Interview
Debatte um Benin-Bronzen:War die Bundesregierung naiv, Frau Roth?
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Im Dezember haben Annalena Baerbock und Claudia Roth die ersten Benin-Bronzen in Nigeria zurückgegeben. Nun gibt es Kritik. Erstmals äußert sich Claudia Roth im Interview.
Kulturstaatsministerin Claudia Roth, Außenministerin Annalena Baerbock und Nigerias Außenminister Geoffrey Onyeama (v.l.) im Dezember 2022.
Quelle: picture alliance/dpa/Annette Riedl
ZDFheute: Die Außenministerin und Sie haben im Dezember die ersten Benin-Bronzen dem nigerianischen Staat übergeben - auch in der Hoffnung, dass sie öffentlich zugänglich gemacht werden. Nun hat der scheidende nigerianische Präsident die Bronzen dem Nachfahren der Königsfamilie von Benin übereignet, offenbar als Dank für Wahlkampfhilfe. War die Bundesregierung naiv?
Claudia Roth: Nein, ich glaube, wir haben vollkommen richtig gehandelt, und es war allerhöchste Zeit. Wir haben etwas zurückgegeben, was uns nie gehört hat - und zwar ohne Bedingungen. Natürlich gab es lange Verhandlungen darüber, und natürlich wurde in einer gemeinsamen Erklärung im Juli 2022 vereinbart, dass es ein großes Interesse von nigerianischer Seite und unserer Seite gibt, dass ein öffentlicher Zugang zu diesen Kunstwerken besteht.
ZDFheute: Haben Sie denn noch die Hoffnung, dass es einen öffentlichen Zugang zu den Bronzen geben wird?
Claudia Roth: Es ist natürlich eine inner-nigerianische Auseinandersetzung. Und wir wären gut beraten, jetzt mal ein bisschen gelassen darauf zu reagieren. Es ist ein neuer Präsident gewählt worden. Es gibt einen Regierungswechsel. Bisher zuständig für den Umgang mit den Bronzen ist die Nationale Kommission für Museen. Und die haben erklärt, Änderungsanträge eingebracht zu haben. Ich gehe davon aus, dass diese Debatte sehr intensiv in Nigeria geführt wird.
ZDFheute: Auch in Deutschland wird eine sehr intensive Debatte geführt. Es gibt viel Häme, Spott und Kritik…
Claudia Roth: Ich bin ehrlich gesagt über die Reaktionen bei uns in der Bundesrepublik sehr erstaunt und irritiert. Oder man könnte auch sagen: Sie stören mich massiv. Denn irgendwie schwingt da mit: Wir sind naiv, die Afrikaner, die wissen ja nicht, wie man mit Kunstwerken umgeht. Da sind noch so viele Ressentiments.
ZDFheute: War Ihnen denn bei Übergabe der Bronzen klar, dass eine Übereignung an den Oba wahrscheinlich ist?
Claudia Roth: Der Oba, beziehungsweise der Nachkomme der Königsfamilie, ist der ursprüngliche Besitzer. Seiner Familie wurden die Bronzen gestohlen und wie das innerhalb von Nigeria jetzt rechtlich aussieht - die Museen haben rechtliche Verträge und Leihverträge abgeschlossen - wird die nächste Zeit zeigen. Aber noch einmal: Ich bin mir sehr sicher, dass es Zugänge geben wird.
ZDFheute: Deutschland finanziert einen Museumsbau in Benin City, das Edo Museum of West African Art. Bislang sind knapp fünf Millionen Euro bewilligt. Werden weiter Gelder fließen, auch wenn die Bronzen dort nicht gezeigt werden können?
Claudia Roth: Es geht um sehr viel mehr als nur um die Bronzen. Es soll dort in Benin City ein richtig großer Museumskomplex entstehen. Wir sind an einem Pavillon beteiligt. Es soll das wichtigste Museum werden in ganz Westafrika, wo es um Archäologie, über koloniale Raubgut-Geschichte bis hin zu moderner Kunst in Afrika geht. Und ich habe bisher nicht das Gefühl, dass es falsch wäre oder Informationen gibt, die uns zwingen würden, davon zurückzutreten. Im Gegenteil.
ZDFheute: Die Union will in der nächsten Bundestagswoche einen Antrag einbringen, dass die weitere Rückgabe der noch in Deutschland befindlichen Bronzen gestoppt wird, sollte der öffentliche Zugang nicht garantiert werden.
Claudia Roth: Ich glaube, die Union tut sich überhaupt keinen Gefallen, wenn sie ins Horn der AfD bläst.
Dieser Paternalismus muss überwunden werden.
Es war allerhöchste Zeit, dass 2017 zum ersten Mal eine Bundesregierung gesagt hat, wir gehen jetzt mal ran an unsere eigene koloniale Geschichte. Und als wir 2019 angefangen haben, intensive Verhandlungen zu führen, da waren die Bundesländer dabei, da war der Bund dabei, da waren die vielen Museen in Deutschland dabei.
Aber vielleicht trägt die Diskussion dazu bei, dass wir uns jetzt noch intensiver mit unserer kolonialen Vergangenheit auseinandersetzen.
Das Interview führte Andrea Maurer.