Baustopps für Radwege:Dreht Berlin die Verkehrswende zurück?
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Fahrradsymbole werden durchgestrichen und Autos dürfen wieder auf der Friedrichstraße fahren - in Berlin werden Dutzende Fahrradprojekte gestoppt. Kurz nach dem Regierungswechsel.
Kein Radweg mehr: Auf der Ollenhauer Straße im Berliner Bezirk Reinickendorf.
Quelle: dpa
Wo mehr Platz und Sicherheit für den Radverkehr geplant waren, stehen nun weiter Autos: Auf der Ollenhauer Straße im Berliner Bezirk Reinickendorf zeigte sich zuletzt ein Aspekt der neuen Hauptstadt-Verkehrspolitik derzeit besonders bildhaft. Die Fahrradsymbole auf dem bereits eingerichteten Radstreifen wurden mit gelben Streifen überklebt.
Dutzende weitere geplante Fahrrad- und Radschnellwege hat der CDU-geführte Senat vorerst gestoppt. Und ein rund 500 Meter langer Abschnitt auf der Berliner Friedrichstraße - einer bekannten Einkaufsmeile - ist an diesem Wochenende für den Autoverkehr wieder freigegeben worden.
Viele Metropolen erneuern ihre Verkehrspolitik - Berlin nicht
Angesichts der Klimakrise haben in den vergangenen Jahren viele europäische Metropolen ihre Verkehrspolitik neu ausgerichtet. Paris, Barcelona, Mailand oder London versuchen, unter anderem mit Tempo-30-Zonen und Innenstadt-Fahrverboten, den Autoverkehr einzudämmen.
Andere Städte wie Kopenhagen oder Amsterdam haben bereits vor Jahrzehnten damit begonnen, die Infrastruktur für den Radverkehr zu priorisieren. Und auch Berlin hatte mit einem ambitionierten Mobilitätsgesetz bundesweit Maßstäbe gesetzt.
Doch nun befürchten viele, dass der neue Senat - seit der Wiederholungswahl im Februar CDU-geführt - alles wieder zurückdreht.
Mit dem dritten Wahlgang wurde Kai Wegner zum Bürgermeister von Berlin gewählt. Auch die Senatorenposten sind bereits verteilt.28.04.2023 | 1:57 min
Protest gegen Baustopps für Radwege
Tausende Menschen protestierten am vergangenen Wochenende auf einer Fahrraddemo gegen die vorläufigen Baustopps für Radwege und gegen eine weitere Stärkung des Autoverkehrs. "Die Berliner CDU profiliert sich mit einer Anti-Fahrrad-Politik auf Kosten der Sicherheit von Kindern und Senioren", kritisiert Robin Kulpa, Verkehrsexperte bei der Deutschen Umwelthilfe (DUH).
Die Senatsverwaltung versucht seither, die Wogen zu glätten. Der Stopp der Radwege sei nur vorübergehend, betont Verkehrssenatorin Manja Schreiner (CDU). Sie sollen überprüft und priorisiert werden und schon bald öffnen.
Der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) kündigte zudem jüngst an, beim Radwegeausbau deutlich mehr Tempo machen zu wollen als die Vorgängerregierung. Mit einer Politik "gegen das Auto" sei unter ihm allerdings Schluss, betonte er. Ambitionierte Verkehrswende klingt für viele anders.
- Im vergangenen Jahr stieß der Verkehr in Deutschland Berechnungen des Umweltbundesamts zufolge rund neun Millionen Tonnen mehr CO2 aus, als laut Klimaschutzgesetz für 2022 zulässig gewesen wäre.
- Zwischen 1990 und 2021 erhöhte sich der jährliche CO2-Ausstoß im Straßenverkehr laut Statistischem Bundesamt um mehr als 20 Prozent.
- Dabei müssen die Treibhausgasemissionen im Verkehr laut Gesetz bis 2030 im Vergleich zu 1990 halbiert werden.
- Mit den derzeit beschlossenen Maßnahmen der Politik sei dieses Ziel nicht zu erreichen, teilte das UBA im März mit. Ein wesentlicher Treiber bei den Emissionen ist der Autoverkehr. Quelle: dpa
Berlin galt lange als Vorbild für die Verkehrswende
Über Jahre hinweg galt Berlins Verkehrspolitik als Vorbild für die Verkehrswende. 2018 verabschiedete die damalige Landesregierung das sogenannte Mobilitätsgesetz. Die Eckpunkte hatte der Senat gemeinsam mit Fahrrad- und Umweltverbänden und nicht zuletzt auf Treiben der Initiative "Volksentscheid Fahrrad" entwickelt. Der Kern: Der Fahrradverkehr soll in der Hauptstadt Vorrang haben vor dem Autoverkehr.
Bis 2030 schreibt das Gesetz in Berlin ein dichtes Fahrradwegenetz aus Radschnellwegen und gewöhnlichen Routen mit einer Gesamtlänge von 2.700 Kilometern vor. Zwar kam der Senat bei diesem Vorhaben bislang nur langsam voran. Doch insbesondere während der Corona-Pandemie entstanden vielerorts sogenannte Pop-up-Radwege, für die immer mehr Parkplätze und Autofahrspuren weichen mussten.
Hauptstadt hat Vorbildfunktion
Treiber dieser Verkehrspolitik war aus Sicht des Verkehrsforschers Thorsten Koska stets die Berliner Bevölkerung. "Es ist auch deshalb ein so progressives Gesetz geworden, weil es eine zivilgesellschaftliche Initiative gegeben hat", sagt der Co-Leiter des Forschungsbereichs Mobilität und Verkehrspolitik beim Wuppertal Institut, einer gemeinnützigen Forschungseinrichtung.
"In Berlin ist es insofern unglücklich gelaufen, es muss aber nicht so laufen", sagt Verkehrsforscher Koska. Vielmehr müssten die Menschen von den Vorteilen einer fahrrad- und fußgängerfreundlichen Politik überzeugt werden.
Eine ambitionierte Verkehrswende in Berlin werde auch andernorts wahrgenommen, sagt er.
Quelle: Matthias Arnold, dpa
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