Rechte als Schöffen: Wie sie das Ehrenamt kapern wollen

    Ehrenamtliche Richter gesucht:So wollen Rechte das Schöffen-Amt kapern

    Julia Klaus
    von Julia Klaus
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    Rechtsextreme rufen ihre Anhänger dazu auf, sich als Schöffen bei Gericht zu bewerben. Schaut der Staat bei seinen ehrenamtlichen Richtern genau genug hin?

    Richterhammer im Gericht
    Wieder händeringend gesucht: Ehrenämtler als Schöffen vor Gericht.
    Quelle: dpa

    Er werde sich heute noch bewerben, schreibt Max S. am 17. Januar bei Facebook. Und teilt den Beitrag der rechtsextremen Kleinstpartei "Freie Sachsen", in dem es heißt: "Ehrenamtliche Richter gesucht: Jetzt Schöffe werden!" Die Freien Sachsen sind rechtsextremer Verdachtsfall, der Verfassungsschutz darf sie bundesweit beobachten. Aktivist Max S., der 2019 für die NPD zur Landtagswahl in Sachsen antrat, demonstriert derzeit gegen den Bau eines Flüchtlingsheims und beklagt eine "Asylflut".
    Könnte Aktivist S. künftig als Schöffe im Gerichtssaal darüber mitentscheiden, wer ins Gefängnis muss und wie lange?
    Rechte und Rechtsextreme rufen derzeit dazu auf, sich als Schöffen zu bewerben. Darunter sind AfD-Vertreter wie der Bundestagsabgeordnete Mike Monscek, der "mehr Gerechtigkeit" erreichen will. Oder die Szeneanwältin Nicole Schneiders, die den NSU-Unterstützer Ralf Wohlleben vertrat. In einem YouTube-Video sagt sie: "Wenn das jemand machen möchte, rate ich dazu immer gerne an." Auch in Querdenken-Gruppen wird das Thema diskutiert. Eine Nutzerin schreibt:

    Wenn ich nicht zu alt wäre, würde ich mich bewerben. Man könnte doch zumindest versuchen, positiven Einfluss auszuüben.

    Telegram-Nutzerin in Querdenken-Kanal

    Schöffen
    In Deutschland werden intensiv Freiwillige für das Schöffenamt gesucht. Als Laien auf der Richterbank vertreten sie das Volk im Gerichtssaal und haben dabei das gleiche Stimmrecht wie Berufsrichter.09.02.2023 | 2:51 min

    Mord, Drogen, Betrug: Womit Schöffen zu tun haben

    Vielerorts läuft noch die Bewerbungsphase - eine einheitliche Frist gibt es nicht. Gesucht werden rund 60.000 Schöffinnen und Schöffen. Ab Januar 2024 entscheiden sie fünf Jahre lang an Amts- und Landgerichten gemeinsam mit Berufsrichtern über Schuld und Unschuld sowie über das Strafmaß. Ihr Arbeitgeber muss sie für diese Zeit freistellen. Wer sich bewerben kann:
    • Deutsche Staatsangehörige zwischen 25 und 69 Jahren,
    • die Deutsch gut sprechen und verstehen können und
    • keine Vorstrafen haben.
    Schöffinnen und Schöffen können großen Einfluss nehmen, bei Amtsgerichten etwa sitzen zwei von ihnen neben einem Berufsrichter - und können diesen auch überstimmen. Von Urkundenfälschung und Drogendelikten bis hin zu Mordfällen landen verschiedenste Fälle auf ihrem Tisch.
    Alle Infos zur Schöffen-Bewerbung finden Sie hier:

    Extreme Schöffin: Der Fall der Gitta K.

