Klimawandel und Umweltschäden:"Fundamentales Umdenken" im Gesundheitssystem
von Mark Hugo
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Klimawandel und Umweltprobleme werden zunehmend zur Gefahr für die Gesundheit der Menschen. Ein Beratergremium der Bundesregierung fordert daher jetzt ein "fundamentales Umdenken".
Das Beratergremium der Bundesregierung fordert unter anderem mehr klimafreundliche Mobilität in Städten als Maßnahme gegen Hitze.
Quelle: picture alliance/Bildagentur-online
Selten fällt die Handlungsempfehlung eines wissensachaftlichen Gremiums der Bundesregierung so deutlich aus. Die neun Expertinnen und Experten des Beirats Globale Umweltveränderungen (WBGU) mahnen:
Erderwärmung als Gesundheitsgefahr
In einem Gutachten, das sie heute Bundesumweltministerin Steffi Lemke übergeben haben, fordern sie jetzt nicht weniger als ein "fundamentales Umdenken im Umgang mit Gesundheit".
Denn neben Biodiversitätsverlust und Umweltverschmutzung werde vor allem die Erderwärmung zunehmend zum Problem, sagt Professorin Sabine Schlacke, Co-Vorsitzende des WBGU und Professorin für Umweltrecht an der Universität Greifswald. "Der menschengemachte Klimawandel ist zum ernstzunehmenden Faktor für unsere Gesundheit geworden."
Zunahme von Krankheitserregern
Schon vor rund zwei Wochen hatte der Sachstandsberichts "Klimawandel und Gesundheit" unter Federführung des Robert-Koch-Instituts vor einer Zunahme von Krankheitserregern gewarnt.
Bakterien, Salmonellen, Legionellen oder Hanta-Viren und deren Überträger wie Mücken und Zecken könnten sich durch zunehmende Temperaturen besser in Deutschland ausbreiten. 2019 wurden zum Beispiel die ersten Fälle von West-Nil-Fieber bekannt. Die Erkrankten hatten sich durch Mückenstiche angesteckt.
Das neue WBGU-Gutachten "Gesund leben auf einer gesunden Erde" nennt außerdem diese Faktoren :
Die steigenden Temperaturen sind in den Kliniken und Praxen weltweit zu spüren. "Die Sterblichkeit durch Hitze stieg in den letzten beiden Jahrzehnten bei älteren Menschen um etwa 68 Prozent an", sagt Schlacke. Die Hitze mache selbst krank und verschlimmere Vorerkrankungen wie etwa Atemwegs-, Herz-Kreislauf- und Nierenerkrankungen.
Die Zerstörung von Ökosystemen befördere die Entstehung so genannter Zoonosen, also von Krankheiten, die von Tieren auf Menschen überspringen. Ein Grund ist: Wenn Lebensräume kleiner werden, nimmt die Nähe zwischen beiden zu
Außerdem sieht das Gutachten eine regelrechte "Pandemie nicht übertragbarer Erkrankungen". Gemeint sind Zivilisationskrankheiten wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Krebs, die mit der gestiegenen Lebenserwartung, aber auch "mit unserer Lebensweise - zu wenig Bewegung, zu viel und das falsche Essen - zusammenhängen", erklärt Schlacke. "Gleichzeitig schädigt diese Lebensweise massiv die Natur und beschleunigt den Klimawandel - was ja auch wieder auf uns zurückschlägt."
Weitere Krankheitserreger werden wohl schon bald folgen, wenn der Mensch immer weiter in den Lebensraum von Wildtieren eindringt.28.10.2020 | 6:02 min
Gewinn für Gesundheit und Umwelt
Gefordert sei ein Umdenken auf allen Ebenen. Vor allem müssten geeignete Rahmenbedingungen geschaffen werden. Ein Beispiel: "Die Begrünung von Städten und die Stärkung nichtmotorisierter Mobilität sind ein Gewinn für Gesundheit und Umwelt gleichermaßen". Schließlich sind Bewegung und gesunde Luft auch für die Menschen gut.
Den Wissenschaftlichen Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU) gibt es seit 1992. Er wurde im Vorfeld des Erdgipfels von Rio de Janeiro als unabhängiges, wissenschaftliches Beratergremium eingerichtet und setzt sich aus neun Mitgliedern zusammen, die vom Bundeskabinett für eine Dauer von vier Jahren berufen werden. Der WBGU soll globale Umwelt- und Entwicklungsprobleme analysieren, Forschung auswerten, auf Probleme hinweisen und Handlungsempfehlungen geben. Co-Vorsitzende sind derzeit die Wirtschaftswissenschaftlerin Prof. Karen Pittel (ifo Institut) und die Juristin Prof. Sabine Schlacke (Universität Greifswald).
Weniger Hitzeinseln in der Stadt würden zudem die Zahl hitzebedingter Krankheitsfälle senken. Schlacke ist überzeugt: "Die meisten Menschen nehmen gesundheitsfördernde klimafreundliche Mobilität und Ernährung als Gewinn ihrer Lebensqualität wahr."
Das geforderte "fundamentale Umdenken" schließt aber auch die Gesundheitssysteme selbst mit ein. Denn die seien im Moment vor allem darauf ausgerichtet, Krankheiten zu bekämpfen, die bereits ausgebrochen sind, so Schlacke. Das Gutachten empfiehlt nun einen vorbeugenden gesundheitsfördernden Ansatz.
Bereits im Juni liegen die Temperaturen weit über 20 Grad. Deshalb fordert die Ärzteschaft Hitzeschutzpläne für Städte und Kommunen. Dazu hat sich heute Gesundheitsminister Lauterbach geäußert.13.06.2023 | 1:51 min
Menschen aufklären und fördern
Bedeutet: Ärztinnen, Ärzte und Gesundheitsfachkräfte sollen die Menschen "aufklären und so fördern, dass sie ihr Verhalten in Richtung einer nachhaltigen Ernährung und Fortbewegung ändern können." Das müsse auch durch entsprechende Vergütungssysteme finanziert werden. Überhaupt sollten Klima- und Umweltschutz auch in Krankenhäusern stärker berücksichtigt werden.
Dass nämlich Umwelt, Klima und Gesundheit eng zusammenhängen, sei bisher vernachlässigt worden, so der Beirat. Der Appell jetzt an die Bundesregierung: Diese Politikbereiche müssten schleunigst zusammengeführt werden - auch auf internationaler Ebene. Am wichtigsten aber sei:
Mark Hugo ist Redakteur in der ZDF-Umweltredaktion
Der weltweite Ausstoß von CO2 steigt weiter an: Für 2024 erwarten die Forschenden des Global Carbon Projects erneut einen Rekordwert. Welche Länder am meisten ausstoßen.