Militärjunta in Myanmar: Deutsche Technik für Diktatoren
Militärjunta in Myanmar:Deutsche Technik für Diktatoren
von Felix Klauser
|
Satellitentechnik eines deutschen Unternehmens gelangte offenbar über Jahre in die Hände des Militärs in Myanmar. Das Unternehmen bestreitet, von den Lieferungen gewusst zu haben.
frontal hat geleakte Daten ausgewertet, die schockierende Verbindungen zwischen dem myanmarischen Militär und westlichen Unternehmen enthüllen.17.10.2023 | 10:50 min
Myanmar und den Bodensee trennen rund 8.000 Kilometer und verbindet doch eins: Wasser, Berge, atemberaubende Natur. Und es gibt noch eine - weniger naheliegende - Verbindung zwischen den beiden Orten: das myanmarische Militär.
Seit Jahren ist dieses Militär berüchtigt für den Tod und die Inhaftierung Tausender Oppositioneller sowie für die Verfolgung und Vertreibung Hunderttausender Rohingya, die im Jahr 2017 ihren brutalen Höhepunkt erreichte.
Das myanmarische Militär setzt seit Jahren auf Technik aus dem Ausland - so viel ist bekannt. Recherchen von ZDF frontal und dem SPIEGEL zeigen: Offenbar zählen dazu auch Produkte eines deutschen Unternehmens. Sein Name ist ND SatCom. Firmensitz: Immenstaad am Bodensee.
Quelle: ZDF
Sehen Sie mehr zu dem Thema bei frontal. Am 17. Oktober um 21 Uhr im ZDF und in der ZDF-Mediathek.
Mehr als 40 Lieferungen nach Myanmar
ND SatCom, das Unternehmen vom Bodensee, ist einer der führenden Anbieter von Satellitentechnik, verkauft seine Produkte in die ganze Welt. Zu den Kunden zählt auch das Militär - in den USA, Kanada, Polen. Auch die Bundeswehr gehört dazu.
Seit 2016 gelangte immer wieder Equipment von ND SatCom nach Myanmar. Daten und Dokumente, die die Aktivistengruppe "Justice for Myanmar" ZDF frontal und dem "Spiegel" zur Verfügung stellte, geben Hinweise auf mehr als 40 Lieferungen, darunter Satellitenmodems und Software, die trotz Sanktionen offenbar in das Land gelangten.
Seit Jahrzehnten bestehen Sanktionen gegen Myanmar. Bereits in den neunziger Jahren verhängte die EU ein Waffenembargo gegen das Land. Nach der Vertreibung der Rohingya im Jahr 2017, von der EU als "schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen", von den USA als "Genozid" verurteilt, wurden die Sanktionen erneut verschärft. Mittlerweile ist auch die Lieferung sogenannter "Dual-Use"-Güter an das Militär in Myanmar verboten. Als "Dual-Use" werden solche Produkte bezeichnet, die sowohl militärisch als auch zivil genutzt werden können.
Sanktionsexperte sieht "starken Anhaltspunkt" für Sanktionsverletzung
Womöglich habe ND SatCom gegen die bestehenden Regelungen verstoßen, meint einer der profiliertesten Sanktionsexperten Deutschlands, Rechtsanwalt Prof. Viktor Winkler: "Gerade bei Satellitentechnik besteht ein sehr starker Anhaltspunkt dafür, dass das eine jener Techniken ist, die untersagt sind."
ND SatCom entgegnet, man sei mit den Behörden im Gespräch und gehe nach dem jetzigen Gesprächsstand nicht von Sanktionsverletzungen aus. Alle Lieferungen von März 2016 bis Februar 2019 hätten eine "beanstandungsfreie Außenwirtschaftsprüfung" durchlaufen.
Bereits von 1962 bis 2010 litt Myanmar unter der Gewalt einer Militärdiktatur. Danach regierte für wenige Jahre eine zivile, aber vom Militär kontrollierte Regierung. In dieser Zeit erfolgten auch die gewaltsamen Übergriffe auf die Rohingya. Im Jahr 2017 mussten hunderttausende nach Bangladesch fliehen, leben dort in riesigen Flüchtlingscamps unter erbärmlichen Bedingungen.
