Debatte um Scheuers Pkw-Maut: Was dürfen Minister?
Millionengrab Pkw-Maut:Debatte um Scheuer: Was dürfen Minister?
von Felix Molchanov
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Verkehrsminister Wissing will prüfen lassen, ob sein Vorgänger Scheuer wegen des Maut-Debakels belangt werden kann. Stellt sich die Frage: Wann verstoßen Minister gegen Recht?
Muss Andreas Scheuer für die Maut-Misere haften?
Quelle: dpa
Im Raum stehen 243 Millionen Euro, die der Bund für das entgangene Maut-Geschäft bezahlen muss. Andreas Scheuer (CSU) hatte 2018 voreilig Verträge abgeschlossen, ohne das Urteil des Europäischen Gerichtshofs abzuwarten. Die Maut erwies sich als europarechtswidrig, der damalige Bundesverkehrsminister musste die Verträge kündigen. Daraufhin forderten die Unternehmen Schadensersatz vom Bund.
Wird der CSU-Politiker mit seinem Privatvermögen dafür haften müssen? Keine einfache Frage, vor allem weil es dafür eine konkrete gesetzliche Regelung braucht.
Schadensersatz auch gegen Minister?
Dazu müsste der Bund Scheuer in Regress nehmen, ihn also zur privaten Zahlung verpflichten können. Im Bundesministergesetz ist das nicht vorgesehen. Zum Fall Scheuer gehen die Meinungen daher auseinander. Trotzdem sind Minister*innen gewisse Grenzen gesetzt.
"Wenn ich als Minister einen Hammer nehme und damit absichtlich den Dienstwagen zerstöre, dann hafte ich gegenüber dem Staat auf Schadensersatz", erklärt Patrick Heinemann, Fachanwalt für Verwaltungsrecht. Wegen einer "unerlaubten Handlung" kann Schadensersatz beansprucht werden.
Schutz von Individualinteressen
Die Hürden dafür sind hoch: Darunter fällt die Verletzung von Rechtsgütern wie hier das Eigentum. Ebenfalls denkbar ist der Verstoß gegen Schutzvorschriften. Das sind Gebote und Verbote, die dem Schutz von Individualinteressen dienen.
Wenn auch mindestens Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit vorliegt, kann es zum Schadensersatz bei Minister*innen kommen, so der Rechtsanwalt. Doch gerade Vorsatz nachzuweisen ist oft schwierig, denn die Handlung muss dann mit Wissen und Wollen begangen worden sein.
Hohe Strafen im Fall von Untreue
Heinemann führt als zweites Beispiel das Delikt der Untreue an, wenn Vermögensinteressen verletzt werden:
Auch hier spielt die Frage des Vorsatzes eine Rolle. Das Delikt wird mit bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe oder Geldstrafe bestraft.
Ein prominentes Beispiel ist die Nürburgring-Affäre um den ehemaligen rheinland-pfälzischen Finanzminister Ingolf Deubel (SPD). Dieser wurde unter anderem wegen Untreue zu einer über zweijährigen Haftstrafe verurteilt, nachdem die Privatfinanzierung des Eifelrennbahn-Ausbaus scheiterte und das Land am Ende auf den hohen Kosten sitzen blieb. Als Aufsichtsratsmitglied der Nürburgring GmbH soll er mehrere 100.000 Euro veruntreut haben.
Minister und Beamte: Wo der Unterschied liegt
Wenn Beamt*innen vorsätzlich oder grob fahrlässig gegen eine ihrer Amtspflichten verstoßen, haften sie. Bei Minister*innen ist das hingegen nicht vorgesehen, es gibt auch keine Disziplinarverfahren wie bei Beamt*innen. Diese besondere Stellung genießen Minister*innen wegen ihrer demokratischen Legitimation.
Der Unterschied zwischen Beamt*innen und Minister*innen wird deutlich am Fall Bärbel Dieckmann (SPD), der ehemaligen Bonner Oberbürgermeisterin. Als Beamtin musste sie von ihrem Privatvermögen Schadensersatz an die Stadt zahlen. Dabei ging es um den Bau eines Kongresszentrums, welches durch einen Investor finanziert werden sollte, der das nötige Kapital allerdings gar nicht aufbringen konnte. Sie verletzte ihre Dienstpflicht, indem sie den Stadtrat nicht ausreichend über finanzielle Risiken informierte.
Trotz aller Warnungen hat Andreas Scheuer als Verkehrsminister die Maut-Verträge unterschrieben. Das Projekt scheiterte. Wer haftet jetzt für die 243 Millonen Euro Schulden?25.07.2023 | 8:12 min
Minister*innen bestimmen im Gegensatz dazu selbst über ihren Geschäftsbereich und können ihre Arbeit deshalb grundsätzlich frei ausüben. Ein rechtsfreier Raum ist dies trotzdem nicht. Auch für Minister*innen gibt es Vorschriften, sie müssen sich an geltendes Recht halten. In vielen Fällen sind die Grenzen dazu klar. Wie es hingegen im Sonderfall Scheuer ausgeht, bleibt abzuwarten.
Felix Molchanov arbeitet in der ZDF-Redaktion Recht und Justiz.
Volker Wissing will prüfen, ob Regressforderungen gegen Scheuer wegen der gescheiterten Pkw-Maut möglich sind. Wie realistisch ist das? Und wieso kommt dieser Schritt gerade jetzt?