Schwarz-Grün in NRW:Der Tag X naht im Braunkohle-Dorf Lützerath
von Dorthe Ferber
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2023 soll das symbolträchtige Dorf Lützerath im rheinischen Braunkohlerevier weichen, sagt die schwarz-grüne NRW-Regierung. Ein Problem für die Grünen, aber auch für die CDU.
Lützerath: Ein Name, der insbesondere für die Grünen in Nordrhein-Westfalen zum Problem wurde.
Quelle: dpa
Ein Polizeigroßeinsatz im Januar und Tausende Demonstrierende: Nordrhein-Westfalens grüne Wirtschaftsministerin Mona Neubaur steht vor einem schwierigen Jahresauftakt. Der Tag X naht, die geplante Räumung des letzten Braunkohle-Dorfes Lützerath im rheinischen Revier.
Neubaur droht der Konflikt mit Menschen, die als Grünen-nah gelten. Auf dem Gelände von Lützerath befinden sich derzeit rund 130 Personen, sie haben Baumhäuser gebaut und Barrikaden – der Hambacher Forst lässt grüßen. Schon hat ein Bündnis aus Umweltverbänden und lokalen Initiativen zur Großdemonstration aufgerufen. Greenpeace, der BUND, Fridays for Future und "Alle Dörfer bleiben" – nur eine Auswahl der Initiatoren.
Lützerath: Ein Dilemma für die Grünen
Für die Grünen-Chefin Neubaur ein Dilemma. Neubaur selbst hat ausgehandelt, dass der Braunkohleausstieg im rheinischen Revier um acht Jahre vorgezogen wird und hat im Gegenzug die Räumung Lützeraths zur Kohlegewinnung akzeptiert. Nun wolle sie "deeskalieren", kündigt Neubaur an, einen Besuch vor Ort plane sie aber nicht.
Ungewohnte Töne von der Grünen, die in der Opposition stets an der Seite der Braunkohlegegner zu finden war. Seit Sommer aber regiert Neubaur mit in Nordrhein-Westfalen. Schwarz-grün lautete die Hoffnung, die neue Landesregierung kündigte an, das größte Bundesland zu einem "klimaneutralen Industrieland" umzugestalten.
Schwarz-grüne Regierung unter Druck
Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) und seine grüne Stellvertreterin Mona Neubaur versprachen Nordrhein-Westfalen ökologischer und wirtschaftlich erfolgreicher machen. Aber nach gut einem halben Jahr häufen sich die Negativschlagzeilen.
NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur (B'90/Grüne) im Gespräch mit phoenix-Reporter Marc Steinhäuser auf dem Parteitag der Grünen am 14.10.202215.10.2022 | 8:46 min
Die CDU kämpft vor allem mit dem Landeshaushalt. Die Vorlagen dazu wurden gleich zweimal vom Landesrechnungshof gerügt, dreimal musste der überforderte Finanzminister nachbessern. Die Folge: NRW-Unternehmen und Vereine können nicht mehr in diesem Jahr mit Hilfsgeldern für die hohen Energiekosten rechnen, in anderen Bundesländern hingegen klappt das.
NRW-Regierung erreicht selbst gesteckte Ziele nicht
Tatsächlich hat Wüst sich einen präsidialen Regierungsstil zu eigen gemacht. Kaum eine Äußerung von Wüst zu den Haushaltsquerelen oder den zu erwartenden Auseinandersetzungen um Lützerath, stattdessen gibt es vom NRW-Regierungschef schöne Bilder: Wüst pflanzt Bäume und empfängt ein Friedenslicht.
Dabei fällt es dem CDU-Mann zugleich schwer, die Versprechen aus dem Koalitionsvertrag einzulösen: "Wir wollen Mobilität in der Stadt sowie im ländlichen Raum zuverlässig (…) gestalten" steht dort. Der Satz dürfte den Menschen im Sauerland grade wie ein Hohn vorkommen. Seit einem Jahr ist hier die Rahmedetal-Brücke an der A45 gesperrt, durch Lüdenscheid quält sich seither Umleitungsverkehr von der überregional bedeutenden Nord-Süd-Achse.
Auch mit der Vorfahrt für Windkraft hapert es in Nordrhein-Westfalen, dabei ist das ein grünes Herzensanliegen. Tausend neue Windräder in den kommenden fünf Jahren, so lautet der Anspruch laut Koalitionsvertrag. Im dritten Quartal 2022 aber sind aber grade mal zwanzig neue ans Netz gegangen.
Vom Windkraft-Aufbruch ist nichts zu spüren, das selbst gesteckte Ziel dürfte kaum zu erreichen sein. Ob Energie, Finanzen oder Verkehr – schwarz-grün in Nordrhein-Westfalen hat gerade keinen Lauf. Und der Tag X in Lützerath dürfte die nächste Herausforderung für die Landesregierung werden.
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