Nahost: Was Trumps "Ultimatum" für die Waffenruhe bedeutet

    Trump und die Waffenruhe in Gaza:Nahost-Experte: Lage ist "hochgradig riskant"

    von Christian Harz, Washington D.C.
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    Die Waffenruhe in Gaza ist in Gefahr - nicht zuletzt durch Donald Trumps "Ultimatum". Ein Blick auf Trumps Agenda und die Folgen für die Menschen vor Ort.

    Nahostexperte Jan Busse zuegschaltet via Zoom
    Der gesundheitliche Zustand der zuletzt freigelassenen Geiseln habe gezeigt: Die Zeit drängt, sagt Nahostexperte Dr. Jan Busse. 11.02.2025 | 14:33 min
    Die "Hölle" werde losbrechen, wenn die Hamas nicht alle israelischen Geiseln bis Samstag freilasse, drohte US-Präsident Donald Trump Montagabend in Washington.
    Wenige Stunden später, mit der Rückendeckung des Republikaners im Weißen Haus, verlangt auch der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu:

    Wenn die Hamas unsere Geiseln nicht bis Samstagmittag zurückgibt, wird die Feuerpause enden.

    Benjamin Netanjahu, Israels Ministerpräsident

    Netanjahu droht mit heftigen Kämpfen. Das israelische Militär wurde bereits in höchste Alarmbereitschaft versetzt.
    Nach der Ankündigung der radikal-islamistischen Terrororganisation Hamas, dass sie weitere Geiseln nicht wie vorgesehen Ende der Woche übergeben werde, sowie den Reaktionen aus Israel und den USA wackelt die Waffenruhe nur wenige Wochen, nachdem sie zustande gekommen ist.
    Thomas Reichart
    US-Präsident Trump hat das israelische Ultimatum bezüglich der Freilassung weiterer Geiseln durch die Hamas mit deutlichen Worten bekräftigt. Einschätzungen von Thomas Reichart. 12.02.2025 | 1:07 min

    Experte: Lage ist "hochgradig riskant"

    Das Ganze sei "hochgradig riskant", erklärt Jan Busse von der Bundeswehr-Universität in München. Schließlich wurde die geltende Waffenruhe über Monate hinweg verhandelt.
    Trumps Ultimatum stelle all diese Bemühungen infrage, erklärt der Nahost-Experte.

    Unmittelbar, würde ich sagen, ist das Leben der Geiseln in Gefahr.

    Jan Busse, Nahost-Experte

    In dem Moment, in dem Israel von den USA "wieder grünes Licht für die Aufnahme von Kampfhandlungen" erhält, wäre das Abkommen zunichte, so Busse. Dann würden sich weder Israel noch die Hamas an die getroffenen Abmachungen halten.

    Flächenbrand in Nahost?

    Man würde dahin zurückkehren, "was wir bis Mitte Januar erlebt haben": Krieg. Das wäre für die verbleibenden Geiseln und die palästinensische Zivilbevölkerung eine Katastrophe, so der Nahost-Experte.

    Die palästinensische Zivilbevölkerung als auch die verbliebenen Geiseln müssen dann um ihr Leben fürchten.

    Jan Busse, Bundeswehr-Universität München

    Gleichwohl wäre eine erneute Eskalation zwischen der Terrororganisation und Israel nicht nur für die direkt Beteiligten verheerend, sondern könnte auch die gesamte Region weiter destabilisieren, warnt Busse.
    Gaza
    Anfang Februar war Netanjahu als erster ausländischer Staatsgast vom neuen US-Präsidenten Trump empfangen worden.04.02.2025 | 2:25 min

    Abkommen auf der Kippe: Im Interesse Netanjahus?