Seit einem Putsch im Jahr 2021 steht Myanmar erneut unter der Herrschaft des Militärs. Die Auseinandersetzungen zwischen Armee und Widerstandskämpfern halten seitdem an. Die Zivilbevölkerung wird unterdrückt, rund 14.000 Oppositionelle sollen hinter Gittern sitzen. Immer wieder kommt es zu blutigen Zwischenfällen. Zuletzt im Oktober diesen Jahres, als bei einem Angriff auf ein Lager für Vertriebene 29 Menschen ums Leben kamen.
Lieferung über Vietnam, Zahlung nach Singapur
Allerdings erfolgten offenbar auch nach 2019 Lieferungen nach Myanmar. Das geht aus Dokumenten hervor, die ZDF frontal und dem "Spiegel" vorliegen. Beispiel: ein Vertrag vom 24. August 2020. Geschäftspartner sind das Militär in Myanmar und ein Unternehmen mit Sitz in Yangon, der ehemaligen Hauptstadt Myanmars.
Es geht um Satellitenmodems von ND SatCom im Wert von 46.400 Dollar. Zwei Tage nach Vertragsabschluss erhält ND SatCom eine Auftragsbestätigung - allerdings aus Singapur. Die Lieferung der Modems erfolgt anschließend nach Vietnam. Von hier soll die Ware nach Myanmar geschickt werden. Offenbar gelangt sie dort zum Militär. Das legt eine Rechnung nah, die frontal vorliegt.
Dementi von ND SatCom
Der Tübinger Anwalt Holger Rothbauer hat Anzeige gegen ND SatCom und vier seiner Mitarbeiter erstattet. Die Lieferungen über Vietnam sieht er kritisch: "Wenn sie mich als Strafverteidiger fragen, dann ist das der absolute Klassiker, wie ich ein direktes Geschäft verklausulieren will und nicht offenkundig machen will. Und warum mache ich es? Weil ich im Grunde genau weiß, dass dieses Geschäft mit den Diktatoren von Myanmar nicht sauber ist."
Auf Nachfrage bestreitet ND SatCom, von den Lieferungen nach Myanmar gewusst zu haben. Der Endverbleib der Lieferungen sei nach Informationen von ND SatCom Vietnam gewesen, die Zahlung nach Singapur erfolgte aus Gründen der Zahlungssicherheit. Weiter teilt das Unternehmen mit:
Verantwortlich für die Kontrolle und Genehmigung von Exporten ist das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle, kurz BAFA. Auf Anfrage möchte sich das BAFA nicht zu dem Fall äußern, verweist auf das Geschäftsgeheimnis. Grundsätzlich aber, so teilt das Bundesamt mit, könnten die Produkte von ND SatCom von Sanktionen erfasst sein.
Die letzten Lieferungen in Richtung Myanmar erfolgten im Jahr 2022. Mittlerweile ermittelt die Staatsanwaltschaft Ravensburg wegen möglicher Verstöße gegen das Außenwirtschaftsgesetz. Ob tatsächlich gegen Sanktionen verstoßen wurde, werden die Ermittlungen zeigen.
Nachtrag zur Recherche
Am 30. Oktober 2023 erreichte frontal eine Stellungnahme der ND SatCom GmbH. Die Firma kündigt darin "lückenlose Aufklärung und maximale Kooperation mit den Behörden" an. Man nehme die Vorwürfe hinsichtlich eines möglichen Sanktionsverstoßes sehr ernst und habe eine unabhängige und umfassende Prüfung der entsprechenden Geschäftstätigkeiten in Auftrag gegeben, heißt es von Unternehmensseite.
Und weiter: ND SatCom gehe nach wie vor nicht von einem strafrechtlich relevanten Fehlverhalten aus. Man halte es dennoch für unerlässlich, die Angelegenheit mit extremer Sorgfalt aufzuarbeiten.
Die Teilamnestie für Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi in Myanmar ist kein Signal für Demokratie. Tatsächlich entgleitet der Militärjunta immer mehr die Lage im Land.