EU will Abschiebungen erleichtern - Kommission legt Plan vor

    EU will Abschiebungen erleichtern:Europa schottet sich weiter ab

    Lara Wiedeking, ZDF-Korrespondentin in Brüssel
    von Lara Wiedeking, Straßburg
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    Leichtere Inhaftierung, Rückführungszentren, mehr Zusammenarbeit: Die EU-Kommission will mit ihrer neuen "Rückführungsverordnung" Abschiebungen erleichtern.

    Europäische Flaggen vor Gebäude der EU-Kommision
    Die EU-Kommission möchte abgelehnte Asylbewerber schneller und konsequenter abschieben. Dafür soll eine einheitliche Lösung für alle Mitgliedsstaaten gefunden werden.11.03.2025 | 1:30 min
    Es soll der große Wurf werden: Die neue "Rückführungsverordnung" der EU-Kommission. Ein sperriger Begriff, doch die Vorschläge dahinter sollen Abschiebungen erleichtern.
    Als die EU vergangenes Jahr das neue Asyl- und Migrationspaket verabschiedete, auch bekannt als GEAS, wurde Rückführungen noch ausgeklammert. Es konnte kein Konsens gefunden werden. Jetzt, mit den neuen, konservativeren Mehrheitsverhältnissen, wird ein neuer Versuch gestartet.
    Der Vorschlag soll eine stärkere Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten ermöglichen: Ist ein Asylbewerber oder eine Asylbewerberin in einem EU-Land abgelehnt worden, soll jeder andere EU-Staat diese Entscheidung anerkennen - und auch die Abschiebung durchführen.

    EU: Engere Zusammenarbeit bei Abschiebungen

    Für die EVP-Abgeordnete Lena Düpont eine der größten Errungenschaften: "Man darf dabei ja nicht vergessen, dass diejenigen, über die wir bei der Rückführungsverordnung jetzt in dem Fall sprechen, schon ein komplettes Verfahren durchlaufen haben", so Düpont.

    Das heißt, die haben schon im wahrsten Sinne des Wortes nach allen Möglichkeiten der Schutzklauseln, der gerichtlichen Überprüfung, einen Ablehnungsbescheid.

    Lena Düpont, EVP-Abgeordnete im EU-Parlament

    Ein fiktives Beispiel: Wurde in Österreich ein Asylantrag abgelehnt und der Mensch reist weiter nach Deutschland und wird dort aufgegriffen, kann in Deutschland kein neues Verfahren durchgeführt werden. Deutschland würde sich dann um die Rückführung kümmern, und bekäme dafür von Österreich einen finanziellen Ausgleich.
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    Abschiebehaft bis zu 24 Monate

    Ausreisepflichtige sollen zudem leichter in Abschiebehaft genommen werden können, vor allem, wenn sie ein Sicherheitsrisiko sind, regulär bis zu 12 Monate. Dann kann die Haft um weitere 12 Monate verlängert werden, wenn es Schwierigkeiten bei der Abschiebung gibt.
    Für den Grünen-Abgeordneten Erik Marquardt stellt das eine große Gefahr dar: "Mit dem neuen Entwurf wird die Möglichkeit geschaffen, Geflüchtete sehr einfach einzusperren und ich glaube, dass die Mitgliedstaaten davon dann Gebrauch machen."

    Dass wir also große Haftlager erleben werden, wo Menschen über lange Zeiträume eingesperrt werden, obwohl sie gar nichts verbrochen haben.

    Erik Marquardt, Grünen-Abgeordneter im EU-Parlament

    Rückführungszentren grundsätzlich möglich

    Es ist nur ein kleinerer Abschnitt in den gut 80 Seiten, doch er dürfte hohe Wellen schlagen: Die Möglichkeit, einen "Return Hub" einzurichten: Jeder europäische Mitgliedsstaat könnte demnach ein Abkommen mit sogenannten Drittstaaten abschließen und dort Rückführungszentren einzurichten.
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    Dass diese wirklich eine Lösung bringen, glaubt Marquardt nicht: "Ich glaube, dass diese Rückführungszentren in Drittstaaten eigentlich so ein bisschen der Goldtopf am Ende des Regenbogens sind. Also man wird ihn lange suchen, aber dann am Ende kein Land finden, das dazu bereit ist, unsere Aufgaben zu übernehmen." Denn die Frage ist, welche Staaten ein Interesse daran haben, abgelehnte Asylbewerberinnen und -bewerber aufzunehmen.
    Häufig wird in diesem Kontext das Albanien-Modell von Italiens Regierungschefin Meloni eingebracht. Ein wichtiger Unterschied: Das Albanien-Modell sieht vor, dass die Asylverfahren im Ausland stattfinden. Nach dieser neuer Verordnung dürfen nur Menschen in ein Rückführungszentrum, nachdem ihr Asylverfahren abgeschlossen ist. Trotzdem: Allein in Deutschland gab es 2024 gut 40.000 Ausreisepflichtige.

    Marquardt bezweifelt Nutzen von Rückführungszentren

    In dem Lager in Albanien hätten zwischen 1.000 und 2.000 Menschen Platz. "Das ist also wirklich keine große Lösung, auch für Italien nicht", so Marquardt.

    Ich glaube, dass hier oft Vorschläge gemacht werden, die in der Praxis gar nicht dazu taugen, etwas zu verbessern, aber die sich in Pressemitteilung recht gut machen.

    Erik Marquardt, Grünen-Abgeordneter im EU-Parlament

    Für die EVP-Abgeordnete Lena Düpont sind die Rückführungszentren eine Möglichkeit, um mit Drittstaaten intensiver zusammen zu arbeiten: "Da geht es vor allen Dingen darum, gemeinsam mit einem Drittstaat eine Kooperationsmöglichkeit zu finden, die dann nicht nur Rückkehrfragen abdeckt. Aber in einem Gesamtansatz beispielsweise auch wirtschaftliche Zusammenarbeit erörtern könnte, im Gegenzug für die Einrichtung eines Rückkehrzentrums."
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    Düpont verweist auch auf die Pflicht der sogenannten Drittstaaten, ihre Staatsbürgerinnen und -bürger wieder aufnehmen zu müssen: "Das ergibt am Ende ein hoffentlich stimmiges Konzept für die Drittstaatskooperation, wo die Mitgliedstaaten jetzt mehr Möglichkeiten haben, das auch beispielsweise mit dem Fokus auf Rückkehr zentralisiert wird."

    Bald Abschiebungen in willkürliche Drittstaaten?

    Wenn das eigene Land kein sicherer Ort ist, dürfen Menschen, deren Asylantrag in der EU abgelehnt wurde, nur in einen Drittstaat abgeschoben werden, zu dem sie eine Verbindung haben. Zum Beispiel Familie vor Ort. Das sollte eigentlich auch unter dem neuen Asyl- und Migrationspakt (GEAS) so möglich sein. Doch auf den Gängen in Straßburg hört man, dass auch diese Regel bald gekippt werden könnte.

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