Wirbel um Hetz-Flugblatt: Nun bekennt sich Aiwangers Bruder
Antisemitismus-Vorwürfe:Aiwanger-Bruder: Bin Verfasser des Flugblatts
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Bayerns Vize-Ministerpräsident Hubert Aiwanger weist den Vorwurf zurück, als Schüler ein antisemitisches Flugblatt verfasst zu haben. Nun bekennt sich sein Bruder Helmut dazu.
Bayerns Vize-Ministerpräsident Hubert Aiwanger hat Vorwürfe zurückgewiesen, als Schüler ein antisemitisches Flugblatt verfasst zu haben. Über einen Sprecher ließ er in einer schriftlichen Erklärung mitteilen:
Kurz darauf räumte der ein Jahr ältere Bruder Aiwangers, Helmut Aiwanger, ein:
In einer persönlichen Erklärung, die ein Freie-Wähler-Sprecher weiterleitete und die der Bruder selbst in einem Telefonat mit der Deutschen Presse-Agentur bestätigte, hieß es: "Ich distanziere mich in jeder Hinsicht von dem unsäglichen Inhalt und bedauere sehr die Folgen dieses Tuns. Ich war damals total wütend, weil ich in der Schule durchgefallen war. Ich war damals noch minderjährig."
ZDF-Korrespondent: Ganze Reihe Fragen offen
"Auch wenn sich nun der Bruder zu erkennen gegeben hat als Verfasser dieses Dokuments, bleiben doch eine ganze Reihe von Fragen, die Aiwanger begleiten werden", glaubt ZDF Korrespondent Stefan Leifert in München. Beispielsweise: Wie kommen die Brüder zu so einem antisemitischen Pamphlet im Haus Aiwanger? Der Tag zeige, "wie schmutzig die nächsten Wochen werden könnten".
Und, so Leifert weiter, "es zeigt, was auf dem Spiel steht: Die Reputation eines bayerischen Vizeministerpräsidenten auf der einen Seite und auf der anderen die von Bayerns wichtigster Zeitung". Da stehe "Aussage gegen Aussage, beide Seiten bleiben bei ihren Versionen". Hubert Aiwanger werde mit der Version in den Wahlkampf in Bayern gehen, dass eine Hetzkampage gegen ihn laufe. "Das Ganze könnte in einer juristischen Auseinandersetzung vor Gericht münden."
Aiwanger ging damals in die 11. Klasse
Die "Süddeutsche Zeitung" hatte berichtet, dass Hubert Aiwanger als Schüler das antisemitische Flugblatt verfasst und an seiner Schule verbreitet haben soll. Die "SZ" berief sich dabei auf "mehrere Personen".
Aiwanger, so die Aussage dieser Personen gegenüber der "SZ", sei damals, im Schuljahr 1987/88, als Verfasser des Schriftstücks "zur Verantwortung gezogen" worden. Der Disziplinarausschuss der Schule, ein Gymnasium im niederbayerischen Mallersdorf-Pfaffenberg, habe sich daraufhin mit dem Fall befasst. Aiwanger sei damals in die 11. Klasse gegangen.
"Bei mir als damals minderjährigem Schüler wurden ein oder wenige Exemplare in meiner Schultasche gefunden", erklärte Aiwanger. "Daraufhin wurde ich zum Direktor einbestellt. Mir wurde mit der Polizei gedroht, wenn ich den Sachverhalt nicht aufkläre."
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Als Ausweg sei ihm angeboten worden, ein Referat zu halten. "Dies ging ich unter Druck ein. Damit war die Sache für die Schule erledigt." Aiwanger fügte hinzu: "Ob ich eine Erklärung abgegeben oder einzelne Exemplare weitergegeben habe, ist mir heute nicht mehr erinnerlich. Auch nach 35 Jahren distanziere ich mich vollends von dem Papier."
Über einen Sprecher hatte Freie-Wähler-Chef Aiwanger der "SZ" bereits zuvor mitgeteilt, er habe "so etwas nicht produziert" und eine "Schmutzkampagne" beklagt.
Maschinengeschriebenes Flugblatt ist eine halbe Seite lang
Das Dokument, von dem dem ZDF ein Screenshot vorliegt, ruft zur Teilnahme an einem angeblichen Bundeswettbewerb auf unter dem Titel: "Wer ist der größte Vaterlandsverräter?" Bewerber sollten sich "im Konzentrationslager Dachau zu einem Vorstellungsgespräch" melden, ist dort zu lesen.
Als Preise seien unter anderem "ein Freiflug durch den Schornstein in Auschwitz", "ein kostenloser Genickschuss" oder "ein lebenslänglicher Aufenthalt im Massengrab" zu gewinnen. Das Dokument ist mit einer Schreibmaschine verfasst und eine halbe DinA4-Seite lang.
Ministerpräsident Söder fordert Aufklärung
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) forderte Aiwanger am Samstag auf, die Vorwürfe aufzuklären, "und zwar vollständig". Das Flugblatt sei "menschenverachtend, geradezu eklig", sagte der CSU-Chef dem ZDF am Rande einer Veranstaltung in Augsburg.
Sollten sich die Vorwürfe bestätigen, würde es wohl schwer, Aiwanger als Stellvertreter und Koalitionspartner zu halten. Ohnehin wird in Bayern am 8. Oktober ein neuer Landtag gewählt.
Wahlkampf in Bayern. Doch das Verhältnis zwischen CSU-Chef Söder und Freie-Wähler-Chef Aiwanger ist schon eine Weile angespannt.22.07.2023 | 4:22 min
Opposition fordert Sondersitzung des Bayerischen Landtags
Bayerns SPD fordert eine Sondersitzung des Bayerischen Landtags. "Es ist unvorstellbar, dass ein Verfasser derartiger Zeilen im Bayerischen Landtag sitzt oder auch nur einen Tag länger ein öffentliches Amt in unserem Land bekleidet", sagt der bayerische SPD-Chef Florian von Brunn.
Auch Bayerns Grüne reagieren entsetzt: "Dieses Flugblatt verhöhnt die Opfer des Holocaust. Wer so denkt, schreibt und redet, zeigt seinen Antisemitismus klar und deutlich", sagt Spitzenkandidatin Katharina Schulze. "Wenn die Vorwürfe sich bewahrheiten, dann muss Markus Söder Hubert Aiwanger entlassen."
Die FDP fordert Aiwanger zu einer persönlichen Erklärung auf: "Der Inhalt des Flugblatts schockiert mich zutiefst. Hubert Aiwanger muss sich persönlich erklären und die Vorwürfe ausräumen", sagt Bayerns FDP-Chef Martin Hagen. "Antisemitismus und rechtsextremes Gedankengut haben in Bayern keinen Platz."
Einst galt Freie-Wähler-Chef Aiwanger als ideale Lösung für Söders Suche nach einem Koalitionspartner. Nun aber wird er - kurz vor der Landtagswahl - zum Problem für die CSU.