    Eine durchdachte Strategie sieht der Nahost-Experte in Trumps Vorpreschen nicht. Die Drohung des US-Präsidenten könnte vor allem dem israelischen Premierminister Netanjahu in die Karten spielen, so Busse.
    Es gebe auf "jeden Fall Hinweise", dass Netanjahu gar nicht daran interessiert sei, den "Geiseldeal zu Ende zu bringen". So habe Netanjahu bereits mehrfach signalisiert, dass sein vorrangiges Kriegsziel die Vernichtung der Hamas bleibe - was durch das Abkommen laut Busse jedoch nicht zu realisieren ist.
    Bilder der von Hamas entführten Geiseln hängen am Zaun vor der Neuen Synagoge Berlin.
    Nach dem Stopp der Geisel-Freilassungen durch die Hamas hat das israelische Sicherheitskabinett beraten.11.02.2025 | 0:17 min
    Zudem sei die Zustimmung zum Deal wohl auch durch Zugeständnisse an Netanjahus rechtsextreme Koalitionspartner erkauft worden. Diese fordern eine Fortsetzung der Kämpfe - und Netanjahu soll ihnen in Aussicht gestellt haben, nach der ersten Phase des "Geiseldeals zum Krieg zurückzukehren".

    Trumps "Riviera"-Plan für Gaza höchst umstritten

    Gleichzeitig sorgt Trump nicht nur mit seinen aktuellen Drohungen für Bedenken, sondern auch mit seinem höchst umstrittenen "Gaza-Plan". Seine Idee: die palästinensische Bevölkerung aus dem Gazastreifen umsiedeln und das Gebiet zur "Riviera des Nahen Ostens" umbauen.
    Der Vorschlag verstoße gegen Völkerrecht und die Genfer Konvention und stelle ein Kriegsverbrechen und ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit dar, sagt Busse. Er bekräftigt:

    Ich würde sagen, seine Ankündigungen haben schon mal das Potenzial, die Region zu destabilisieren.

    Jan Busse, Nahost-Experte

    US-Präsident Donald Trumps Rede am 05.02.25
    US-Präsident Trump spaltet mit seinen Aussagen zur Zukunft des Gazastreifens. Er will das Gebiet "in Besitz nehmen" und die etwa zwei Millionen Bewohner in Nachbarländer umsiedeln.05.02.2025 | 2:45 min

    Jordaniens König lehnt Trumps Gaza-Pläne ab

    Nach dem Willen Trumps sollen die zwei Millionen Menschen aus dem Gazastreifen nach Jordanien und Ägypten umgesiedelt werden.

    Dagegen verwehren sich diese beiden Staaten vehement.

    Jan Busse, Nahost-Experte

    Am Dienstag besuchte der jordanische König Abdullah II. das Weiße Haus, wo der US-Präsident an seinen Pläne von einem Touristengebiet in Gaza festhielt. "Ich denke, es wird großartig für die Palästinenser sein", sagte er. "Sie werden es lieben", glaubt Trump.
    Zwar bot Jordanien an, 2.000 kranke Kinder aus dem Gazastreifen aufzunehmen. König Abdullah II. bekräftigte aber zugleich im Onlinedienst X, er habe dem US-Präsidenten seine "entschiedene Ablehnung der Umsiedlung von Palästinensern" aus dem Gazastreifen und dem Westjordanland zum Ausdruck gebracht. Er habe zudem betont, dass es sich dabei um eine "gemeinsame arabische Position" handele. 
    Jordan's King Abdullah II and Donald Trump
    Präsident Trump hat beim Treffen mit Jordaniens König Abdullah den US-Anspruch auf Gaza bekräftigt. Sein Plan: Palästinenser sollten in Jordanien und Ägypten aufgenommen werden. 12.02.2025 | 2:27 min

    Nahost-Experte: Trumps Pläne könnten arabische Staaten zusammenbringen

    Das Auftreten des jordanischen Königs in Washington deutet der Nahost-Experte Busse als Signal für eine mögliche Reaktion der arabischen Staaten auf Trumps Ideen.

    Vielleicht schweißt das [Trumps Pläne] die arabischen Staaten zusammen, weil sie auch den Ernst der Lage erkennen.

    Jan Busse, Nahost-Experte

    Auch Saudi-Arabien habe klargemacht, dass eine Normalisierung der Beziehungen mit Israel nur mit einer tragfähigen Lösung für die Palästinenser einhergehen kann. Busse bilanziert:

    Ich denke, was wir auf jeden Fall feststellen können, ist, dass diese Ankündigung von Trump nicht unbedingt zu Ende gedacht ist.

    Jan Busse, Nahost-Experte

    Das Interview führte Philip Wortmann.
    Quelle: ZDF

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