USA gehen gegen TikTok vor: Könnte es ein Verbot geben?
Kongress befragt Firmenchef:USA gehen gegen TikTok vor: Kommt ein Verbot?
von Alexandra Hawlin, Washington D.C.
|
Die USA nehmen TikTok ins Visier, drohen mit einem landesweiten Verbot. Heute stellt sich CEO Shou Zi Chew den Fragen von US-Abgeordneten.
In den USA ist wegen der Verbindungen nach China ein Verbot von TikTok im Gespräch. Der Firmenchef muss die populäre Video-App nun im Kongress verteidigen.
"Es ist unser Zuhause, ein Ort, wo wir gemeinsam die Pandemie überlebt haben, wo wir Beziehungen aufbauen", sagt Vitus Spehar aus Rochester, New York über die Videoplattform TikTok. Rund 30 Creators aus dem ganzen Land haben sich am Mittwochabend vor dem Kongressgebäude versammelt, um gegen ein mögliches Verbot der App in den USA zu protestieren.
TikTok "ist unser Zuhause", sagt Content-Creator Vitus Spehar.
Quelle: ZDF
"Egal, welche Hautfarbe, sexuelle Orientierung oder Ressourcen du hast, TikTok gibt dir eine Chance", sagt Baedri Nichole aus Columbus, Ohio, die eine Bäckerei betreibt und auf TikTok als Marketingtool setzt.
US-Präsident und Kongress gehen gegen TikTok vor
Ein Aufschrei geht durchs Land. Denn US-Präsident Joe Biden hat den Besitzern der Video-Plattform TikTok eine Art Ultimatum gestellt: Entweder ihr verkauft TikTok in den USA oder wir verbieten die App landesweit.
Ein solches Verbot könnte fast die Hälfte aller Amerikaner betreffen, denn nach Angaben von TikTok wird die App von mehr als 150 Millionen Amerikanerinnen und Amerikanern genutzt.
Nicht nur der Präsident, auch US-Abgeordnete beider Parteien haben Sicherheitsbedenken und wollen mit Gesetzen gegen TikTok vorgehen. In einer Anhörung stellt sich TikToks CEO am Nachmittag ihren Fragen.
Welche Sorgen haben die USA?
TikTok gehört zum chinesischen Konzern ByteDance und ist die App, die weltweit die meisten Downloads und eine Milliarde Nutzer*innen zählt. Sie ist damit die einzige große und auch im Westen erfolgreiche Social-Media-Plattform, die nicht aus den USA stammt.
Die US-Regierung hat im Hinblick auf TikTok insbesondere zwei Bedenken:
1. Datensicherheit und Datensammlung
TikTok sammelt in den USA, wie jede andere Social-Media-Anwendung auch, Daten über die Nutzer*innen: welche Videos sie sich anschauen, welche Kommentare sie schreiben, Privatnachrichten, den Such- und Browserverlauf, die Email-Adresse, Telefonnummer und – wenn man zustimmt – auch den Standort und die Kontaktliste.
Besorgniserregend für die Politik ist aber die Tatsache, dass diese Daten an die chinesische Regierung weitergegeben werden könnten. Hintergrund ist das Nationale Nachrichtendienstgesetz der Volksrepublik China von 2017. Dieses kann so gelesen werden, dass chinesische Nachrichtendienste von jedem verlangen können, für sie auszuspähen oder Daten herauszugeben.
2. Beeinflussung von Nutzer*innen und Propaganda
Je nachdem welche Videos TikTok den User*innen anzeigt – oder nicht anzeigt – könnten Nutzer*innen beeinflusst werden. Immer wieder gibt es Berichte, wonach die App bestimmte, zum Beispiel China-kritische, Inhalte nicht so gut ausspielt oder gar zensiert.
Welche Beweise liegen vor?
Bisher sprechen Regierungsvertreter und Behörden wie das FBI von der Gefahr und dem potenziellen Risiko, dass es zu einer Datenübergabe an die chinesische Regierung kommen könnte. "Keine Beweise dafür wurden jemals öffentlich dargelegt", sagt Adam Segal, Experte für Cybersicherheit bei Council on Foreign Relations.
Wenn man von einer Gefahr für die nationale Sicherheit spreche, müsste diese auch belegt werden, sagt auch Darrell West, Politikwissenschaftler am Center for Technology Innovation. "Ich würde gerne mehr Belege dafür auf dem Tisch sehen."
Misstrauisch macht ein Vorfall: Mitarbeiter von ByteDance haben Journalisten ausgespäht. Forbes-Mitarbeiter wurden dabei über ihre Nutzerdaten und IP-Adresse ausfindig gemacht. ByteDance bestätigte den Vorfall und hatte die Mitarbeiter entlassen. Das US-Justizministerium und das FBI ermitteln in dem Fall.
Der österreichische TikToker Wurstaufschnitt erlebt im Alltag Homophobie und Rassismus. Seine Wut darüber verarbeitet er in seinen Videos und verwandelt sie in Humor.22.03.2023 | 1:26 min
Welche Fälle von Datenraub seitens China sind bekannt?
Die USA lasten China eine Reihe von Cyberattacken an und gehen davon aus, dass die Regierung hinter den Angriffen steht. Diese stehen aber nicht im Zusammenhang mit TikTok.