    Schöffinnen und Schöffen sitzen auch in besonders heiklen Verfahren - so wie Gitta K. am Landgericht Erfurt. In einem ihr zugelosten Fall ging es um mutmaßliche Schlepper. Doch an K.s Befangenheit gab es Zweifel: Sie hatte im November eine Demo mit dem Who-is-Who der rechtsextremen Szene angemeldet und an einem NPD-Treffen teilgenommen. Aufgefallen war das erst Journalisten - nicht der Kommune, die K. auf die Wahlliste gesetzt hatte. Wie ein Gerichtssprecher ZDFheute sagte, sei ihre Tätigkeit ausgesetzt, bis das Oberlandesgericht über ihre Eignung entschieden hat.
    Schöffinnen und Schöffen müssen auf dem Boden des Grundgesetzes stehen, so hat es das Bundesverfassungsgericht bekräftigt. Diese Pflicht ist schon jetzt bei ihrer Auswahl zu berücksichtigen - steht so explizit aber nicht im Gesetz. Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) will das ändern, um Verfassungsfeinde abzuschrecken und im Nachhinein schneller loswerden zu können.
    Das Vorhaben liegt erst als Entwurf vor. Doch Buschmanns Ministerium macht Druck und schreibt ZDFheute, es sei "nicht unrealistisch", dass die Änderungen noch vor der neuen Amtsperiode 2024 in Kraft treten könnten.
    "37° Leben: Was am Ende zählt - Ehrenamtliche im Einsatz": Britta Dorstewitz (40) in einer Uniform des Arbeiter Samariterbundes lehnt sich mit ihrem Ellenbogen an einen Einsatzwagen des ASB.
    In unserer Freizeit widmen wir uns schönen Dingen, selten beschäftigen wir uns mit dem Thema Tod. Als ehrenamtliche Sterbebegleiterinnen tun Britta und Meryem genau das.22.04.2022 | 27:04 min

    Rechtsextreme und der Staat: Schöffen-Amt im Blick

    Dass Rechtsextreme das Schöffen-Amt unterwandern wollen, ist kein neues Phänomen. Ist der Staat dagegen gewappnet?
    Um sich zu bewerben, reicht ein einfaches Formular. Die Kommune geht die Unterlagen durch, filtert Bewerber oft nach rein formalen Kriterien - und erstellt dann Vorschlagslisten. Endgültig gewählt werden sie vom Schöffenwahlausschuss. Andreas Höhne, Präsident des Bundesverbands ehrenamtlicher Richter, betont gegenüber ZDFheute:

    Wir können einem Menschen das Beste wegnehmen: seine Freiheit. Deshalb ist es wichtig, dass keine Verfassungsfeinde ins Ehrenamt gewählt werden.

    Andreas Höhne, Präsident des Bundesverbands der ehrenamtlichen Richter

    Höhne beobachtet zwar, wie Rechtsextreme das Amt im Blick haben. Auch das Bundesamt für Verfassungsschutz berichtet auf ZDFheute-Nachfrage von "einzelnen Aufrufen", die man registriert habe. "Eine Gefahr für die Demokratie sehe ich aber nicht", sagt Schöffen-Chef Höhne.
    Zum einen könne man Schöffen, bei denen Zweifel an der Verfassungstreue aufkommen, schon jetzt aus dem Amt entfernen. Zum anderen entscheiden Schöffen im Gericht nicht allein - sondern nach einer kollegialen Beratung mit dem Berufsrichter.
    Höhne sieht dennoch Verbesserungsbedarf:

    Die Gemeindeverwaltungen sollten bei den Bewerbern im Vorfeld noch genauer hinschauen - dafür brauchen wir auch bundesweite Standards.

    Andreas Höhne, Präsident des Bundesverbands der ehrenamtlichen Richter

    Wo der Verfassungsschutz ins Spiel kommen kann

    Bremen und Niedersachsen wollen neue Wege gehen. Niedersachsen will sich künftig von Bewerber*innen das Einverständnis geben lassen, sich vom Verfassungsschutz überprüfen zu lassen. Bremen will sie vor der Wahl etwa mithilfe ihrer öffentlichen Social-Media-Profile auf Auffälligkeiten hin überprüfen. Wenn Zweifel aufkommen, soll beim Verfassungsschutz nachgefragt werden dürfen.
    Könnte das bald Standard werden? Das Bundesjustizministerium schreibt auf ZDFheute-Anfrage: "Eine zusätzliche Regelabfrage beim Verfassungsschutz für angehende Schöffen ist auf Bundesebene nicht geplant." Die Länder könnten - wie Bremen und Niedersachen - aber eigene Regeln erlassen.
    Ob Max S., der bei den rechtsextremen "Freien Sachsen" mitläuft und Schöffe werden will, aufgestellt und gewählt wird? Schöffen-Präsident Höhne betont:

    Auf dem Schöffenstuhl sollen nur Demokraten sitzen. Es ist deshalb wichtig, dass sich genügend Menschen für dieses wichtige Ehrenamt engagieren.

    Andreas Höhne, Präsident des Bundesverbands der ehrenamtlichen Richter

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