Netzagentur sieht Fehlplanung:Oranienburg: Kein Strom für neue Verbraucher
von Antje Klingbeil, Potsdam
Wer in Oranienburg bauen will, muss vorerst auf Strom verzichten. Die Stadtwerke können keine Neuanschlüsse bereitstellen. Laut Experten sei das erst der Anfang.
Oranienburg erteilt aktuell keine Genehmigungen für neue Stromanschlüsse.
Quelle: Hauke-Christian Dittrich/dpa
In Oranienburg, nördlich von
Berlin, genehmigen die zuständigen Stadtwerke derzeit keine Neuanmeldungen von Hausanschlüssen,
Wärmepumpen und E-Auto-Ladesäulen. Grund dafür sind Kapazitätsgrenzen.
Oranienburg: Stadt mit Zuzug
Dazu teilten die zuständigen Stadtwerke auf ihrer Homepage mit, dass im zuständigen Hochspannungsnetz keine ausreichende Leistung für die wachsende Stadt Oranienburg zur Verfügung gestellt werden kann.
Oranienburg zählt derzeit knapp 47.700 Einwohner. In den kommenden Jahren will und wird die Stadt auf 50.000 Menschen anwachsen.
Stromnetzbetreiber können ab Januar bei einer Überlastung des Netzes die Stromzufuhr für Wärmepumpen oder Ladestationen für E-Autos drosseln. Stephanie Barrett berichtet.30.11.2023 | 1:49 min
"Zum erhöhten Strombedarf hat unter anderem das starke wirtschaftliche Wachstum, der Zuzug von Neubürgern nach Oranienburg sowie der verstärkte Einbau von Wärmepumpen geführt", heißt es in dem Schreiben.
Stadtwerke arbeiten an Lösung
Die Stadtwerke würden seit 2023 den Neubau eines eigenen Umspannwerks vorantreiben, das voraussichtlich Ende 2026 den Betrieb aufnehmen wird. Für den Neubau hätten die Stadtverordneten 13,8 Millionen Euro als Eigenkapital zur Verfügung gestellt. Zum Strom-Engpass wurde die Bundesnetzagentur informiert.
Auf Anfrage von ZDFheute teilte die Behörde mit, dass grundsätzlich die Pflicht bestehe, Stromkunden an ihr Netz anzuschließen - das gelte auch für Wärmepumpen und
E-Auto-Ladesäulen.
Bundesnetzagentur verspricht Aufklärung
"Netzbetreiber haben ihr Netz vorausschauend zu ertüchtigen, um grundsätzlich Problemen mit mangelnder Kapazität vorzubeugen", so Sprecherin Marta Mituta von der Bundesnetzagentur.
Weiter heißt es, es habe sich um Fehleinschätzungen bei der Planung gehandelt. Auch Kommunikationsdefizite zwischen den Verantwortlichen kämen in Betracht. Die Aufklärung der Vorgänge dauere an.
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Experten warnen: Stromengpässe kein Einzelfall
In einem Gespräch mit der ZDFheute bekräftigte Energie-Experte Michael Kruse, der der
FDP angehört, dass Oranienburg kein Einzelfall bleiben wird. Der Ausbau der
Erneuerbaren Energien in
Deutschland, fände bisher ohne direkten Zusammenhang mit der Netzausstattung statt. "Wir diskutieren abstrakt, wie viel Erneuerbare Energien wir zusätzlich brauchen und wir diskutieren nicht darüber, wie viel Netzausbau wir brauchen und diese beiden Komponenten werden nicht zusammen gebracht", so Kruse.
Ähnlich äußert sich Professor Dr. Kai Strunz von der TU Berlin. "Wenn gleichzeitig viele Wärmepumpen angeschlossen und auch E-Auto-Ladesäulen ungesteuert betrieben werden, kann es auch in anderen Netzabschnitten grundsätzlich zu
Überlastungen kommen", so Strunz.
Flexible Stromnetze für bessere Nutzung vorhandener Infrastruktur
Für den Energie-Experten sei zudem die Planung der Netzausstattung, nur begrenzt flexibel. Bei einer Lebensdauer von Kabeln und Transformatoren von vielen Jahrzehnten sei es nicht praktikabel, alle Straßenzüge gleichzeitig aufzureißen. Die Ertüchtigung müsse Schritt für Schritt passieren.
"Weiterhin hilfreich sind Smart Grids, also
intelligente Stromnetze. Diese berücksichtigen die aktuelle Auslastung des Netzes, und so würden zum Beispiel
E-Autos nicht gerade dann geladen, wenn sowieso sehr viel elektrische Leistung gebraucht wird. Ich plädiere für einen möglichst flexiblen Ladevorgang, den Einsatz von Speichern oder auch von Batteriewechselstationen. Mit Smart Grids kann man die schon vorhandene Netzinfrastruktur besser ausnutzen."
Lokale Wirtschaft sieht Standort in Gefahr
Auch Gewerbe- und Industrieflächen sind in Oranienburg vom Strom-Notstand betroffen. Die Folgen spüren Firmen vor Ort schon jetzt: "Das ist schon ein herber Einschnitt für den Wirtschaftsstandort, wenn in naher Zukunft nicht angesiedelt werden kann", so Christian Streege von der Industrie- und Handelskammer Oberhavel. Viele Unternehmen wollen sich hier im Speckgürtel Berlins ansiedeln, bestehende Firmen erweitern. Wer bereits einen laufenden Vertrag mit den Stadtwerken hat, brauche sich aber keine Sorgen zu machen.