Hier drei Beispiele der größten Fälle:
Einer der größten Datendiebstähle in der Geschichte der USA wurde 2017 aufgedeckt. Es handelte sich dabei um einen Datendiebstahl bei der Wirtschatsauskunftei Equifax, von dem fast 150 Millionen Amerikaner betroffen waren – laut US-Behörden von chinesischen Regierungshackern durchgeführt. Die Angreifer waren auch an die Sozialversicherungsnummern der Opfer gelangt. Zudem sollen sich die Angreifer auch Zugang zu Namen, Geburtsdaten und Adressen verschafft haben - und zu den Fahrerlaubnis-Nummern von mindestens zehn Millionen Amerikanern. Das betonte das Justizministerium. Cybersicherheitsexperten zufolge war das Motiv wohl Spionage. Die Daten könnten für die Rekrutierung von Spionen benutzt werden oder die Hacker könnten Deckungsidentitäten für chinesische Agenten platziert haben. Das US-Justizministerium hatte 2020 vier Angehörige der Chinesischen Volksbefreiungsarmee angeklagt.
Bei einer Hacker-Attacke auf die US-Bundespersonalbehörde OPM verschafften sich Cyber-Angreifer 2015 Zugang zu persönlichen Daten von 22 Millionen Bediensteten und die Fingerabdrücke von 5,6 Millionen Beschäftigten.
Hacker stahlen die persönlichen Informationen von beinahe 80 Millionen derzeitigen und früheren Kunden und Mitarbeitern des Krankenversicherers Anthem. Der Zugriff endete erst nach mehr als sieben Monaten im Januar 2015. Zwei Mitglieder einer Hackergruppe in China wurden später wegen des größten Hackerangriffs auf das Gesundheitssystem in der Geschichte der USA angeklagt. Zu den abgegriffenen Daten gehörten Sozialversicherungsnummern, Geburtsdaten, E-Mail-Adressen, Daten zur Beschäftigung, zum Einkommen und Wohnadressen.
Wie würden die USA ein TikTok-Verbot durchsetzen?
Auf Regierungsgeräten ist die App in den USA bereits gesperrt – einige Universitäten sind mitgezogen. Um TikTok zu nutzen, müssen Studierende also ihre mobilen Daten verwenden.
Wie die US-Regierung aber ein landesweites TikTok-Verbot durchsetzen würde, darüber wurden bislang keine Angaben gemacht. Selbst Experten rätseln. "Eine Möglichkeit wäre es, die IP-Adresse zu blockieren, dann hätte man die App zwar auf dem Handy, aber sie würde nicht funktionieren", sagt Segal. Eine andere Möglichkeit wäre, TikTok aus dem App Store und von Google Play zu verbannen, so dass sie nicht mehr neu heruntergeladen werden kann und Nutzer keine Updates mehr bekommen würden. Das würde die Nutzung der App beeinträchtigen.
Doch selbst wenn ein Verbot ausgesprochen werden würde, vermuten Experten, dass es vor Gericht kaum Bestand hätte. Gegner des Verbots berufen sich vor allem auf die Redefreiheit, die vom ersten Verfassungszusatz garantiert wird.
Ein Verbot von TikTok würde die Rechte von Millionen Amerikanern verletzten, die die App täglich zur Kommunikation und zum Ausdruck ihrer Meinung nutzen, so die NGO ACLU (American Civil Liberties Union), die sich für die Bürgerrechte in den USA einsetzt.
"Egal, ob wir über die Nachrichten des Tages diskutieren, Proteste livestreamen oder uns Katzenvideos ansehen, wir haben das Recht, TikTok und andere Plattformen zu nutzen, um unsere Gedanken, Ideen und Meinungen mit Menschen im ganzen Land und auf der ganzen Welt auszutauschen", sagt Jenna Leentoff von ACLU.
Wie reagiert TikTok auf die Vorwürfe?
Unter der Initiative "Project Texas" hat das Unternehmen schon in den vergangenen Jahren einige Maßnahmen ergriffen, um die Datensicherheit zu verbessern – vor allem nach den Vorfällen der Ausspähung von Journalisten seitens Mitarbeitern von ByteDance.
Lange hat TikTok US-Nutzerdaten in Rechenzentren in den USA und Singapur gespeichert. Vor rund zwei Jahren hat das Unternehmen den Standardspeicherort geändert und die US-Nutzerdaten werden nur noch an die Oracle Cloud weitergeleitet. Die Server befinden sich in den USA und nur eine limitierte Zahl an Mitarbeitenden hat Zugang. Die Datenpraktiken wurden in Zusammenarbeit mit der US-Regierung entwickelt.
Auf die Vorwürfe, TikTok könnte Daten von US-Nutzern an die chinesische Regierung weitergeben, antwortete TikToks CEO Shou Zi Chew in einem Statement an den Senat im Juni 2020:
Heute stellt er sich in einer Anhörung den Fragen von US-Abgeordneten im Ausschuss für Energie und Handel des Repräsentantenhauses. In den vergangenen Tagen fuhr er mit TikTok Creators eine Charme-Offensive in Washington, soll US-Abgeordnete getroffen haben und hat Neuerungen angekündet, die die Politiker besänftigen sollen. Ob er Washington damit überzeugen kann?