Krieg im Sudan: "Fürchten, dass es noch viel schlimmer wird"
Interview
Krieg im Sudan:"Fürchten, dass es noch viel schlimmer wird"
von Marcel Burkhardt
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Brutaler Machtkampf, wachsendes Elend: Frauke Ossig, Nothilfekoordinatorin der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen, schildert die existenzielle Bedrohung der Bevölkerung im Sudan.
Sudanesische Flüchtlinge, die vor dem Konflikt im Sudan geflohen sind, im Flüchtlingslager Zabout in Goz Beida, Tschad.
Quelle: picture alliance / ASSOCIATED PRESS
ZDFheute: Seit fast fünf Monaten bekämpfen sich im Sudan Armee und Paramilitärs; das Land versinkt immer tiefer im Chaos. Wie erleben Sie das Geschehen?
Frauke Ossig: Die Menschen leiden unter unfassbarer Gewalt; inzwischen sind etwa 3,5 Millionen Sudanesen innerhalb des Landes auf der Flucht, mehr als eine Million sind in die Nachbarländer geflohen.
Da spielen sich unglaubliche Tragödien ab: Die Menschen haben alles verloren, ihre Heimat, oft durch Kämpfe auch Familienangehörige.
Es fehlt an Trinkwasser, Lebensmitteln, Medikamenten. Die Geflüchteten müssen bei Verwandten, in Camps oder Schulen auf engstem Raum unter extremen hygienischen Bedingungen ausharren.
Quelle: Privat
…arbeitet seit mehr als acht Jahren als Nothilfekoordinatorin für die Hilfsorganisation "Ärzte ohne Grenzen" an den Brennpunkten dieser Erde. Vor ihrem Einsatz im Sudan war sie unter anderem in der Ukraine, in Syrien, im Jemen, in Bangladesch und Sierra Leone tätig.
ZDFheute: Welche staatlichen Hilfen gibt es für Verletzte und Kranke?
Ossig: Das staatliche Gesundheitssystem war schon vor Ausbruch der Kämpfe sehr schwach und bricht nun unter der Last fast völlig zusammen. Etwa 80 Prozent der Krankenhäuser sind nicht mehr funktionsfähig.
Wir unterstützen die verbliebenen Hospitäler so gut wir können - aber es brennt überall, weil es so viele zivile Opfer der Kämpfe gibt; Menschen mit Schusswunden, Verletzungen durch Granatensplitter, Verbrennungen.
Hinzu kommen andere Notfälle, weil chronische Kranke - zum Beispiel Diabetiker - keinen Zugang mehr zu Medikamenten haben und ihre Krankheit lebensbedrohlich wird.
ZDFheute: Was sind aus Ihrer Sicht die derzeit größten Herausforderungen für das medizinische Personal?
Ossig: Der Engpass an Medikamenten ist ein Riesenproblem. Wenn nach Kämpfen viele schwerverletzte Menschen eingeliefert werden, ist das auch eine extrem herausfordernde Situation.
Hinzu kommt, dass sich die Konfliktparteien auch in Wohngebieten und auf Marktplätzen bekämpfen, sodass die medizinischen Helferinnen und Helfer auf dem Weg zur Arbeit ständig Gefahren ausgeliefert sind.
ZDFheute: Wie sieht Ihr Alltag als Nothilfekoordinatorin derzeit aus?
Ossig: Wir versuchen, dem medizinischen Personal den Rücken freizuhalten. Die größten Probleme haben wir aktuell, genügend internationale Helfer ins Land zu bekommen, weil die bürokratischen Hürden bei der Visa-Vergabe sehr hoch sind.
Große bürokratische Barrieren gibt es auch beim Transport von Medikamenten im Land. Wir sind sehr stark damit beschäftigt, die nötigen Genehmigungen einzuholen, um die Hilfe dort leisten zu können, wo sie am dringendsten gebraucht wird. Wir stoßen derzeit aber an unsere Grenzen, weil so unglaublich viel Not herrscht.
ZDFheute: "Hunderttausende Kinder sind schwer mangelernährt und drohen zu sterben, wenn sie nicht behandelt werden" - mit diesen Worten warnte der Nothilfekoordinator der Vereinten Nationen, Martin Griffiths, vor wenigen Tagen vor einer humanitären Katastrophe im Sudan. Gibt es etwas, das Ihnen derzeit Hoffnung macht für das Überleben dieser Kinder?
Ossig: Hoffnung? Derzeit fürchten wir, dass es noch viel schlimmer wird für die Menschen im Sudan. Wir sehen nicht, dass die Kämpfe enden. Im Gegenteil: Die Zivilisten, darunter auch Kinder, sind der Gewalt völlig schutzlos ausgeliefert.
Das Einzige, was mich zuversichtlich stimmt, ist zu sehen, wie engagiert die Hilfsteams ihre Arbeit vorantreiben und der Bevölkerung zur Seite stehen. Sei es beim Aufbereiten von Trinkwasser, in den Vertriebenencamps oder den Hospitälern. Sie geben die Leute nicht auf. Dafür nehmen sie selbst immense Risiken in Kauf.
Frauke Ossig bei ihrer Arbeit als Nothilfekoordinatorin von Ärzte ohne Grenzen.
Quelle: Privat
ZDFheute: Es gibt Berichte, wonach auch Helferinnen und Helfer Opfer von Angriffen geworden sind. Was fordern Sie von den Kriegsparteien?
Ossig: Die Konfliktparteien müssen die Zivilbevölkerung vor Gewalt schützen. Sie müssen den Menschen die Chance geben, sich in Sicherheit zu bringen. In Teilen des Landes haben die Leute überhaupt keine Chance, aktive Kampfzonen zu verlassen.
Zudem müssen die Konfliktparteien den Schutz der Krankenhäuser und des medizinischen Personals gewährleisten. Derzeit leben die Kollegen ständig in Angst, dass Kliniken angegriffen werden. Diese Bedrohung ist völlig inakzeptabel.
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