Nein zu Verfassungsentwurf: Chile braucht nun Versöhner
Nein zu neuem Verfassungsentwurf:Chile braucht jetzt einen Versöhner
von Tobias Käufer
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Erst sagten die Chilenen Nein zum Verfassungsentwurf der Linken, nun kassierte auch die Rechte eine Abfuhr. Jetzt braucht Chile einen Versöhner. Zweite Chance für Präsident Boric?
In Chile ist zum zweiten Mal der Versuch gescheitert, eine neue Verfassung zu installieren. Präsident Gabriel Boric will auf beide Lager zugehen.
Quelle: imago/Aton Chile
Zum zweiten Mal binnen eines Jahres haben die Chilenen den Versuch abgelehnt, die in Teilen noch aus der Zeit der Militärdiktatur von General Augusto Pinochet (1973 - 1990) stammende Verfassung durch einen neuen Entwurf zu ersetzen.
Sagten beim ersten Versuch vor einem Jahr rund 62 Prozent der Bevölkerung Nein zu einem überwiegend von linken Kräften ausgearbeiteten Text, waren es diesmal fast 56 Prozent - der zweite Vorschlag für ein neues Grundgesetz war überwiegend von rechten und konservativen Parteien entworfene worden.
Unverhoffte Chance für Präsident Boric
Nach der chilenischen Linken musste damit am Sonntag auch die chilenische Rechte erkennen, was Ex-Präsident Sebastian Pinera vor gut einem Jahr feststellte: "Eine Verfassung ist kein Parteiprogramm."
Auf den ersten Blick bleibt damit erst einmal alles beim Alten: Die inzwischen mehrmals aktualisierte, aber ungeliebte "Pinochet-Verfassung" bleibt weiterhin in Kraft. Auf den zweiten Blick eröffnet dieses Wahlergebnis dem jungen linksgerichteten Präsidenten Gabriel Boric eine zweite unverhoffte Chance.
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Der ehemalige Studentenführer kam im Nachgang der Sozialproteste 2019 und 2020 an die Macht. Eines seiner zentralen Vorhaben war die mit großer Mehrheit vom chilenischen Volk per Referendum eingeforderte Verfassungsreform.
Ideologische Grabenkämpfe um neue Verfassung
Doch dann begann der verfassungsgebende Prozess in ideologische Grabenkämpfe abzugleiten. Beim ersten Mal waren es überwiegend linke gesellschaftliche Kräfte, die dem Entwurf ihren Stempel aufdrückten. Zu links fanden 62 Prozent der Chilenen 2022 - Boric war düpiert.
Nun konnten rechte und konservative Parteien der Versuchung nicht widerstehen, eigene ideologische Vorlieben wie die Verschärfung einer hart erkämpften Regelung für Schwangerschaftsabbrüche durchzusetzen. Und wieder sagten die Chilenen: Das wollen wir so nicht.
Herber Rückschlag für rechtskonservativen Kast
War es 2022 Gabriel Boric (37), der als Präsident die Niederlage eingestehen musste, traf es diesmal den Gründer der rechtskonservativen Republikanischen Partei, Jose Antonio Kast (57). Seine in Teilen rechtspopulistische Bewegung hatte für den neuen Entwurf federführend geworben. Er räumte die Niederlage ein:
Wir mögen traurig sein, aber wir sind glücklich, weil wir unsere Pflicht erfüllt haben.
„
Jose Antonio Kast, Republikanische Partei
Für Kasts Ambitionen mit Blick auf die Präsidentschaftswahlen im November 2025 ist das ein herber Rückschlag. Das Ergebnis von Samstag bestätigt die politischen Kräfteverhältnisse der Präsidentschaftswahlen von 2021, als Boric mit 55,7 Prozent gegen Kast (47,3 Prozent) die Oberhand behielt.
Ball wieder im Spielfeld des Präsidenten
Zudem liegt der Ball wieder im Spielfeld des amtierenden Präsidenten, der eine politische Chance erkennt: Es sei an der Zeit, das Ergebnis derjenigen anzuerkennen, die mit Nein gestimmt haben, ohne jedoch zu vergessen, dass ein großer Teil der Wähler mit Ja votiert habe.
Es ist der erste Versuch, auf beide Lager zuzugehen. Boric nimmt ohnehin eine Sonderstellung in Lateinamerika ein. Er ist der einzige Linkspolitiker, der offen und deutlich Menschenrechtsverletzungen in den Linksautokratien Kuba und Venezuela anprangert und sich dadurch vor allem international eine Form der Anerkennung des konservativen Lagers sichert.
Diese parteiübergreifende Sachlichkeit wird er auch brauchen, wenn es darum geht, die beiden nun geschlagenen Lager miteinander zu versöhnen. Für den zweiten Teil seiner Amtszeit könnte der bislang eher glücklos agierende Boric damit eine Aufgabe gefunden haben.
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