"Thüringen Projekt": Was wenn eine autoritäre Partei regiert
"Thüringen Projekt":Was wäre, wenn eine autoritäre Partei regiert
von Jan Henrich
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Könnte eine autoritäre Regierung die demokratischen Institutionen in Deutschland aushebeln? In einem juristischen Forschungsprojekt analysieren Fachleute mögliche Szenarien.
Deutsche Flagge vor dem Reichstag
Quelle: dpa
Angenommen, eine autoritär-populistische Partei käme in Deutschland an die Macht. Wäre es für sie möglich, mit legalen Mitteln die demokratischen Institutionen auszuhebeln? Könnte sie die Unabhängigkeit der Justiz untergraben oder staatlichen Druck auf die Kultur- und Medienlandschaft ausüben?
Seit Jahren beschäftigt sich Maximilian Steinbeis mit diesen Fragen. Der Jurist und Gründer des Portals verfassungsblog.de weiß, wie beispielsweise in Polen oder Ungarn die Schwachstellen der Demokratie ausgenutzt wurden, um einen Staat umzuformen. Und er hält eine ähnliche Entwicklung auch in Deutschland für möglich.
Am Beispiel Thüringen der Frage auf den Grund gehen
Vor Kurzem haben er und sein Team daher das "Thüringen-Projekt" ins Leben gerufen. Am Musterfall des ostdeutschen Bundeslands will die Forschungsgruppe in den nächsten Monaten konkrete Szenarien durchspielen, wie antidemokratische Kräfte auch auf Landesebene nach einer gewonnenen Wahl ihre Macht einsetzen könnten.
Ich mache mir Gedanken darüber, wie gerechtfertigt das deutsche Grundvertrauen in unsere Institutionen ist.
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Maximilian Steinbeis, Gründer verfassungsblog.de
Die Gruppe hat sich bewusst Thüringen als Beispiel ausgesucht. Zum einen steht nächstes Jahr in Thüringen eine Landtagswahl an, bei der die politische Landschaft stark durchmischt ist. Zum anderen würde oft unterschätzt, welchen Einfluss eine Landesregierung nehmen kann, so Steinbeis gegenüber dem ZDF. Organisation der Justiz, Medienaufsicht, Universitäten, Schulen und auch die Polizei sind alles Ländersache.
Zusammenbruch der unabhängigen Justiz in Polen
Beispiele, wie populistische Regierungen vorgehen, um Macht zu zementieren, gebe es genug. Steinbeis verweist auf die Entwicklung in Polen. Kurz nachdem die Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) dort 2015 an die Macht gekommen war, hatte sie eine umfassende Justizreform auf den Weg gebracht.
Die PIS-Regierung hat das Verfassungsgericht in Polen auf Linie gebracht nun ist das Oberste Gericht dran. Demonstranten appellieren an Europa, die polnische Regierung zur Umkehr zu bewegen.04.07.2018 | 4:16 min
Das erste was immer passiert, ist dass sich eine solche Regierung die Justiz vorknöpft.
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Maximilian Steinbeis, Gründer verfassungsblog.de
Dabei seien es aber oft auch kleine Stellschrauben, die eine große Wirkung hätten. Mit einer Herabsenkung des Rentenalters hatte man in Polen versucht, auf einen Schlag viele unliebsame Richterinnen und Richter auszutauschen.
Beispiel Ungarn: Wahlrecht kann zum Machterhalt angepasst werden
Aber nicht nur die Justiz, auch das Wahlsystem selbst könne mit kleinen Veränderungen dem eigenen Machterhalt dienen, erzählt Steinbeis. Die rechtskonservative Regierung von Viktor Orban hatte ihre 2010 gewonnene Zweidrittelmehrheit in Ungarn dazu genutzt, die Wahlgesetze zu ändern.
Die Verteilung und Verrechnung von Direktmandaten wurde beispielsweise reformiert, die Sitzanzahl im Parlament verringert und auch die Wahlkreisgrenzen angepasst. Obwohl das von Orban angeführte Parteienbündnis aus Fidesz und KDNP in den darauffolgenden zwei Wahlen weniger als 50 Prozent der Listenstimmen erhielt, konnte es so dennoch die Zweidrittelmehrheit im Parlament halten.
Entwicklung auch in Deutschland möglich
Steinbeis möchte kein Horrorszenario an die Wand malen, aber möglich seien solche Entwicklungen auch in Deutschland. Einfallstore für Machtmissbrauch würde auch das Grundgesetz bieten.
Man kann keine Verfassung bauen, die so wasserdicht ist, dass sie vor allen Gefahren schützt.
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Maximilian Steinbeis, Gründer verfassungsblog.de
Größte Schwachstelle in Deutschland sei aktuell die Zusammensetzung des Bundesverfassungsgerichts. Die ist in einem einfachen Gesetz geregelt und kann dementsprechend auch mit einfacher Mehrheit geändert werden. Eine autoritäre Regierung könnte die Zahl der Richterinnen und Richter erhöhen, um so auf einen Schlag viele Positionen neu zu besetzen, sagt Steinbeis.
Deshalb sei es wichtig, solche Schwachstellen zu finden und zu analysieren. Im Frühjahr nächsten Jahres wollen er und sein Team die Ergebnisse des "Thüringen-Projekts" veröffentlichen. Konkrete Handlungsanweisungen, wie man die Demokratie resilienter machen kann, soll es dabei noch nicht geben. Das sei dann der nächste Schritt.
Jan Henrich ist Redakteur in der ZDF-Redaktion Recht und Justiz
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