EU-Parlament zweifelt an Ratspräsidentschaft Ungarns
Rechtsstaatliche Bedenken:EU-Parlament zweifelt an Ratsvorsitz Ungarns
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Im kommenden Jahr soll Ungarn die EU-Ratspräsidentschaft übernehmen. Bedenken daran wurden bereits laut - jetzt hat das Parlament in Brüssel diese mit einer Resolution bekräftigt.
Im Januar 2024 soll Ungarn die EU-Ratspräsidentschaft übernehmen. (Archivbild)
Quelle: reuters
Das Europäische Parlament hat die Eignung Ungarns für die EU-Ratspräsidentschaft in Zweifel gezogen. Das Parlament frage sich, ob Ungarn in der Lage sei, "diese Aufgabe angesichts der Nicht-Achtung von Recht und Werten" der EU "in glaubwürdiger Weise" zu erfüllen, hieß es in einer am Donnerstag verabschiedeten Resolution des Parlaments. Die zuständige Berichterstatterin Gwendoline Delbos-Corfield (Grüne) sagte:
Die Resolution wurde mit 442 Ja-Stimmen angenommen, 144 Abgeordnete waren dagegen, 33 enthielten sich. Sie ist nicht bindend, weshalb es als unwahrscheinlich gilt, dass Ungarn die für Juli 2024 geplante Übernahme der EU-Ratspräsidentschaft entzogen werden könnte.
Mit dieser Agenda hatte Anfang Januar 2023 Schweden den EU-Ratsvorsitz übernommen.
Ministerpräsident Viktor Orbán regiert Ungarn seit Jahren fast im Alleingang. 31.03.2022 | 43:13 min
EU-Parlament prangert "systemische Korruption" in Ungarn an
In der Resolution ist unter anderem von "systemischer Korruption" in Ungarn die Rede. Zudem wird das Regieren per Dekret angeprangert sowie die Bedrohung der Rechte von Lehrern oder auch Menschen der LGBT+-Community.
LGBT ist die englische Abkürzung für lesbisch, schwul, bisexuell und Transgender: Lesbian, Gay, Bisexual, Transsexual/Transgender.
Oft wird auch die Variante LGBTQ verwendet. Sie umfasst zusätzlich zu LGBTdie Identifikation als queer: Lesbian, Gay, Bisexual, Transsexual/Transgender, Queer.
Weitere Varianten sind LGBTQI oder LGBTQIA+, hier wird Intersexualität und Asexualität eingeschlossen: Lesbian, Gay, Bisexual, Transsexual/Transgender, Queer, Intersexual und Asexual. Das + (manchmal auch *) dient als Platzhalter für weitere Geschlechtsidentitäten.
LSBTI ist die gängigste deutschsprachige Bezeichnung für Lesben, Schwule, Bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche Menschen.
Quelle: dpa/ZDF
Das Parlament forderte die EU-Mitgliedstaaten angesichts dieser Probleme auf, "so bald wie möglich eine geeignete Lösung zu finden". Andernfalls könne das Parlament auch "entsprechende Maßnahmen ergreifen".
Grünen-Politikerin kritisiert Ungarns Kurs im Ukraine-Krieg
Bereits am Dienstag hatte Europa-Staatsministerin Anna Lührmann (Grüne) gesagt, sie habe "Zweifel daran, inwieweit es Ungarn gelingen kann, eine erfolgreiche Ratspräsidentschaft zu führen".
Lührmann führte aus, Ungarn sei "momentan in der EU isoliert wegen Problemen bei der Rechtsstaatlichkeit, die wirklich gravierend sind". Zudem lasse das Land immer wieder mangelnde Unterstützung für die Ukraine im russischen Angriffskrieg erkennen.
Erst vor kurzem hatte Ungarn weitere Militärhilfen der EU an die Ukraine blockiert.
Aussetzen der Ratspräsidentschaft Ungarns wäre Novum
In der EU übernimmt alle sechs Monate ein anderes Land den Vorsitz im Ministerrat. Bisher ist es noch nie vorgekommen, dass einer der 27 Mitgliedstaaten übergangen wurde. Und auch das Europaparlament habe "mit seiner Resolution nur wenig tatsächliche Macht", erklärt ZDF-Korrespondentin Isabelle Schaefers mit Blick auf Ungarn.
Allerdings: Möglichkeiten dazu gäbe es, so Schaefers. So könne die "Reihenfolge der Präsidentschaften etwa recht einfach verändert werden".
Um Ungarn die Ratspräsidentschaft komplett zu entziehen, bräuchte es jedoch eine neue rechtliche Grundlage, so Schaefers.
Denn: "Bisher war ein solches Vorgehen Tabu." Zu sehr sei "die Arbeit im Rat auf Konsens fokussiert". Nach Einschätzung Schaefers könnte man "Ungarn auch zumindest die heiklen Dossiers abnehmen und von den angrenzenden Ratspräsidentschaften betreuen lassen".
EU-Gelder eingefroren
Nur Großbritannien hatte 2017 aufgrund der Entscheidung, die EU zu verlassen, auf den Vorsitz verzichtet. Ungarn soll die Ratspräsidentschaft von Juli bis Dezember 2024 übernehmen, nach Belgien und vor Polen.
Die Europäische Kommission hatte im Dezember fast 22 Milliarden Euro für Ungarn eingefroren, die aus dem Strukturfonds für den Zeitraum von 2021 bis 2027 vorgesehen waren. Hintergrund sind Hinweise auf Korruption und den Missbrauch von EU-Hilfen.
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