Ein Jahr nach Korruptionsskandal: Was aus "Katargate" wurde
Ein Jahr nach Korruptionsskandal:Was aus "Katargate" geworden ist
von Isabelle Schaefers, Brüssel
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Große Reformen sollten das EU-Parlament vor neuen Korruptionsskandalen schützen. Doch ein Jahr nach "Katargate" ist nicht viel passiert, die Verdächtigen längst auf freiem Fuß.
Der Bestechungsskandal im EU-Parlament jährt sich zum ersten Mal. Länder wie Katar sollen versucht haben, Entscheidungen zu beeinflussen.08.12.2023 | 2:04 min
Von einem "Angriff auf die europäische Demokratie" sprach die EU-Parlamentspräsidentin Roberta Metsola als vor einem Jahr die Korruptionsaffäre im Europaparlament bekannt wurde. Sie versprach Konsequenzen im eigenen Haus.
Die belgische Justiz deckte nach und nach weitere Details auf. Doch heute sind alle Verdächtigen frei, die Abgeordneten unter ihnen zurück im Parlament. Was ist aus "Katargate" geworden?
Bei der belgischen Tageszeitung Le Soir feierte man vor einem Jahr einen journalistischen Coup, als hier die Korruptionsaffäre im Europaparlament öffentlich gemacht wurde.
Ein Jahr danach sieht die Bilanz durchwachsen aus. "Die Untersuchungen sind nicht abgeschlossen und nicht perfekt. Aber im letzten Jahr konnten die Behörden eine Reihe von wichtigen Informationen und Fakten sammeln und es gibt mehrere Personen, die heute angeklagt sind", sagt Louis Colart, Redakteur bei Le Soir.
Justizbehörden in der Kritik
Der Vorwurf: Sie sollen Geld von Katar und Marokko angenommen haben, um in der EU im Sinne dieser Länder zu handeln. Im Fadenkreuz der Behörden sind unter anderen vier Europaabgeordnete. Darunter die Hauptfigur des Skandals: die Griechin Eva Kaili, ehemals Vizepräsidentin des Europaparlaments.
Alle waren oder sind in der sozialdemokratischen Fraktion, alle sind wieder oder immer noch als Abgeordnete tätig.
Die ehemalige Vizepräsidentin des EU-Parlaments steht seit Juni nicht mehr unter Hausarrest und darf wieder an den Plenarsitzungen des EU-Parlaments teilnehmen. 13.06.2023 | 3:43 min
Die Behörden stehen mittlerweile in der Kritik, weil sie wenig Konkretes erreicht haben. Das ganze Verfahren sei schon deshalb eine Farce, weil die Justiz sich von den Medien treibe lasse - meint der Anwalt von Eva Kaili, Christophe Marchand.
Deshalb werde Eva Kaili an den Pranger gestellt, sagt Marchand weiter, "um sie zu vernichten. Und es ist natürlich schwierig, sich zu verteidigen, wenn man bereits in der Presse verurteilt wurde".
Image-Schaden für alle
Andere sehen weniger eine gewollte Kampagne als vielmehr ungewollte Fehler der Justiz als das Problem. "Die Tollpatschigkeit der belgischen Behörden zieht die Ermittlungen unnötig in die Länge und sorgt für eine Relativierung der Anstrengungen, die das Europäische Parlament im Gesetzgebungsprozess für Rechtsstaatlichkeit und Korruptionsbekämpfung unternimmt", sagt Moritz Körner, Europaabgeordneter der FDP.
Dabei hadert auch das Europaparlament selbst noch mit der internen Aufarbeitung. Aus den großen angekündigten Reformen sind bisher eher Reförmchen zu sehen. Das Parlament hat strengere Transparenzregeln eingeführt.
Doch alle sind sich einig, dass die im Fall von "Katargate" nichts verhindert hätten. Eine noch zu gründende Ethikbehörde soll deshalb für mehr Kontrolle der Regeln sorgen.
Experten: Prozess nicht vor 2025
"Das Europäische Parlament ist von dem Skandal vor einem Jahr kalt erwischt worden", sagt Daniel Caspary, Europaabgeordneter der CDU.
"Hinzu kommt, dass dadurch das freie Mandat massiv eingeschränkt wird und rechtschaffene Abgeordnete durch bürokratische Auflagen übermäßig belastet werden", so Caspary.
Aber Louis Colart von Le Soir möchte auch das Positive sehen: "Zum Glück hat sich nicht herausgestellt, dass der Skandal noch viel mehr Abgeordnete betrifft. Der Kreis der Verdächtigen ist gleich geblieben und doch übersichtlich."
Wann die Ermittlungen genau abgeschlossen sind und wann der Prozess starten kann, weiß niemand genau. Einige sagen, nicht vor 2025.