Politisches Sparring:Vor Wahl in Polen: Mobilisieren, polarisieren
von Milena Drzewiecka, Lotta Hosenfeld
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"Das sind die Wahlen um alles", sagen Donald Tusk und Jaroslaw Kaczynski. Es ist das Einzige, worüber die Hauptfiguren der polnischen Politik einig sind.
Der polnische Oppositionsführer Donald Tusk spricht auf einer Kundgebung in Breslau.
Quelle: epa
Es ist eine Art des Sparring-Kampfes, nur nicht auf derselben Bühne. Jaroslaw Kaczynski in Bogatynia und Donald Tusk in Breslau stellten ihre Vision Polens vor. Das Tempo des noch nicht offiziell angekündigten Wahlkampfes wird schneller. Die Botschaften aus Niederschlesien, wenn auch innenpolitisch gemeint, wurden auch Richtung EU und Deutschland geschickt.
Kaczynski wählt nicht zufällig Bergwerk-Ort aus
So sagte der Chef der Regierungspartei PiS, Jaroslaw Kaczynski, vor Anhängern in Bogatynia:
Es ist kein Zufall, dass die PiS für ihre Kundgebung Bogatynia ausgewählt hat. In diesem Ort befindet sich die umstrittene Braunkohlemine Turow. Umweltsorgen von deutscher und tschechischer Seite überzeugten Polen nicht. Das benachbarte Kraftwerk Turow produziere bis acht Prozent der polnischen Energie und diene dem polnischen Interesse, so die Botschaft.
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2021 verhängte der EU-Gerichtshof eine Geldstrafe von 500.000 Euro pro Tag gegen Polen, weil es das Urteil über die Schließung des Bergwerks nicht umgesetzt hatte. 2022 kam es zwar zu einer Einigung zwischen Warschau und Prag, aber das Thema ist nicht vom Tisch. Diesen Juni setzte auch das Warschauer Gericht die Entscheidung über die Verlängerung der Konzession für den Kohleabbau in Turów aus, da dieser zu erheblichen Umweltschäden führen könnte.
Kurz gesagt, die Braunkohleförderung sollte bald ausgesetzt werden. Die PiS ignoriert das und wirft den Nachbarn vor, dass sie ein Monopol auf dem Markt haben möchten. "Was rund um das Bergwerk geschieht, ist ein Angriff auf unsere Souveränität", betonte Kaczynski.
Polen zwischen "Souveränität" und EU-Mitgliedschaft
Das Wort "Souveränität" kommt immer ins Spiel, wenn die polnische Regierung mit einer Kritik, einem Urteil oder einem Beschluss der EU nicht zufrieden ist. Ein weiteres Beispiel: Asylpolitik. Die EU-Innenminister hatten sich neulich auf einen Asylkompromiss geeinigt, der unter anderem vorsieht, dass EU-Länder, die keine Migranten aufnehmen wollen, ein Geld in Höhe von 20.000 Euro für jeden Migranten in einen von Brüssel verwalteten Fonds zahlen müssen. Die PiS lehnt dies ab. "Ich rufe alle, die am Referendum teilnehmen werden, dazu auf, Nein zu sagen", so Kaczynski. Gleichzeitig versicherte er, dass Polen in der EU bleiben möchte.
EU-Fahnen waren in Bogatynia jedoch nicht zu sehen. Die europäischen Symbole sind viel präsenter bei den oppositionellen Kundgebungen, wie die PO-Demonstration in Breslau. Donald Tusk, der Chef der größten Oppositionspartei, macht schon seit Wochen mobil. Seiner Meinung nach wird das richtige Referendum am Wahltag sein: "Es wird darüber entscheiden, ob es ein großes Polen (…) oder Kaczynskis kleines Russland geben wird".
Polarisierung auch unter Bürgern zu spüren
Die Polarisierung ist nicht nur auf den politischen Bühnen, sondern auch unter den Bürgern zu spüren. Als Tusks Name in Bogatynia erwähnt wurde, skandierten die Menschen "Nach Berlin". Für PiS-Wähler kümmerte sich Tusk, der 2007 bis 2014 Polens Regierungschef war, zu viel um ausländische (vor allem deutsche) Interessen.
Die letzten Umfragen geben PiS und PO entweder die gleichen Chancen oder sehen die PiS leicht vorne. Wer regieren wird, könnte von der Nummer 3 abhängen. Mehrere Parteien sind im Rennen, aber momentan ist Konfederacja die Nummer 3. Das letzte Wort könnte also weder Tusk noch Kaczynski gehören.
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