinschaften. Die Einsatzorte liegen meist in den EU-Ländern.
Quelle: KNA
Geplante Aufstockung der Bundeswehr schwer umsetzbar
Pistorius stellte jüngst infrage, ob das Ziel der Aufstockung der Bundeswehr auf 203.000 Soldatinnen und Soldaten bis 2031 eingehalten werden kann. "Ich wage keine Prognose, ob wir die Zahl erreichen können", sagte der er am Donnerstag bei einem Besuch im Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr in Köln.
Högl, zweifelt dass der vom Verteidigungsministerium angestrebte Personalplan umsetzbar ist
Seit der Corona-Pandemie gebe es einen Einbruch bei den Bewerberzahlen. Man arbeite daran, dieses Tal zu verlassen. Als Gründe nannte er etwa den Fachkräftemangel und den demografischen Wandel. Bei der Bundeswehr gibt es aktuell rund 183.000 Soldatinnen und Soldaten.