Vor dem Bundesverwaltungsgericht:Kampf um ein todbringendes Medikament
von Christoph Schneider
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Seit sechs Jahren streiten zwei unheilbar Kranke für die Herausgabe von Medikamenten, um ihre Leben selbstbestimmt zu beenden. Ihre letzte Hoffnung: das Bundesverwaltungsgericht.
Zwei Kläger, die unheilbar krank sind, verlangen vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) die Erlaubnis zum Erwerb einer tödlichen Dosis Natrium-Pentobarbital. Der Fall liegt nun beim Bundesverwaltungsgericht.26.10.2023 | 1:45 min
Sie sind von einmal ursprünglich fünf Klägern - drei sind inzwischen verstorben - geblieben: Hans-Jürgen Brennecke und Harald Mayer. Brennecke hat einen bösartigen Lymphknotenkrebs, Burkitt-Lymphom. Vor sechs Jahren wurde der 79-Jährige deswegen länger stationär im Krankenhaus behandelt, schwankte zwischen Leben und Tod.
Noch ist der Krebs unter Kontrolle, doch das kann sich jederzeit ändern. Brennecke sagt dem ZDF: "Wenn er wieder auftritt, dann geht es bei dieser Krebsart besonders schnell. Das heißt, ich habe dann nur noch Wochen, vielleicht nicht mal Monate. Und deshalb muss ich leider bei diesem langen Verfahren frühzeitig anfangen, falls der Fall eintritt."
Zwei Kläger, die unheilbar krank sind, verlangen vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) die Erlaubnis zum Erwerb einer tödlichen Dosis Natrium-Pentobarbital. Der Fall liegt nun beim Bundesverwaltungsgericht.26.10.2023 | 1:45 min
Der 52-jährige Harald Mayer leidet seit 26 Jahren an multipler Sklerose, ist seit sieben Jahren auf den Rollstuhl angewiesen, kann nur noch den Kopf bewegen. Er benötigt eine Betreuung rund um die Uhr.
Das Recht auf tödlich wirkende Medikamente
Beide möchten selbst bestimmen, wann und wie ihre Leben enden sollen - und beantragten beim zuständigen Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) eine tödliche Dosis Natrium-Pentobarbital.
Eigentlich könnten beide ein Anrecht darauf haben. Denn das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in Leipzig urteilte in einem anderen Fall im März 2017, dass es sterbenskranken Menschen in besonderen Ausnahmefällen erlaubt sein soll, ein tödlich wirkendes Medikament zu bekommen.
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Lebenserhaltung statt Lebensbeendigung
Auf Grundlage dieser höchstrichterlichen Entscheidung stellten Brennecke und Mayer 2017 ihre Anträge - bislang erfolglos. Sowohl das Verwaltungsgericht (VG) Köln als auch das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster lehnten ihre Klagen ab. Entscheidend: Das Betäubungsmittelgesetz (BtMG), auf das die Anträge gestützt werden, regele nur die Abgabe von Medikamenten zu therapeutischen Zwecken, also der Heilung von Krankheiten oder krankhaften Beschwerden.
Sprich: Es gehe um Lebenserhaltung, nicht um Lebensbeendigung. Da sei das Gesetz ganz eindeutig, meint das Oberverwaltungsgericht.
Kläger Harald Mayer im OVG in Münster.
Quelle: dpa
Geschäftsmäßige Sterbehilfe ist seit 2020 legal
Und: Nachdem das Bundesverfassungsgericht im Februar 2020 das Verbot der geschäftsmäßigen Sterbehilfe kippte, würde das ärztliche Berufsrecht der Suizidhilfe nicht mehr generell entgegenstehen. So gebe es "Ärzte, die tödlich wirkende Medikamente verschreiben und andere Unterstützungshandlungen vornehmen" würden, heißt es in der Pressemitteilung aus Münster.
Auch seien "geschäftsmäßige Angebote der Suizidhilfe wieder verfügbar", sprich Sterbehilfeorganisationen könnten legal ihre Dienste anbieten.
Doch eines machen in ihren Entscheidungen weder die Richter in Köln noch in Münster - sie setzen sich nicht mit der grundlegenden Entscheidung ihres höchsten Fachgerichts, dem Bundesverwaltungsgericht, aus dem Jahr 2017 auseinander. Damals sagten die Richterinnen und Richter, dass der Erwerb eines Betäubungsmittels ausnahmsweise mit dem Zweck des Betäubungsmittelgesetzes vereinbar ist, "wenn sich der suizidwillige Erwerber wegen einer schweren und unheilbaren Erkrankung in einer extremen Notlage befindet."
Neue Entscheidung am Bundesverwaltungsgericht
Jetzt sind die Kläger Brennecke und Mayer mit ihrer Klage am Bundesverwaltungsgericht in Leipzig angekommen. Und über ihre Klage entscheidet der 3. Senat - jener Senat, der 2017 eine Ausnahme definiert hat. Von den fünf Richterinnen und Richtern von damals sind heute noch drei dabei.
An diesem Donnerstag hat die ausführliche mündliche Verhandlung in der Sache begonnen. Mit großer Spannung wird dann erwartet, wie die Leipziger Richter diese Klagen am 7. November entscheiden werden.
Christoph Schneider ist der Redakteur in der Fachredaktion Recht & Justiz des ZDF
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