PiS gegen Bürgerplattform:So hitzig wird in Polen Wahlkampf geführt
von Natalie Steger und Milena Drzewiecka
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Im Herbst sind Parlamentswahlen in Polen. Während die Opposition um Donald Tusk zur Anti-Regierungsdemo aufruft, versucht die regierende PiS, den politischen Gegner auszuschalten.
"Suchst du nach Hoffnung, komm am 4. Juni nach Warschau" - so ruft Donald Tusk, Führer der größten Oppositionspartei Bürgerplattform, zum großen Protestmarsch am Sonntag auf. Der heiße Herbst steht noch bevor, aber der Wahlkampf ist bereits zu spüren. Er wird hart, personalisiert, mit anti-deutschen Tönen.
Gegner stellen Tusk als Handlanger deutscher Interessen dar
"Nach Berlin" haben die PiS-Abgeordneten neulich im Sejm - eine der beiden Kammern des polnischen Parlaments - Richtung Tusk gerufen - denn für die Regierung ist Tusk ein Handlanger für deutsche Interessen. In den regierungstreuen Medien wie dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk wird er in Dauerschleife als Komplize der Deutschen dargestellt.
Die Rufe "nach Berlin" also, es war der Tag, an dem die Nationalkonservativen mit ihrer absoluten Mehrheit im Sejm ein äußerst umstrittenes Gesetz zu einer neuen Kommission verabschiedet hat - ein Gesetz, das den Wahlkampf komplett verändern könnte.
Diese Kommission soll die russischen Einflüsse auf die Sicherheit Polens untersuchen und die Amtsträger zwischen 2007 und 2022 unter die Lupe nehmen. Was unverdächtig klingen mag, kann laut Experten gefährlich werden.
Neues Gesetz gibt Kommission weitreichende Befugnisse
Denn die vom Parlament ernannten Kommissionsmitglieder sollen Strafen verhängen dürfen - etwa Funktionsträger für bis zu zehn Jahre von der Übernahme eines öffentlichen Amts ausschließen. Sprich: Die Kommission könnte Oppositionsführer Tusk für die Wahl schlicht sperren. Von der Exekutive bestimmte Personen werden quasi zu Richtern. Das Gesetz wird in Polen auch "Lex Tusk" genannt.
Das Verfassungsgericht - allerdings längst auf Regierungslinie - soll das nun offiziell prüfen. Die USA wie die EU haben bereits Bedenken geäußert.
In seiner Rede in Warschau hat US-Präsident Biden den Zusammenhalt der Nato beschworen – eine Botschaft, die man in Polen mit Erleichterung hört.22.02.2023 | 2:18 min
Duda unterschreibt Gesetz - will es aber wieder entschärft haben
Eine kuriose Volte soll offenbar nun die Wogen etwas glätten: Am Montag noch hatte Polens regierungsnaher Präsident Andrzej Duda das Gesetz unterzeichnet. Am Freitag meldet er sich zu Wort und will das sogenannte "Lex Tusk", das er eben schon unterschrieben hat - plötzlich entschärfen.
Die Kommission solle mit Experten statt mit Parlamentariern oder Senatoren besetzt werden, überprüfte Bürger nicht von öffentlichen Ämtern ausgeschlossen werden.
Manch einen Beobachter in Warschau erinnert das an die umstrittenen Justizreformen, die die PiS 2017 verabschiedet hatte. Nach Demonstrationen legte Duda sein Veto ein, um am Ende aber im Grunde nichts zu verändern.
Bürgerplattform und PiS auf Konfrontationskurs
Donald Tusk ist ein rotes Tuch, die allererste "persona non grata" für die Nationalkonservativen. In Europa ist der liberalkonservative Tusk als ehemaliger Ratspräsident der EU bekannt. In Polen war er von 2007 bis 2014 Regierungschef. 2007 war es ein großer Sieg seiner Bürgerplattform.
PiS-Kandidat und damit Verlierer war ausgerechnet PiS-Parteichef Jaroslaw Kaczynski, der folglich auch ganz persönlich noch eine Rechnung mit Tusk offen hat. Einen Sieg wünscht sich die Opposition nun endlich wieder. Ihre Parolen: niedrigere Steuern, Pro-Frauen-Politik, pro-europäischer Kurs.
Ein 14-jähriges Mädchen bemüht sich nach einer Vergewaltigung - mutmaßlich durch ihren Onkel - vergeblich um einen Schwangerschaftsabbruch.06.02.2023 | 2:12 min
Hohe Inflation in Polen
Auch in Polen macht die hohe Inflation (im Mai 13 Prozent) den Menschen zu schaffen, doch die PiS liegt in den Umfragen vorne (laut einer aktuellen Umfrage im Mai: PiS - 33 Prozent; Bürgerplattform mit Oppositionskoalitionspartnern - 23 Prozent). Die Regierung verspricht höheres Kindergeld und kostenfreie Medikamente für Kinder.
Noch ein Vorspiel in Sachen Wahlkampf: Ein Spot der PiS zeigt Bilder des ehemaligen deutschen KZ in Auschwitz. "In Auschwitz wurden mehr als eine Million Menschen ermordet. Sechs Millionen Polen wurden im Zweiten Weltkrieg ermordet", ist zu lesen.
Tweet zu KZ Auschwitz schlägt hohe Wellen
Dann ist der "Arbeit macht frei"-Schriftzug zu sehen. Eingeblendet wird ein Tweet des PiS-kritischen Journalisten Tomasz Lis. Er hatte geschrieben, es werde sich eine "Kammer" - auf Polnisch "komora" - für Duda und Kaczynski finden lassen.
Tova Friedman überlebte als Kind das Konzentrationslager Auschwitz - nur durch ein Wunder, wie sie sagt. Seitdem verspürt die gebürtige Polin die Verpflichtung, ihre Stimme zu erheben – auch auf der Videoplattform TikTok. 14.02.2023 | 4:05 min
Die PiS stellt im Spot die Frage: "Willst du wirklich unter diesem Motto mitgehen?" - und bezieht sich auf die für Sonntag geplanten regierungskritischen Demonstration. 14 Sekunden ist der Spot, 14 Sekunden, mit denen die polnische Politik wieder im Ausland aufhorchen lässt.
Tweet über Duda und Kaczynski - Journalist entschuldigt sich
Journalist Lis hat sich mittlerweile entschuldigt und erklärt, dass er "Zelle" meinte. Das polarisierende PiS-Video aber ist nun mal veröffentlicht.
Die PiS hat die letzten beiden Parlaments- und auch die letzten beiden Präsidentschaftswahlen gewonnen. Laut der letzten CBOS-Umfrage wollen 79 Prozent der Polinnen und Polen wählen gehen.
Und auf eine hohe Wahlbeteiligung hofft die Opposition, nicht nur die Partei von Tusk. Der erste Stimmungs- und Mobilisierungstest ist nun diesen Sonntag. Die Veranstalter hoffen auf 250.000 Menschen auf Warschaus Straßen gegen die Politik der nationalkonservativen Regierung.