AfD-Verbot: Ex-Verfassungsrichter mahnt zur Vorsicht
Debatte über AfD-Parteiverbot:Ex-Verfassungsrichter mahnt zur Vorsicht
von A. Jeske und S. Tacke
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Peter Müller war federführender Verfassungsrichter des NPD-Verbotsverfahrens 2017. Er hat hohe Hürden für ein Parteiverbot mitgeprägt. Und erklärt, was das für die AfD bedeutet.
Sollte die AfD verboten werden? Darüber wird diskutiert. (Symbolbild)
Quelle: picture alliance / blickwinkel
Es gibt wohl kaum jemanden in Deutschland, der besser weiß als Peter Müller, wann eine Partei verboten werden kann. 2017 entschied das Bundesverfassungsgericht, dass die NPD nicht verboten werden durfte. Müller war damals Berichterstatter, also der federführende Richter in dem Fall.
Die Anforderungen an ein Verbot hat Müller entscheidend mitgeprägt - und sie sind hoch. Die NPD befand das Gericht 2017 für zu klein. Denn um verboten zu werden, müsse eine Partei das Potenzial haben, ihr verfassungsfeindliches Programm auch umzusetzen.
Heute wäre bei der AfD diese Hürde leicht genommen. Sie steht in bundesweiten Umfragen aktuell bei mehr als 20 Prozent.
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Politische Auseinandersetzung nicht durch Parteiverbot umgehen
Der ehemalige Verfassungsrichter mahnt dennoch zur Vorsicht, was ein Verbotsverfahren gegen die AfD angeht. "Das Parteiverbot ist die letzte Möglichkeit, sich gegen die Feinde der Demokratie zu verteidigen", so Müller gegenüber dem ZDF. Das Grundgesetz setze in erster Linie auf die politische Auseinandersetzung:
Wann eine Partei verboten werden darf, haben die Richterinnen und Richter des Bundesverfassungsgerichts klar festgelegt. Die Partei muss die Kernelemente der freiheitlich demokratischen Grundordnung gefährden: Das sind die Demokratie, das Rechtsstaatsprinzip und die Menschenwürde.
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Der sogenannte Geheimplan zur Remigration, über den das Recherchenetzwerk Correctiv vergangene Woche berichtete, liefert für die Frage der Verfassungsfeindlichkeit neues Anschauungsmaterial. Bei einem Treffen in Potsdam berieten Rechtsradikale, auch AfD-Parteimitglieder waren dabei, darüber, wie Menschen mit Migrationsgeschichte massenhaft aus Deutschland ausgewiesen werden könnten.
Ex-Verfassungsrichter: Pläne zu Remigration verfassungswidrig
Pläne, die aus Sicht des früheren Verfassungsrichters Peter Müller klar verfassungsfeindlich sind:
Menschen würden so zum Objekt herabgewürdigt. Auch die Unterscheidung zwischen "Biodeutschen und Passdeutschen", die auf dem Treffen besprochen worden sein soll, hält er eindeutig für verfassungswidrig.
Dennoch sei das Treffen nur ein Puzzleteil unter vielen, das das Bundesverfassungsgericht in einem möglichen Parteiverbotsverfahren in die Abwägung einbeziehen müsste. "Ob daraus folgt, dass eine Partei, die, soweit ich weiß, dieses Treffen nicht veranstaltet hat, auf diese Position festgelegt werden kann, das ist eine völlig andere Frage."
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Distanzierungen der AfD müsste das Gericht ebenfalls in die Bewertung einfließen lassen. Co-Parteichefin Alice Weidel hatte das Treffen gegenüber dem ZDF "eine völlig belanglose Veranstaltung" genannt, sich aber dennoch von ihrem Referenten Roland Hartwig getrennt, einem früheren Bundestagsabgeordneten und Teilnehmer des Treffens in der Nähe von Potsdam.
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Müller: "Ich will kein Besserwisser sein"
Ob die AfD verboten werden kann oder nicht, darauf will sich der ehemalige Richter Peter Müller nicht festlegen. "Ich will kein Besserwisser sein", erklärte Müller und betonte, dass dies gegebenenfalls seine früheren Kolleginnen und Kollegen am Bundesverfassungsgericht entscheiden müssten.
Die Aussagen der Führungsspitze der Partei hätten dabei zwar besonderes Gewicht.
"Über die verfüge ich nicht und ich weiß nicht, ob es jemanden gibt, der darüber verfügt." Das Gericht müsste also feststellen, dass rechtsextremistische Ideen wie beispielsweise die "Umvolkung" und Deportationen die gesamte AfD prägen. Klar ist: Die Analyse würde viel Zeit in Anspruch nehmen. Das NPD-Verbotsfahren dauerte vier Jahre lang.
Ann-Kathrin Jeske ist Redakteurin und Sarah Tacke Leiterin der ZDF-Redaktion Recht und Justiz.