Frankreich: Exhumierung erschossener Wehrmachtssoldaten

    Deutsche Kriegsgefangene:Frankreich: Exhumierung erschossener Soldaten

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    1944 wurden Dutzende Wehrmachtssoldaten in Frankreich von Widerstandskämpfern erschossen. Nach Hinweisen auf ein Massengrab hat die Exhumierung begonnen. Wie es dazu kam.

    Frankreich: Grabungen nach erschossenen Wehrmachtssoldaten
    Frankreich, Meymac: Grabungen nach erschossenen Wehrmachtssoldaten
    Quelle: dpa

    "Alle wussten es, niemand hat darüber gesprochen", erinnerte sich André Nirelli, französischer Landwirt im Ruhestand. Von der Terrasse seines Hofes konnte er seinen Blick über die hügelige Landschaft der südwestfranzösischen Corrèze schweifen lassen. "Dort waren sie untergebracht", sagte er und zeigte auf eine große Scheune aus Kalkstein zu seiner Linken.

    Erschießungen am 12. Juni 1944

    Sie - das waren 46 Wehrmachtssoldaten und eine der Kollaboration verdächtigte Französin, die sich im Frühsommer 1944 in der Hand einer Gruppe französischer Widerstandskämpfer befanden. Von dieser Scheune aus wurden die Gefangenen in ein Waldstück nahe der Ortschaft Meymac geführt, wo sie Gruben ausheben mussten. Am 12. Juni 1944 wurden sie erschossen, ihre Leichen stürzten in die Gruben.
    Die Region ist bekannt für schwere Kriegsverbrechen deutscher Soldaten: Im 50 Kilometer entfernten Tulle hatten SS-Soldaten drei Tage zuvor 99 Zivilisten an Balkonen und Laternen aufgehängt. Eine andere SS-Einheit verübte am 10. Juni in dem Ort Oradour-sur-Glane das schlimmste Massaker des Zweiten Weltkriegs in Westeuropa mit 643 Toten.

    Grabungen sollen bis Ende August dauern

    Ende Juni hatte der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge in der Nähe von Meymac mit der Suche nach den Überresten der erschossenen Deutschen begonnen. Bodenanalysen lieferten Hinweise auf ein mögliches Massengrab. Am Mittwoch hat nun die Exhumierung der Leichen begonnen. Die Arbeiten sollen bis Ende August dauern.
    Auslöser der Suche war der Bericht des letzten Augenzeugen der Exekutionen, der nach mehr als sieben Jahrzehnten sein Schweigen gebrochen hatte. "Es war ein Kriegsverbrechen", sagte der 98 Jahre alte Edmond Réveil, der nicht ahnte, welches Aufsehen er auslösen würde. Über Wochen hatte er seine Geschichte immer wieder erzählt, geduldig, aber zurückhaltend.

    "Es musste gesagt werden"

    Wie seine französische Widerstandsgruppe die deutschen Gefangenen damals "geerbt" hatte und nicht wusste, was sie mit ihnen machen sollte. Wie sein Kommandeur, ein deutschsprachiger Elsässer, "wie ein Kind geweint" hatte, als er mit den Deutschen sprach. Wie die Wehrmachtssoldaten vor der Erschießung Fotos ihrer Familien ansahen. Er selbst habe nicht geschossen.
    Fragen danach, warum er so lange schwieg und was ihn nun zum Reden bewog, wich er aus. "Es musste gesagt werden", murmelte er nur. Hatte er Angst vor strafrechtlicher Verfolgung? Wollte er die Kameraden nicht verraten, die gelobt hatten, nicht darüber zu reden? Trotz ihres Schweigegelübdes hatte es sich damals in Meymac herumgesprochen.
    Als er zehn Jahre alt war, beobachtete er im Wald, wie dort menschliche Skelette ausgegraben wurden. "Die Schädel haben mich beeindruckt", erinnerte er sich. "Einer hatte hinten ein Loch." Tatsächlich hatte der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge schon in den 60er Jahren nach den Überresten der deutschen Soldaten gesucht. Elf von ihnen wurden geborgen und auf einem deutschem Soldatenfriedhof in Westfrankreich bestattet.

    Sorge um Ansehen der französischen Widerstandskämpfer?

    Es ist unklar, wer die Suche damals veranlasste. Der Präfekt von Corrèze, Étienne Desplanques, erwähnte einen Bericht des Volksbunds von 1969, nach dem der damalige Bürgermeister darum gebeten habe, die Suche nicht fortzusetzen. Es deutet einiges darauf hin, dass die Sorge bestand, dass das Ansehen der französischen Widerstandskämpfer beschädigt werden könnte. Der Bürgermeister von Meymac, Philippe Brugère, erklärt:

    Niemand wollte, dass die Geschichte hochkocht und das Bild des Widerstands beschmutzt.

    Philippe Brugère, Bürgermeister von Meymac

    Dieses Gefühl ist auch heute noch zu spüren. "Réveil hätte besser daran getan zu schweigen", sagte der frühere Landwirt Nirelli. Andererseits habe er Verständnis für die Nachkommen der deutschen Soldaten, die auf diese Weise Gewissheit bekämen.

    Historiker: Verbrechen des Widerstands nicht aufgearbeitet

    Der deutsche Historiker Peter Lieb merkte an, dass es bislang keine systematische Aufarbeitung möglicher Verbrechen des französischen Widerstands im Zweiten Weltkrieg gibt. "Es ist nach wie vor ein schwieriges Thema", sagte er. Lieb kommt - ohne Meymac - bei seinen Recherchen auf zehn Fälle, in denen Widerstandskämpfer insgesamt 350 deutsche Soldaten erschossen haben.
    Der 98 Jahre alte Réveil berichtete, die Partisanen seien damit überfordert gewesen, eine große Gruppe von Kriegsgefangenen zu versorgen. "Es war kein Racheakt", betonte er. Von den SS-Massakern wenige Tage zuvor habe er damals nichts gewusst. Er wünscht sich, dass für die toten Deutschen im Wald von Meymac ein Gedenkstein aufgestellt wird. Es wäre eine Premiere in Frankreich.
    Quelle: Mario Lawson, Ulrike Koltermann, AFP

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