Braunau am Inn: Die umstrittene Zukunft des Hitler-Hauses

    Braunau am Inn:Die umstrittene Zukunft des Hitler-Hauses

    von Philipp Wohltmann
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    Die Bauarbeiten an Adolf Hitlers Geburtshaus in Braunau am Inn haben begonnen. Schon bald soll die Polizei das Gebäude beziehen. Doch an der Entscheidung gibt es Kritik.

    Ein altes zweistöckiges Mehrfamilienhaus mit schrägem Dach und schwarz verfärbtem Fassadensockel.
    Lange ist über die Verwendung von Hitlers Geburtshaus in Braunau diskutiert worden. Die Entscheidung fiel zugunsten einer Polizeistation. Jetzt haben die Umbauarbeiten begonnen.23.11.2023 | 6:42 min
    Fassade neutralisieren und Zeit zurückdrehen: Die Umbauarbeiten an Adolf Hitlers Geburtshaus haben begonnen. Schon 2026 soll hier die Polizei einziehen. Doch viele Menschen sind mit der zukünftigen Nutzung des Gebäudes und dem Umgang des österreichischen Innenministeriums unzufrieden.
    Mitte des 18. Jahrhunderts wurde das heute gelbe Haus mit der dreckigen Fassade erbaut. Inmitten des idyllischen Städtchens Braunau am Inn, nur wenige Hundert Meter vom Grenzfluss zu Deutschland entfernt. Obwohl Adolf Hitler nur die ersten Monate seines Lebens in diesem Haus verbrachte, bekam das Haus eine große Symbolkraft.

    Symbolische Aufladung durch die Nationalsozialisten

    Die Eigentümer des Hauses richteten schon im Jahr 1936 einen Führergedenkraum ein. Hitler-Vertrauter Martin Bormann erwarb das Gebäude im Jahr 1938 im Auftrag der NSDAP und baute es zu einem Wallfahrtsort um. Hitler selbst schenkte dem Haus keine besondere Beachtung, als er beim Anschluss Österreichs durch seine Geburtsstadt fuhr.
    Kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges richteten alliierte Kräfte eine Gedenkausstellung zu den Verbrechen der Nationalsozialisten in dem Haus ein. Schließlich ging das Haus wieder zu den ursprünglichen Besitzern über und wurde von der Republik Österreich angemietet. In den vergangenen 70 Jahren beherbergte es eine Bücherei, eine Schule und die Lebenshilfe.
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    Enteignung: Und jetzt?

    Weil die Eigentümerin die nötigen Renovierungen am Haus nicht durchführte, fand das Innenministerium 2016 eine Möglichkeit, das Gebäude zu enteignen. Eine "Kommission zum historisch korrekten Umgang mit dem Geburtshaus Adolf Hitlers" schlug eine sozial-karitative oder eine administrative Nutzung des Hauses vor.
    Alle gingen davon aus: Die Lebenshilfe darf nach den Renovierungen wieder ins Haus einziehen. Einer von ihnen ist Regisseur Günter Schwaiger. Er hat den Prozess über fünf Jahre begleitet und in dem Dokumentarfilm "Wer hat Angst vor Braunau?" verarbeitet. "Ich dachte mir: Das ist ein großer Schritt nach vorn in Österreich. Man gibt dem Haus eine völlig andere Verwendung, gibt es Menschen, die während des Naziregimes verfolgt und vernichtet worden sind."
    Graphic-Novel-Motiv, das Adolf Hitler in braunem Hemd vor grauer Wand zeigt.
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    Polizei soll in das Gebäude einziehen

    In den fünf Jahren, die Regisseur Schwaiger den Prozess begleitete, registrierte die Polizei sieben rechtsextreme Delikte. Aufmärsche gab es keine. Dennoch hatte man Angst davor, dass das Haus eine Pilgerstätte werden könnte.
    Doch es kam anders: 2019 entschied das Innenministerium, dass die Polizei in das Gebäude einziehen wird. So solle ein "unmissverständliches Zeichen dafür gesetzt werden, dass dieses Gebäude für immer einer Erinnerung an den Nationalsozialismus entzogen ist". Auch architektonisch sollte das Haus neutralisiert werden.

    Durch die äußerliche Umgestaltung des Bestandsgebäudes soll die Erinnerung an die Zeit des Nationalsozialismus beseitigt (…) werden.

    Ausschreibung Architekturwettbewerb 2019

    Das Architekturbüro Marte.Marte Architekten gewann die Ausschreibung. Die Idee: die Fassade zu neutralisieren und auf die Zeit vor dem Nationalsozialismus zurückzudrehen.
    Graphic-Novel-Motiv, das Adolf Hitler in Unifform mit Hakenkreuzbinde vor blauem Hintergrund zeigt
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    Breite Debatte oder Straftaten verhindern?

    Regisseur Schwaiger hält wenig von den Umbau- und Nutzungsplänen. Er kritisiert, dass der breiten Bevölkerung dadurch die Möglichkeit zu einer offenen Auseinandersetzung mit Österreich als Land der Täter genommen werde - und in Braunau die Chance auf eine gesellschaftliche Debatte vertan worden sei. "Das Haus ist im Besitz der Republik, also aller Österreicherinnen und Österreicher. Sie haben das Recht, sich mit ihrer eigenen Vergangenheit offen und frei auseinanderzusetzen. Das kann nicht bestimmt werden von einer kleinen Gruppe von Neonazis." 
    Graphic-Novel-Motiv, das einen gealterten Adolf Hitler in Militärmantel und -mütze zeigt.
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