Interview
Bundeskanzler Olaf Scholz im ZDF:Kampfjet-Koalition ohne Deutschland?
von Stefanie Reulmann, Berlin
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Kanzler Scholz lässt keine Bereitschaft erkennen, sich an der Kampfjet-Koalition zu beteiligen. Man werde Kiew aber unterstützen, "die eroberten Gebiete wieder freizubekommen".
Der Schritt kam überraschend. Die USA, die bislang eine Lieferung von Kampfjets an die Ukraine kategorisch ablehnten, haben während des Gipfels eine Kehrtwende gemacht. Gemeinsam mit weiteren Ländern wollen sie nun ukrainische Piloten an F-16-Kampfflugzeugen aus amerikanischer Produktion ausbilden. Russland fühlt sich provoziert und hat die westlichen Länder bereits vor möglichen Folgen gewarnt.
Scholz: Vorerst keine Beteiligung an Kampfjet-Koalition
Und der Bundeskanzler? Findet er persönlich vor diesem Hintergrund die geplante Kampfjet-Koalition richtig? Scholz hält sich bedeckt. Das sei "ein Projekt, das nicht von kurzer Dauer ist", sagt er. "Auch die Entscheidung, ob und wann es zur Lieferung solcher Flugzeuge kommt, die wird erst zu einem späteren Zeitpunkt getroffen." So habe der amerikanische Präsident Joe Biden es ausgedrückt.
Die Ukraine benötige allerdings schon jetzt konkrete Unterstützung. Diese hat Deutschland ihr auch zugesagt, "indem wir jetzt nochmal ganz neu gesagt haben, welche weiteren Lieferungen von Munition, von Waffen, wir auf den Weg bringen werden", so Scholz. Damit wolle die Bundesregierung "die jetzt anstehenden Vorhaben der Ukraine unterstützen, die eroberten Gebiete wieder freizubekommen".
„Es gibt Bewegung bei der Kampfjet-Frage, die Amerikaner sind jetzt nicht mehr ganz dagegen“, berichtet ZDF-Korrespondent Ulf Röller vom G7-Gipfel in Hiroshima. 20.05.2023 | 2:25 min
Mehr Unabhängigkeit von China
Doch nicht nur ihre "unerschütterliche Unterstützung für die Ukraine" haben die G7-Staaten auf dem Gipfel im japanischen Hiroshima erneut bekräftigt, sie wollen sich künftig auch unabhängiger von China machen, nicht nur wegen der dortigen Menschenrechtssituation. China zeigt sich empört, fühlt sich diskreditiert und wirft den G7 Blockbildung vor. Diese müssten aufhören, Konfrontation und Spaltung zu verbreiten, heißt es aus Peking.
In der ZDF-Sendung "Berlin direkt" betont der Bundeskanzler, es gehe nicht um eine Konfrontation mit China, im Gegenteil. Man wolle den wirtschaftlichen Aufschwung vieler Länder voranbringen, etwa aus Südamerika, Afrika oder Asien. Auch in China gebe es viele Menschen, die "unverändert noch in sehr prekären wirtschaftlichen Verhältnissen" lebten.
Miteinander auf Augenhöhe
Es gehe nicht darum, in China "das wirtschaftliche Wachstum zu behindern", sagt Scholz, "es gehe darum, dass wir dafür sorgen, dass es nicht dazu kommt, dass man abhängig wird voneinander, sondern die Welt funktioniert dann gut, wenn sie möglichst breitflächig aufgestellt ist".
Der Kanzler sieht die künftige Welt als eine multipolare, "mit sehr vielen, auch sehr starken Nationen, die in den Ländern im Süden Amerikas, in Afrika und Asien entstehen und sich weiterentwickeln". Damit das Miteinander gut funktioniere, müsse man "jetzt spätestens anfangen, auf Augenhöhe miteinander zu sprechen", sagt Scholz.
Koalitionsstreit um Heizungsgesetz
Ein gutes Miteinander - das täte wohl auch der Ampelkoalition in Berlin gut. Bei ihr herrscht Streit. Der Grund: Das geplante Gebäudeenergiegesetz. Die FDP macht Druck. Nach der Entlassung von Energiestaatssekretär Patrick Graichen soll das Heizungsgesetz nach ihrem Willen noch einmal komplett auf den Prüfstand. Nicht nur inhaltlich müsse nachgebessert werden, auch der Zeitplan müsse verschoben werden, heißt es seitens der Liberalen.
Eigentlich hatten die Koalitionäre vereinbart, das Gesetz bis zur Sommerpause zu verabschieden. Die Grünen wollen an diesem Zeitplan festhalten. SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich lässt offen, ab wann die neuen Regelungen gelten sollen. Und der Bundeskanzler?
Er zeigt sich zufrieden mit dem Gesetzentwurf, der "schon viele, viele der Sorgen und Bedenken, die Viele berechtigt geäußert haben, aufgegriffen" habe. Trotzdem stellt er weitere Änderungen in Aussicht und zitiert den ehemaligen SPD-Fraktionsvorsitzenden Peter Struck.
Ziel: Klimaneutral und zumutbar
Gleichzeitig zeigt sich Scholz zuversichtlich, "dass es jetzt nicht dazu kommt, dass im Kern große Veränderungen vorgenommen werden". Trotzdem müssten Bedenken ausgeräumt werden. Das Gesetz müsse geeignet sein, die Ziele zu erreichen, nämlich "klimaneutral" zu wirtschaften, und gleichzeitig dürfe niemand "überfordert" oder "vor eine unlösbare Aufgabe gestellt" werden, sagt Scholz.
Auf die Frage, ob sein politisch angeschlagener Vizekanzler und Wirtschaftsminister Robert Habeck noch das politische Gewicht für diese schwierige Aufgabe habe, sagt der Kanzler nur knapp: "Klar." Er musste schnell los.
Quelle: ZDF